Seit dem Angriff auf Madschd al-Schams, bei dem am Samstag zwölf Kinder und Jugendliche ums Leben kamen, stehen die Golanhöhen im Mittelpunkt des Nahostkonflikts. Hier die wichtigsten Fakten über das Gebiet.
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Israel macht die vom Iran unterstützte radikal-islamische Hisbollah-Miliz aus dem Libanon für den Angriff verantwortlich. Die Hisbollah lehnt die Verantwortung ab und bestreitet eine Beteiligung an dem Anschlag.
Die Hisbollah wird von den USA, Deutschland und anderen westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft. Sie wird vom Iran unterstützt. Die EU listet den bewaffneten Flügel der Hisbollah als Terrorgruppe.
Fest steht, dass der Anschlag den Fokus der Weltöffentlichkeit auf das Gebiet gelenkt hat. Die DW beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wo liegen die Golanhöhen und was ist ihre Geschichte?
Die Golanhöhen sind ein hügeliger Landstrich im Grenzgebiet von Israel, dem Libanon, Syrien und Jordanien. Sie grenzen auf israelischer Seite an den See Genezareth, der 212 Meter unter dem Meeresspiegel liegt.
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Der höchste Punkt des Golan, wie das Gebiet auch genannt wird, ist mit mehr als 2800 Metern ein Gipfel des Hermon-Bergmassivs im Norden. Die Böden des Golan sind steinig, aber ein Teil des Landes wird für Landwirtschaft wie zum Beispiel Weinanbau und als Weideland für Rinder und Schafe genutzt.
Das Gebiet wurde zuvor militärisch von Syrien genutzt, zum Beispiel für den Beschuss israelischer Gemeinden. Syrien beansprucht das Gebiet bis heute vollständig für sich.
Der Jom-Kippur-Krieg
Nach dem Sechstagekrieg galt Israel als unverwundbar - der Angriff Ägyptens und Syriens am 6. Oktober 1973 zeigte, dass sich der jüdische Staat in trügerischer Sicherheit wiegte. Der Nahe Osten ist fragil - bis heute.
Bild: Gali Tibbon/AFP/Getty Images
Überraschungsangriff
Am Mittag des 6. Oktober 1973 rückte die ägyptische Armee auf die von Israel besetzte Sinai-Halbinsel vor. Gleichzeitig griffen syrische Truppen israelische Stellungen in den Golan-Höhen an. Israel war auf einen Krieg nicht vorbereitet, schon gar nicht am höchsten jüdischen Feiertag, dem Jom Kippur. Die zahlenmäßig weit unterlegenen israelischen Soldaten konnten kaum Widerstand leisten.
Bild: GPO/Getty Images
"Schande" vergessen machen
Ägypten konnte das Trauma des verlorenen Sechstagekriegs von 1967 nicht verwinden. Als Präsident Gamal Abdel Nasser drei Jahre später starb, schwor sich sein Nachfolger Anwar el Sadat (3. v. r.), die von Israel annektierte Sinai-Halbinsel zurückzuerobern. In Syriens Präsident Hafis al-Assad fand er einen bereitwilligen Verbündeten für einen Zwei-Fronten-Krieg gegen den gemeinsamen Feind.
Bild: gemeinfrei
Günstiger Zeitpunkt?
Für den Angriff wählten Ägypten und Syrien den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Am Vorabend wird ein Huhn als Opfer geschlachtet, auf das die Sünden übergehen sollen. An Jom Kippur selbst wird gefastet, das öffentliche Leben kommt zum Erliegen. Gerade das erwies sich für Israel letztlich aber als Vorteil: Die mobilisierte Armee gelangte durch die menschenleeren Straßen schnell an die Front.
Bild: Menahem Kahana/AFP/Getty Images
Gegenoffensive
Sadat und Assad konnten in den ersten zwei Tagen militärische Erfolge feiern: Im Süden überquerten die ägyptischen Truppen an fünf Stellen den Suezkanal und drangen auf die Sinai-Halbinsel vor. Im Norden besetzte die syrische Armee mit jordanischer Unterstützung die Golan-Höhen. Doch dann wendete sich das Blatt: Den Israelis gelang es, die Angreifer zurückzuschlagen.
Bild: Keystone/Getty Images
Erster Erfolg
Die israelische Gegenoffensive im Norden brachte der syrischen Armee auf den Golan-Höhen schon am dritten Tag des Jom-Kippur-Kriegs eine erste schwere Niederlage bei. Die Israelis rückten mit Bodentruppen weiter auf Damaskus vor und flogen Bombenangriffe auf die syrische Hauptstadt.
