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Politik

Ein Kuss, der den Frieden verrät?

30. Januar 2020

"Apartheidstaat am Jordan" oder "letzte Chance für Frieden"? Über Trumps "Jahrhundertdeal" wird in Israel heftig gestritten. Schon jetzt steht fest: Der Friedensplan hat den Konflikt nicht entschärft.

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Wie weit geht die politische Liebe: Graffiti mit Trump und Netanjahu an der Mauer in BethlehemBild: Getty Images/AFP/M.A. Shaers

Vielleicht hilft ja Trumps unkonventionelle Art? Oded Revivi, Vorsteher der im Westjordanland gelegenen Siedlung Efrat, schließt das nicht aus. Es sei nicht ausgeschlossen, schreibt er in der "Jerusalem Post", dass Donald Trump gerade in der ihm eigenen burschikosen Art in der Lage sei, einen Konflikt zu lösen, an dem sich bislang bereits 13 US-Präsidenten vergeblich versucht haben.

Könnte es also sein, dass gerade Trump mit seinem Plan jenen guten Geist aus der Flasche lässt, dessen der Nahost-Konflikt, die scheinbar endlose Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern, so dringend bedarf, um endlich beendet zu werden?

Oded Revivi, der auch Vorsitzender der jüdischen Gemeinden in den Autonomiegebieten ist, zeigt sich zuversichtlich. Die Stärke von Trumps Plan liege genau darin, mit den Palästinensern nicht gesprochen zu haben, behauptet er in seinem Essay in der "Jerusalem Post".

Frieden versprechen und Krieg führen

"Jeder Plan, der ohne Bedingungen an die Palästinenser, ohne die Anerkennung des Existenzrechtes Israels und ohne die De-Militarisierung (der palästinensischen Seite, Anm. d. Red.) präsentiert wird, ist zum Scheitern verurteilt." Die bislang gescheiterten Versuche krankten daran, dass man über Frieden nicht mit Personen verhandeln könne, die auf die Zerstörung (Israels, Anmerk. der Red.) aus seien.

Anderer Ansicht sind der Politikwissenschaftler Jason D. Greenblatt, Mitglied im internationalen Verhandlungsteam der Trump-Administration, und Bishara A. Bahbah, ehemaliges Delegationsmitglied der Palästinenser bei multinationalen Friedensverhandlungen. Es wäre nicht erstaunlich, wenn Palästinenser Trumps Vorschläge rundum ablehnten, schreiben sie in einem gemeinsam verfassten Artikel ebenfalls für die "Jerusalem Post".

Dennoch, sind sie überzeugt, wären die Palästinenser letztlich gut beraten, sich auf Verhandlungen einzulassen. Allein der Umstand, dies zu tun, wäre ein positives Zeichen, dem dann auch Annäherung und eine produktive Auseinandersetzung um strittige Punkte folgen könnten.

Letzte Chance?

Die beiden Diplomaten vertreten die These, dass sich nach vielen ergebnislosen Verhandlungen nun eine neue, womöglich für lange Zeit letzte Chance auftue. "Die Palästinenser können weiterhin auf einen besseren politischen Handel ("deal") warten. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach wird ein solcher Deal niemals kommen."

Trump würde aller Wahrscheinlichkeit nach wiedergewählt und dann stünden den Palästinensern fünf weitere Jahre ohne jegliche Entwicklung bevor. Darum, so schlagen die Autoren vor, sollte die Bevölkerung in den Autonomiegebieten die wirtschaftliche Entwicklung im Auge behalten: "Innerhalb eines Jahrzehnts können die Palästinenser ökonomisch erfolgreich werden, freien Handel treiben und sich Investitionen sichern. Es gibt keinen Grund, warum die Palästinenser nicht eine weitere "start-up"-Gesellschaft werden können", sind Greenblatt und Bahbah überzeugt.

Wie weit geht die politische Liebe: Graffiti mit Trump und Netanjahu an der Mauer in BethlehemBild: Getty Images/AFP/M.A. Shaers

Die Siedlungen als Problem

Doch ist ein solches Szenario realistisch? Geostratege Shany Mor ist skeptisch. Würde der Plan umgesetzt, wären die israelischen Siedlungsgebiete isolierte Territorien innerhalb eines fremden Staates. "Was nützt Israel die Souveränität eines Dutzend isolierter Enklaven auf dem Territorium eines feindlichen und (wahrscheinlich) versagenden Staates? Wie sähe die militärische Situation am Tag nach einem unvermeidlichen Terroranschlag aus?", fragt er in der Zeitung "Times of Israel".

Mor ist überzeugt: Die quer durch einen künftigen Palästinenserstaat verteilten Siedlungen seien der nationalen Sicherheit alles andere als förderlich. "Ein Plan, der der messianistischen postzionistischen Siedlerbewegung ein Lächeln ins Gesicht schreibt, ist nicht unbedingt einer, der den nationalen Interessen Israels entspricht. In aller Regel ist das Gegenteil der Fall."

"Apartheid-Staat zwischen Jordan und Mittelmeer"

Ähnlich sieht es der Journalist Nahum Barnea in der Zeitung "Yedioth Ahronoth". Er nimmt nicht an, dass der Plan verwirklicht wird. Unter den derzeitigen Bedingungen würden sich Israelis und Palästinenser nicht aneinander annähern. Dafür macht er vor allem sein eigenes Land verantwortlich: "Ob mit oder ohne Trump-Plan, Israel strebt eine Ein-Staaten-Lösung an, einen Apartheid-Staat zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer."

Wenig kann auch Gideon Levy, Kolumnist der Zeitung "Haaretz", Trumps Friedensplan abgewinnen. Den Palästinensern dürfte es kaum möglich sein, den Deal anzunehmen, schreibt er. Denn dieser enthalte nur die "Karikatur eines Staates, und das erst nach vielen Jahren – falls überhaupt". Und selbst ein solcher Staat wäre teuer erkauft, basiere er doch darauf, "dass sie (die Palästinenser, Anm. d. Red.) einer Reihe degradierender Unterwerfungsbedingungen zustimmten, denen selbst der schwächste ("lowest") Partner nie zustimmen würde". Friede werde mit diesem Plan nicht zu haben sein, ist Levy überzeugt. "Jeder, der auch nur einen Funken moralisches Empfinden hat, sollte fassungslos angesichts dieses furchtbaren Friedens der Sieger sein, der gut für Israel aber niemals gut für die Israelis enden wird."

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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