1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteIsrael

Israel plant vollständige Kontrolle über den Gazastreifen

5. Mai 2025

Israel will seine Militäreinsätze im palästinensischen Gazastreifen noch ausweiten. Zugleich sollen blockierte Hilfslieferungen unter Aufsicht wieder anlaufen. Die UN kritisieren den Plan.

Ein Panzer der israelischen Armee, der Sand aufwirbelt
Israel will seine Militäroperation im Gazastreifen ausweiten und auf unbestimmte Zeit das Gebiet kontrollierenBild: Amir Cohen/REUTERS

Israel will seine Offensive im palästinensischen Gazastreifen gegen die islamistische Hamas weiter verschärfen. Dies ist bei einer Sitzung des Sicherheitskabinetts um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einstimmig beschlossen worden, wie israelische Medien unter Berufung auf hohe Regierungsbeamte berichten. Ziel sei es, den Druck auf die im Gazastreifen herrschende Hamas zu erhöhen, um die Freilassung weiterer Geiseln zu erzwingen. Viele Staaten, darunter auch einige arabische, führen die Hamas als Terrororganisation.

Der Plan des Sicherheitskabinetts habe final das Ziel, dass Israel den gesamten Gazastreifen kontrolliere und dort auf unbestimmte Zeit verbleibe, bestätigten zwei israelische Beamte. Der Plan sehe auch vor, die Bevölkerung vom Norden des abgeriegelten Küstenstreifens in den Süden zu bewegen.

Umsetzung nach Trump-Besuch

Es werde erwartet, dass der Plan zur Ausweitung der Offensive nach dem Besuch von US-Präsident Donald Trump in der Region in der nächsten Woche umgesetzt wird, schreibt die israelische Internetzeitung "The Times of Israel". Bis dahin würden Anstrengungen unternommen, um eine Vereinbarung mit der Hamas über eine Waffenruhe und ein Geiselabkommen zu erreichen. Laut israelischen Medienberichten hatte Netanjahu bereits zuvor grünes Licht für die Vorbereitungen einer verstärkten Militäroffensive gegeben.

Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir bestätigte die bereits beschlossene massive Mobilisierung von Reservisten für eine Ausweitung der Angriffe im Krieg gegen die Hamas: "Diese Woche versenden wir Zehntausende Einberufungsbefehle an unsere Reservisten, um unsere Operation im Gazastreifen zu verstärken und auszuweiten", sagte der Militärchef. 

Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir (M.) will zahlreiche Reservisten einziehenBild: Israel Defense Forces/Anadolu/picture alliance

Nach Angaben des israelischen Nachrichtenportals "ynet" sollen einige Reservisten reguläre Truppen ablösen, die aktuell an der Nordgrenze oder im israelisch besetzten Westjordanland stationiert sind. Nach einer fast zweimonatigen Waffenruhe hatte die israelische Armee ihre Angriffe im Gazastreifen am 18. März wieder aufgenommen. Die indirekten Verhandlungen über eine erneute Waffenruhe, vermittelt von den USA, Ägypten und Katar, blieben bisher ohne Durchbruch.

Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hatte bereits im vergangenen Monat gesagt, Israels Soldaten sollten in allen im Gazastreifen eroberten Gebieten dauerhaft die Kontrolle behalten. Die Armee werde in den "Sicherheitszonen" bleiben und als Puffer zwischen dem Feind und den israelischen Gemeinden fungieren, "in jeder vorübergehenden oder dauerhaften Realität", sagte Katz.

Die Europäische Union hat mit Besorgnis auf den Plan der israelischen Regierung zur "Eroberung" des Gazastreifens reagiert und "höchste Zurückhaltung" angemahnt. "Die Europäische Union ist besorgt über die geplante Ausweitung des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen, die zu neuen Opfern und zu neuem Leid für die palästinensische Bevölkerung führen wird", sagte EU-Sprecher Anouar El Anouni. "Wir bitten Israel dringend, höchste Zurückhaltung zu üben."

Medien melden hitzige Diskussion zu Hilfslieferungen

Bei der nächtlichen Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts ist es nach Berichten mehrerer Medien auch zu einem Streit über die Wiederaufnahme der blockierten Hilfslieferungen in den Gazastreifen gekommen. Das Kabinett billigte demnach trotzdem schließlich einen Plan, Hilfsgüter mit Hilfe privater Sicherheitsunternehmen zu verteilen. 

Die "Times of Israel" berichtete, es habe eine "hitzige Diskussion" zwischen dem rechtsextremen Polizeiminister Itamar Ben-Gvir und Militärchef Ejal Zamir gegeben. Ben-Gvir habe gesagt, es sei "nicht nötig", die Hilfslieferungen in den Gazastreifen wieder aufzunehmen. Die Menschen dort hätten genug. "Die Lebensmittellager der Hamas sollten bombardiert werden", sagte Ben-Gvir demnach weiter. "Ich verstehe nicht, warum jemand, der gegen uns kämpft, automatisch Hilfe bekommen sollte." Eine weitere Ministerin habe ihm zugestimmt.