Bild: GPO/Getty Images
Offensive im Süden
Auch auf der Sinai-Halbinsel rückten die israelischen Truppen vor. Unter der Führung von General Ariel Scharon (r.) überquerten sie schließlich den Suezkanal. Scharons Panzerdivision brach durch die ägyptischen Angriffslinien und kesselte einen Teil der gegnerischen Streitkräfte ein. Danach galt er vielen Israelis als Held - und begann seine politische Karriere. 2001 wurde er Ministerpräsident.
Bild: picture-alliance/dpa
Ölembargo
Angesichts der militärischen Erfolge Israels verhängte die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zwölf Tage nach Beginn des Kriegs ein Ölembargo gegen westliche Staaten. Speziell auf den Israel-Unterstützer USA wollten die arabischen Staaten in der OPEC Druck ausüben. Die Drosselung der Ölausfuhren löste eine Energiekrise und drastische Sparmaßnahmen aus - auch in Deutschland.
Bild: picture-alliance/dpa
Später Friedensschluss
Zwei Wochen nach Beginn des Kriegs drängte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen alle Parteien, das Feuer einzustellen. Am 24. Oktober ruhten die Waffen an allen Fronten. Aber erst 1979 unterzeichneten Anwar al-Sadat (l.) und Israels Ministerpräsident Menahem Begin (r.) unter Vermittlung von US-Präsident Jimmy Carter das Friedensabkommen von Camp David.
Bild: Getty Images
Krise nach dem Krieg
Trotz der militärischen Erfolge stürzte der Jom-Kippur-Krieg Israel in eine innenpolitische Krise. Der Nimbus der Unverwundbarkeit war zerstört. Mehrere Regierungspolitiker und führende Militärs traten zurück. Ihre Haltung vor dem Kriegsausbruch bezeichnet der heutige Verteidigungsminister Mosche Jaalon, der damals als Soldat diente, als "Arroganz, Leichtsinnigkeit und Selbstgefälligkeit".
Bild: picture-alliance/dpa
Schmerzliches Gedenken
Die Bilanz nach zwei Wochen Krieg ist erschreckend: Auf arabischer Seite schätzt man die Zahl der Todesopfer auf bis zu 18.500. Israel beklagt rund 2500 Gefallene. Am Tag nach Jom Kippur wird jedes Jahr an sie erinnert.
Bild: Gali Tibbon/AFP/Getty Images
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Im Oktober 1973 griffen Syrien, Ägypten und weitere arabische Staaten Israel an - am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur. Im sogenannten Jom-Kippur-Krieg eroberte Syrien zunächst Teile der Golanhöhen zurück, verlor diese Gebiete jedoch im Laufe der Kämpfe wieder.
UNDOF ist eine der am längsten dauernden UN-Missionen. Die Blauhelme kontrollieren seitdem eine Pufferzone zwischen den Golanhöhen und dem übrigen syrischen Staatsgebiet.
So wie die UN erkennt auch ein Großteil der internationalen Gemeinschaft die Golanhöhen nicht als israelisch an. Eine Ausnahme bilden die USA, die 2019 unter Präsident Donald Trump Israels Anspruch auf das Gebiet anerkannt haben (und dies auch unter Präsident Joe Biden weiterhin tun).
Israel und die Araber: eine Geschichte von Hass und Gewalt?
13:44
Welche strategische Bedeutung haben die Golanhöhen?
Durch ihre Anhöhen, die zu israelischer und zu syrischer Seite hin abfallen, sind die Golanhöhen in militärischer Hinsicht strategisch sehr wichtig für Israel. Die Besetzung verhindert größtenteils, von dem Gebiet mit Sicht über Israel angegriffen werden zu können.
Außerdem haben israelische Streitkräfte im Gegenzug auch Syrien im Blick - zur Hauptstadt Damaskus sind es nur rund 60 Kilometer Luftlinie. Auch Quellflüsse und Zuflüsse zum Jordan, einer wichtigen Trinkwasserquelle für Israel, liegen im Gebiet der Golanhöhen.
Israels ultrarechte Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu sowie rechtskonservativen Strömungen innerhalb des Landes lehnen eine Aufgabe des Gebiets strikt ab.
Rückt Israel in den Libanon ein?
04:10
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Wer sind die Drusen?
Die Drusen machen einen erheblichen Teil der Bevölkerung auf dem dünn besiedelten Golan aus. Sie sind eine arabische Bevölkerungs- und Religionsgruppe, die vor allem im Libanon, in Syrien und Israel beheimatet ist.
Von den Drusen auf dem Golan fühlen sich die meisten nach wie vor Syrien zugehörig und haben dort Familie. Auch Madschd al-Schams, wo der Raketenanschlag am Samstag zwölf junge Menschen tötete, ist ein drusisches Dorf.
Die Drusen auf dem Golan können die israelische Staatsbürgerschaft beantragen - was aber nur wenige Drusen machen. Die meisten sind aufgrund ihres Zugehörigkeitsgefühls zu Syrien auch syrische Staatsbürger.