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PolitikNahost

Israel-Hisbollah-Konflikt: Wird es einen Krieg geben?

Tania Krämer in Kirjat Schmona, Nordisrael
28. Januar 2024

Die Bewohner entlang der israelisch-libanesischen Grenze sind aufgrund der wachsenden Spannungen in der Region zunehmend besorgt. Was würde ein Krieg für die Menschen in den Grenzgebieten bedeuten?

Israelische Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen fahren eine Straße in der Nähe der nördlichen Stadt Kirjat Schmona entlang
Die Spannungen zwischen israelischen Truppen und der Hisbollah haben in den letzten Wochen zugenommenBild: Jalaa Marez/AFP/Getty Images

In der Ferne ragt die schneebedeckte Spitze des Hermon-Bergs über Kirjat Schmona, einer Stadt im Norden Israels. In den letzten drei Monaten ist Kirjat Schmona fast zu einer Geisterstadt geworden, mit leeren Straßen und wenigen Geschäften, die noch geöffnet haben. Von Zeit zu Zeit wird die relative Stille durch laute Explosionsgeräusche durchbrochen.

Die Stadt liegt in der Nähe der israelisch-libanesischen Grenze. Die militärischen Stellungen der libanesischen schiitischen Hisbollah sind nur wenige Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Demarkationslinie, die beide Länder trennt.

"Man hört einen Alarm, und dann hat man fünf Sekunden, um in einen Schutzraum zu gehen. Die meiste Zeit hört man zuerst die Explosion und dann den Alarm", sagt Ariel Frisch, der zum Notfallteam der Stadtverwaltung gehört. "Das bedeutet, wenn ich durch die Stadt fahre, kann ich jederzeit getroffen werden."

Rund 23.000 Menschen leben in normalen Zeiten in der Stadt. Doch nur kurze Zeit nach den Hamas-Terrorattacken auf Orte und Militärstützpunkte entlang des Gazastreifen im Süden Israels, hatte die israelische Regierung auch die Evakuierung für nördliche Gebiete angeordnet, darunter auch Kirjat Schmona sowie von Ortschaften bis zu 3,5 Kilometer von der nördlichen Grenze.

Die militant-islamistische Hamas wird von Deutschland, der EU, den USA und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft. Rund 50.000 Israelis sind der Evakuierungsorder gefolgt. Hinzu kommen nach Schätzungen der Armee bis zu 35.000 Menschen aus dem weiteren Umkreis, die sich zumindest zeitweise weiter südlich in Sicherheit gebracht hatten.

Ariel Frisch arbeitet für das Notfallteam der Stadtverwaltung von Kirjat SchmonaBild: Tania Krämer/DW


Drei Monate nach Kriegsbeginn in Gaza ist ungewiss, wann die Evakuierten wieder nach Hause können. In den vergangenen Wochen haben sich die grenzüberschreitenden Kämpfe zwischen der israelischen Armee im Norden Israels und der Hisbollah im Südlibanon intensiviert.

In den israelischen Medien werden fast täglich mögliche Anzeichen für einen größeren Krieg gegen die Hisbollah diskutiert. Dieser gilt als riskant, wird aber langfristig als unvermeidlich angesehen. Beide Seiten könnten die Situation falsch einschätzen, sagen Militäranalysten, oder Israel könnte sich für einen Präventivschlag entscheiden, um den derzeitigen Status Quo zu ändern.

Wird der Konflikt mit der Hisbollah eskalieren?

Die Terroranschläge vom 7. Oktober haben Israels Militärdoktrin (oder Selbstverständnis) verstärkt, dass das Land nie wieder wehrlos sein darf. Mitte Januar besuchte der israelische Armeechef Herzi Halevi eine Übung für Reservetruppen in Nordisrael.

"Ich weiß nicht, wann der Krieg im Norden ausbricht, aber ich kann sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er in den nächsten Monaten ausbricht, viel höher ist als in der Vergangenheit", sagte Halevi.

Ariel Frisch ist einer der schätzungsweise 2000 Einwohner, die in Kirjat Schmona geblieben sind. Seine Familie hat die Stadt verlassen.

"Die Einwohner sind über das ganze Land verstreut", sagt Frisch. Die meisten von ihnen sind in Hotels untergebracht, andere haben inzwischen Wohnungen angemietet. Schulkinder müssen in anderen Schulen untergebracht werden, Geschäfte kämpfen um ihre Existenz und im Umland liegen viele Felder brach."

Der letzte große Krieg zwischen Israel und dem Libanon im Jahr 2006 dauerte sechs Wochen. "Aber dieser Krieg, der mit dem Einmarsch der Hamas im Süden begann, hat allen Angst gemacht, weil wir verstanden haben, dass die Drohungen der Hisbollah wahr werden könnten", sagt Frisch.

Hisbollah gefährlicher als die Hamas

Damit meint er Pläne, nach denen die Elite-Einheit Radwan der Hisbollah den Norden Galiläas erobern könnte. Im Jahr 2018 entdeckte die israelische Armee tief in das Berggebiet gegrabene Tunnel, die vom Südlibanon bis auf israelisches Gebiet reichen.

