Israel und die Huthis im Jemen - neue Eskalationsstufe?
25. August 2025
Am Sonntag (24.08.) haben israelische Kampfflugzeuge einen massiven Luftschlag auf die jemenitische Hauptstadt Sanaa geflogen. Nach Angaben der israelischen Armee (IDF) wurden mehrere militärische Ziele getroffen: ein Komplex, in dem sich auch der Präsidentschaftspalast befindet, sowie zwei Kraftwerke und ein Treibstofflager. Israel betonte, es habe sich dabei um Anlagen gehandelt, die von den Huthis militärisch genutzt würden - zur Stromversorgung von Kommandozentralen oder zur Treibstoffversorgung von Drohnen.
Die Huthi-Behörden meldeten hingegen mindestens sechs Tote und fast 90 Verletzte, darunter zahlreiche Zivilisten. Bilder aus Sanaa zeigten brennende Tanklager und beschädigte Wohnhäuser. Der Angriff ist nicht die erste israelische Operation gegen die Huthis, aber er ist einer der schwersten seit Beginn dieser neuen Front.
Warum reagierte Israel gerade jetzt?
Der Auslöser für den Militärschlag liegt zwei Tage zurück: Am 22. August hatten die Huthis eine Rakete auf Israel abgefeuert, die nach Angaben der IDF erstmals mit Submunition, also einem Gefechtskopf mit Streubomben, ausgestattet war. Solche Waffen sind international geächtet, weil sie häufig zivile Opfer fordern.
Für Israel war der Streubombenangriff offenbar eine qualitative Eskalation. Die israelische Regierung scheint mit ihrem Schlag nun zeigen zu wollen, dass sie Huthi-Angriffe nicht mehr nur defensiv abwehrt, sondern noch stärker an ihrem Ursprungsort zurückschlägt.
In den vergangenen Monaten hatte sich die Häufigkeit von Raketen- und Drohnenangriffen aus dem Jemen erhöht. Die unabhängige Jemen-Analystin Hannah Porter sieht darin eine neue Qualität.
"Neu ist offenbar, dass die Huthis Submunition in ihre Raketen integrieren. Selbst wenn die Geschosse abgefangen werden, könnten Splitter oder Teile mit Submunition über Israel niedergehen und beim Aufprall explodieren", so Porter im Interview mit der DW. "Dahinter steckt die Hoffnung, größere Wirkung zu erzielen, auch in der Nähe des Flughafens Ben Gurion in Tel Aviv."
Seit wann greifen die Huthis Israel an?
Die Konfrontation reicht zurück in den Herbst 2023. Damals, kurz nach dem Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober, bekannten sich die Huthis zu "Solidaritätsangriffen" auf Israel. Am 19. Oktober schoss die US-Marine erstmals Huthi-Raketen über dem Roten Meer ab, die auf Israel gezielt gewesen sein sollen. Am 31. Oktober bestätigten die Huthis offiziell, dass sie Drohnen und Raketen in Richtung Eilat abgefeuert hatten.
Seitdem kam es immer wieder zu Angriffen, die in Israel teils Luftalarm auslösten. Besonders einschneidend war der 19. Juli 2024. Damals schlug eine Huthi-Drohne im Zentrum von Tel Aviv ein und tötete einen Zivilisten.
Israel reagierte mit Luftschlägen auf Huthi-Ziele in Hodeida, einer Hafenstadt am Roten Meer im Westen des Jemen, die bereits häufiger Ziel saudischer Luftangriffe gewesen ist.
Für Jemen-Analystin Porter weisen die Hurthi-Angriffe eine strategische Logik auf: "Die Huthis greifen Israel seit dem 7. Oktober 2023 kontinuierlich an. Es gab Pausen und Schwankungen in der Frequenz der Attacken, aber sie haben wiederholt klargemacht: Egal welche Luftangriffe sie erleiden, ob von Israel oder den USA - sie werden diese Kampagne fortsetzen."
Welche Interessen verfolgen die Huthis?
Die Huthis, die sich selbst als "Ansar Allah" (Gottes Helfer, Gottes Unterstützer) bezeichnen, kontrollieren seit 2014 den größten Teil des Nordjemen. Sie kämpfen im Bürgerkrieg gegen eine von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützte Regierung. International isoliert sind die Huthis auf ihre Allianz mit dem Iran angewiesen.
Teheran liefert nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen seit Jahren Waffen, Raketen- und Drohnentechnologie und unterstützt mit militärischer Ausbildung. Für den Iran sind die Huthis ein wichtiger Hebel in der Region. Mit ihrer Hilfe kann Teheran Druck auf Saudi-Arabien, die USA und auch Israel ausüben.
Die Huthis wiederum nutzen den Krieg in Gaza, um sich als Teil des "Widerstandslagers" zu inszenieren. Sie präsentieren ihre Angriffe auf Israel als Ausdruck muslimischer Solidarität mit den Palästinensern und verschaffen sich damit Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. Gleichzeitig erhoffen sie sich internationale Aufmerksamkeit, die ihnen in Friedensverhandlungen im jemenitischen Bürgerkrieg nützen könnte.
Die humanitäre Lage im Jemen ist dramatisch. Hunger, Mangelernährung und Unterernährung sind auf Rekordniveau. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. Infrastruktur und das Gesundheitssystem sind durch den Bürgerkrieg fast kollabiert.
Welche Folgen hat der Konflikt für Region?
Die Eskalation betrifft nicht nur Israel und den Jemen, sondern beeinträchtigt auch den Welthandel. Seit Ende 2023 bedrohen die Huthis regelmäßig Frachter im Roten Meer und der Meerenge Bab-al-Mandab, einer der wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. Reedereien müssen ihre Routen oft um das Kap der Guten Hoffnung verlängern, was die Kosten deutlich in die Höhe treibt.
Die USA und Großbritannien starteten deshalb bereits im Dezember 2023 die Marine-Operation "Prosperity Guardian", um den Schiffsverkehr zu schützen. Seither gab es wiederholt Luftschläge westlicher Streitkräfte gegen Huthi-Stellungen. Israels aktueller Angriff reiht sich also ein in ein größeres Muster internationaler Militäraktionen, die den Huthi-Angriffen Grenzen setzen sollen.