Israel bewaffnet palästinensische Clans im Gazastreifen
6. Juni 2025
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat öffentlich bestätigt, dass sein Land im Gazastreifen lokale palästinensische Clans im Kampf gegen die Hamas bewaffnet. In einer Videobotschaft sagte Netanjahu, dass dies auf Empfehlung hochrangiger Sicherheitsbeamter erfolgt sei. Ziel sei es, israelische Soldaten zu schützen und die islamistische Terrororganisation Hamas zu schwächen. Die Hamas wird von vielen westlichen und auch einigen arabischen Ländern als Terrororganisation eingestuft.
"Was ist daran schlecht? Das ist nur gut. Das rettet das Leben israelischer Soldaten", erklärte Netanjahu. Seine Aussage war die erste offizielle Bestätigung dafür, dass Israel gezielt mit bestimmten Gruppen im Gazastreifen zusammenarbeitet, die bereits in der Vergangenheit Spannungen mit der Hamas hatten.
Besonders im Fokus steht derzeit die Gruppe um den Clanführer Jassir Abu Schabab im Süden des palästinensischen Küstenstreifens, nahe Rafah. Laut israelischen und US-Medien soll seine Miliz von der israelischen Armee mit beschlagnahmten Kalaschnikow-Gewehren ausgestattet worden sein. Die Miliz soll unter anderem Versorgungslieferungen an israelisch unterstützte Verteilzentren in Rafah sichern.
Spaltung innerhalb der Clans
Innerhalb der palästinensischen Gesellschaft sorgt die Kooperation mit Israel für scharfe Kritik. Die eigene Familie Abu Schababs distanzierte sich öffentlich von ihm. In einer Stellungnahme hieß es, Jassir Abu Schabab und seine Unterstützer seien "nicht länger Teil der Familie".
Hilfsorganisationen werfen den bewaffneten Clans kriminelle Aktivitäten und Plünderungen vor. Und auch Experten in Israel reagieren kritisch. Die Zeitung "New York Times" zitierte einen ehemaligen israelischen Geheimdienstoffizier. Dieser sagte: "Eine Bewaffnung seiner aus schätzungsweise einigen Hundert Mann bestehenden Gruppe durch Israel erfordere genaue Überwachung, damit das nicht nach hinten losgeht."
Michael Milstein, ehemaliger Leiter der Abteilung für palästinensische Angelegenheiten im israelischen Militärgeheimdienst, hält Abu Schabab für einen "kriminellen Kollaborateur" ohne nennenswerte Unterstützung in der palästinensischen Bevölkerung. Die Hamas habe ihn als Verräter gebrandmarkt und sei wohl in der Lage, seine Gruppe schnell zu zerschlagen.
Neue Luftangriffe im Libanon
Währenddessen ging das israelische Militär erneut gegen die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon vor. In der Nacht zu Freitag griff die Luftwaffe Ziele in der Nähe der Hauptstadt Beirut und im Süden des Landes an. Laut Israels Armee handelte es sich um unterirdische Produktions- und Lageranlagen für Drohnen, die von der Hisbollah in Kooperation mit iranischen Stellen betrieben würden. Neben Israel stufen unter anderem auch die USA, Deutschland und mehrere sunnitische arabische Staaten die Hisbollah-Miliz als Terrororganisation ein.
Trotz der seit November geltenden Waffenruhe arbeite die Hisbollah-Miliz "unter der Leitung und mit finanzieller Unterstützung iranischer Terrorfunktionäre an der Herstellung von Tausenden von Drohnen", teilte das israelische Militär im Onlinedienst Telegram mit.
Der libanesische Präsident Joseph Aoun verurteilte die Angriffe scharf, zumal sie am Vorabend des muslimischen Opferfestes Eid al-Adha erfolgten.
Die Hisbollah-Miliz hatte nach Beginn des Kriegs im Gazastreifen am 7. Oktober 2023 mehr als ein Jahr lang vor allem den Norden Israels mit Raketen beschossen. Sie wollte damit nach eigenen Angaben ihre Solidarität mit der islamistischen Hamas ausdrücken. Israel reagierte mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive im nördlichen Nachbarland.
pgr/se/AR (dpa, ap, rtr)