"Für die meisten Menschen klang das wie eine Phantasie der Hisbollah. Das kann nicht sein, das kann nicht passieren. Wir haben die IDF [Israel Defense Forces, die israelischen Streitkräfte, Anm. d. Red.]. Wir sind stark. Das wird nie passieren", sagt Frisch.

"Aber nach dem, was am 7. Oktober durch die Hamas passiert ist, die als weniger koordiniert und stark gilt, haben wir verstanden, dass wir in großer Gefahr sind."

Die Ungewissheit lastet schwer - und viele verstehen, dass eine baldige Rückkehr nachhause nicht in Frage kommt, solange sich die Situation nicht ändert. Solange die Hisbollah "direkt an der Grenze" stehe, sei eine Rückkehr der Zivilbevölkerung kaum absehbar, bestätigt ein IDF-Offizier der nördlichen Kommando-Einheit, der nicht namentlich genannt werden will.

Bei den grenzüberschreitenden Kämpfen wurden bisher mindestens neun Soldaten und sechs israelische Zivilisten getötet. Die Hisbollah, so der IDF-Offizier, setze derzeit nur etwa "ein Prozent ihrer militärischen Fähigkeiten" ein.

Nach Schätzungen des israelischen Militärs verfügt die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz über rund 150.000 präzisionsgelenkte Raketen, die auf Israel gerichtet sind.

Wenn sich das Zuhause nicht mehr sicher anfühlt

Meital Fershtman Yogev gehört zu den Zehntausenden von Israelis, die noch immer nicht nach Hause zurückkehren können. Seit drei Monaten ist ein kleines Doppelzimmer mit Balkon in einem Hotelkomplex am See Genezareth zu ihrer vorübergehenden Bleibe geworden.

Anstelle von Urlaubern, die sonst in dieser Zeit die milden Wintertage am See verbringen, sind hier Hunderte von Bewohnern verschiedener Kibbuzim aus dem Grenzgebiet zum Libanon untergebracht.

Bis zum 7. Oktober hat die vierköpfige Familie in Yiftach, in einem 400-Einwohner Kibbuz im Grenzgebiet zum Libanon, gelebt.

"Zuhause sollte der sicherste Ort der Welt sein, und plötzlich wird mir klar, dass mein Zuhause nicht mehr der sicherste Ort ist. Als ich in der Nähe der Grenze lebte, fühlte ich mich dort immer sicher. Ich bin im Kibbuz joggen gegangen und habe dabei den Libanon gesehen. Der Gedanke [von Gefahr] kam mir in den Sinn, aber er verschwand wie eine Wolke am Himmel", sagt sie.

Am Tag nach den Hamas-Angriffen im Süden Israels verließ die Familie den Kibbuz, um zunächst bei Freunden unterzukommen, die etwas weiter weg wohnen. Es sollte nur für ein paar Tage sein. Nach der Evakuierungsorder sind sie gemeinsam mit den anderen Kibbuzbewohnern in das Hotel gezogen, um zumindest als Gemeinschaft zusammen zu bleiben. 

Lösung des Konflikts durch Diplomatie?

Jeder weiß, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie es weitergehen wird. Im Moment wird der Diplomatie noch eine Chance gegeben.

Israel besteht darauf, dass die Hisbollah die Resolution 1701 einhält, die nach dem Libanonkrieg im Sommer 2006 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, und sich in ein Gebiet nördlich des Litani-Flusses zurückzieht.

Inside Gaza - Der Krieg und seine Folgen

28:36

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Für die Evakuierten aus Yiftach würde ein solcher Schritt aber nicht alle Sicherheitsbedenken aus dem Weg räumen. "Wie kann man ein Abkommen mit Terroristen schließen? Das ist doch verrückt. Wie kann ich sicher sein, dass es in vier Jahren nicht dann doch bei uns passiert? Dies ist ein Krieg, bei dem es um unsere Existenz in Israel in diesen Grenzen geht", sagt Fershtman Yogev.

Letztes Jahr gehörte sie zu den Tausenden von Israelis, die gegen die umstrittene Justizreform von Premierminister Benjamin Netanjahu demonstrierten. Das Land schien nach dem 7. Oktober zunächst geeint. Und doch sind die Spaltung und der Zweifel daran, ob die Regierung die Krise lösen kann, wieder aufgeflammt.

Ihr Partner wurde gleich zu Beginn des Krieges zum Reservistendienst im Süden eingezogen. Obwohl er nun seit zwei Wochen wieder zu Hause ist, hat er bereits einen neuen Einsatzbefehl erhalten, diesmal für den Norden.

"Jetzt habe ich wieder Angst. Und ich bin wütend", sagt Fershtman Yogev. "Ich bin wütend auf das Land. Ich bin wütend auf die Politiker. Ich bin wütend. Wie sind wir nur in diese Situation gekommen? Wie konnte uns das passieren?"