Israels Premierminister Netanjahu (l.) mit Polizeiminister Ben-GvirBild: Oren Ben Hakoon/REUTERS

Der Generalstabschef habe dagegen gesagt, solche Vorstellungen gefährdeten Israel.  "Es gibt internationales Recht, dem wir verpflichtet sind", sagte Zamir demnach. "Wir können den Gazastreifen nicht aushungern." 

Beim nun vom Sicherheitskabinett gebilligten Plan sei der Mechanismus überarbeitet worden, um eine Abzweigung von Gütern durch die Hamas zu minimieren, hieß es weiter. Internationale Organisationen und private Sicherheitsfirmen sollten Lebensmittel und Hilfsgüter an Familien verteilen. Die israelische Armee sei nicht direkt daran beteiligt, sondern solle die Verteilung der Güter schützen. Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete zuletzt, die USA und Israel planten, mit Hilfe einer privaten US-Firma Hilfsgüter an der Hamas vorbei in den Gazastreifen zu bringen.

Die Vereinten Nationen kritisieren die Pläne der israelischen Regierung zu Hilfslieferungen für den Gazastreifen (Archivbild)Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

UN kritisieren neuen Plan für humanitäre Hilfslieferungen

Bereits vor der Verabschiedung durch das Sicherheitskabinett machten die Vereinten Nationen (UN) deutlich, das israelische Konzept für Gaza-Hilfslieferungen aufgrund großer humanitärer Bedenken nicht zu unterstützen. Der Plan verstoße gegen grundlegende humanitäre Prinzipien und scheine darauf ausgelegt zu sein, die Kontrolle über lebenswichtige Güter als Druckmittel zu verstärken - als Teil einer militärischen Strategie, teilte das humanitäre UN-Team im Gazastreifen mit. 

Das israelische Militär lässt seit rund zwei Monaten keine humanitären Hilfslieferungen mehr in das abgeriegelte Gebiet zu, in dem etwa 2,2 Millionen Menschen leben. Eine Ausweitung der Angriffe dürfte die ohnehin prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen weiter verschlechtern. Hilfsorganisationen sprechen von katastrophalen Zuständen. Die Armee wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter gewinnbringend weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. 

Israel droht Iran mit Vergeltung nach Huthi-Angriff

Derweil machte Israel deutlich, auf den Huthi-Angriff auf seinen internationalen Flughafen bei Tel Aviv nicht nur gegen die jemenitische Miliz selbst, sondern auch gegen deren iranische Verbündete reagieren zu wollen. Ministerpräsident Netanjahu schrieb in einem Post auf der Plattform X: "Attacken durch die Huthi gehen vom Iran aus. Israel wird auf den Huthi-Angriff auf unseren wichtigsten Flughafen reagieren und - zu einem Zeitpunkt und an einem Ort unserer Wahl - gegen ihre iranischen Terrormeister."

Bei dem Raketenangriff auf Israel hatte die Huthi-Miliz im Jemen erstmals den Umkreis des internationalen Flughafens getroffen. Nach Angaben von Sanitätern wurden acht Menschen verletzt. Israel drohte mit einem harten Gegenschlag. Das israelische Nachrichtenportal "ynet" berichtete, Israel werde die militärische Antwort auf den Huthi-Angriff in enger Abstimmung mit den USA ausführen. Der israelische TV-Sender N12 berichtete, sowohl das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 als auch das US-Raketenabwehrsystem THAAD hätten die aus dem Jemen abgefeuerte Rakete bei Abfangversuchen verfehlt.

Untersuchungen an der Einschlagstelle: Eine Rakete der Huthi-Miliz erreicht den Flughafen in Tel AvivBild: Ohad Zwigenberg/AP Photo/picture alliance

Irans Regierung wies zurück, in den Angriff involviert gewesen zu sein. Das Vorgehen der Huthi zur "Unterstützung des palästinensischen Volkes" sei eine "unabhängige Entscheidung", erklärte das Außenministerium. 

Teheran unterstützt die Huthi im Jemen seit Jahren politisch und militärisch, weist jedoch direkte Waffenlieferungen zurück und betont die Eigenständigkeit der schiitischen Rebellenmiliz. Medienberichten zufolge forderte die US-Regierung im Zuge neuer Atomverhandlungen, dass der Iran seine Unterstützung für militante Gruppen in der Region einstellt. Die Huthi kündigten an, erneut israelische Flughäfen angreifen zu wollen. Ein Sprecher sagte, der Schritt sei eine Reaktion auf die Entscheidung Israels, seine Operationen im Gazastreifen auszuweiten.

pgr/se/stu/ch  (dpa, ap, rtr)

Redaktionsschluss 17.45 Uhr (MESZ). Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema