Israel leitet "nächste Phase des Kriegs" im Gazastreifen ein
21. August 2025
Armeesprecher Effie Defrin erklärte, die Truppen hielten inzwischen die Außenbezirke der Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Gazastreifens. Es handele sich um "vorbereitende Maßnahmen" für die geplante Einnahme der gesamten Stadt. Das Sicherheitskabinett hatte Anfang des Monats sowohl die militärische Operation als auch die Evakuierung der Bevölkerung in den Süden genehmigt.
Man werde die Bewohner warnen und ihre Evakuierung ermöglichen, so Defrin. Medienberichten zufolge sollen Hunderttausende Zivilisten in Zeltlager weiter südlich gebracht werden. Die Bevölkerung werde dabei aber möglicherweise nicht kooperieren, "weil sie keinen Ort hat, wohin sie gehen kann", zitierte das "Wall Street Journal" den pensionierten israelischen General Israel Ziv. "Das wird chaotisch werden". Dem "Wall Street Journal" zufolge halten sich derzeit rund eine Million Menschen in Gaza-Stadt auf.
Nach israelischen Angaben muss das Sicherheitskabinett noch die detaillierten Militärpläne absegnen. Israels Medien berichten, das Kabinett solle noch an diesem Donnerstag tagen. Die Bodenoffensive könnte bereits im September beginnen.
Netanjahu macht Druck
Parallel dazu veröffentlichte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Mitteilung, in der er die beschleunigte Einnahme der Stadt forderte. Vor der endgültigen Billigung der Pläne habe Netanjahu angewiesen, "dass die Zeitpläne - für die Eroberung der letzten Terroristenhochburgen und die Niederlage der Hamas - verkürzt werden".
Gleichzeitig erklärte die islamistische Hamas am Montag, sie habe Vermittlern eine "positive Antwort" auf einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe übermittelt. Die Ankündigung Israels, Gaza-Stadt anzugreifen, wertete sie als "Missachtung" dieser Bemühungen. Die Hamas wird von zahlreichen Staaten weltweit als Terrororganisation eingestuft.
Bei dem Vorschlag, so Medienberichte, handelt es sich um eine nahezu identische Version eines zuvor eingebrachten Plans des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Vorgesehen ist eine 60-tägige Feuerpause, während der zehn lebende Geiseln gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden sollen. Von den insgesamt noch 50 Geiseln in Gaza sollen mindestens 20 am Leben sein.
Die Zeitung "Haaretz" berichtete, Netanjahu habe nach der Hamas-Zustimmung zum jüngsten Vorschlag bislang noch keine offizielle Antwort gegeben und auch keine Kabinettssitzung angekündigt. Eine Reaktion werde bis Ende der Woche erwartet. Der ägyptische Außenminister Badr Abdelatty habe in einem Gespräch mit US-Sondergesandtem Witkoff betont, Israel müsse jetzt auf die Initiative der arabischen Vermittler reagieren. Die sich bietende Gelegenheit für ein Abkommen dürfe nicht verstreichen, zitierte die "Times of Israel".
Israel mobilisiert Zehntausende Reservisten
Die Angehörigen der Verschleppten schlagen Alarm. Militärischer Druck rette keine Geiseln, sondern gefährde ihr Leben, sagte der Vater eines Entführten bei einer Protestkundgebung nahe der Grenze. Macabit Mayer, die Tante zweier nach Gaza verschleppter Zwillingsbrüder, warf Netanjahu vor, Zehntausende weitere Reservisten für eine "sinnlose Mission" rekrutiert zu haben, die "unsere Liebsten und sie selbst in Gefahr bringt".
Verteidigungsminister Israel Katz hatte zuvor die Einberufung von rund 60.000 weiteren Reservisten für die Einnahme der Stadt Gaza genehmigt. Zudem soll der Reservedienst von rund 20.000 weiteren Soldaten verlängert werden. Es wurde spekuliert, Israels Ankündigung einer Ausweitung des Kriegs könne aber auch eine Verhandlungstaktik sein, um die Hamas unter Druck zu setzen, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich flexibler zu zeigen.
Unterdessen warnen Hilfsorganisationen vor einer weiteren Verschärfung der humanitären Lage. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Zahl unterernährter Kinder im Gazastreifen seit März verdreifacht. In Gaza-Stadt sei bereits jedes dritte Kind mangelernährt.
pgr/pg/al (dpa, rtr)