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Politik

Israel, seine Nachbarn und "Leviathan"

Kersten Knipp | Dina El Basnaly
18. Dezember 2019

Israel schickt sich an, das vor seiner Küste gelegene Gasfeld "Leviathan" auszubeuten. Teile der Vorkommen sollen nach Ägypten und Jordanien exportiert werden. Der Handel könnte die Region auch politisch stabilisieren.

Israel Förderplattform Leviathan
Förderplattform über dem Gasfeld LeviathanBild: Reuters/M. Israel Sellem

Gerade erst hatte der israelische Energieminister Juval Steinitz am Montag den Export von Erdgas ins Nachbarland Ägypten genehmigt, da funkte der Politik das Recht dazwischen: Per Gerichtsurteil wurden die Arbeiten an dem im Mittelmeer gelegenen Gasfeld Leviathan gestoppt. Mehrere israelische Kommunen hatten aus Sorge vor einem möglichen Austritts giftiger Gase gegen die Förderung geklagt. Wenig später wurde der Stopp jedoch gerichtlich wieder aufgehoben.

Das Leviathan-Feld, rund 130 Kilometer westlich der Hafenstadt Haifa, in etwa 1700 Meter Meerestiefe gelegen, war vor knapp zehn Jahren entdeckt worden. Es birgt die größten israelischen Erdgasvorkommen im Mittelmeer. Zur Jahreswende sollte dort erstmals Gas gefördert und nach Ägypten exportiert werden. Unmittelbar danach sollten auch Exporte nach Jordanien beginnen.

Einer Mitteilung des Energieministeriums zufolge sehen die vor dem Gerichtsbeschluss unterzeichneten Genehmigungen einen Export von maximal 60 Milliarden Kubikmeter Gas vom Leviathan-Feld und 25 Milliarden Kubikmeter vom knapp 50 Kilometer entfernt liegenden Tamar-Feld vor, terminiert zunächst für einen Zeitraum von 15 Jahren. Teilhaber sind neben dem US-Unternehmen Noble Energy die israelischen Unternehmen Delek und Ratio Oil Exploration.

Hoffnung auf engere Beziehungen zu Ägypten

Für Israel verbinden sich mit dem Export nach Ägypten wirtschaftliche und politische Hoffnungen gleichermaßen. Energieminister Steinitz sprach von der "wichtigsten Wirtschaftszusammenarbeit mit Ägypten" seit Unterzeichnung der Friedensabkommen vor drei Jahrzehnten.

Beziehungspflege: der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu (li.) und der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi (re.), September 2017Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com

Der geplante Export, schreibt der Polit-Analyst Ezra-Friedman von dem britischen Thinktank "Fathom", sei für Israel in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. "Er verändert die Beziehungen Israels zu vielen seiner östlichen Nachbarn im Mittelmeerraum und bietet klare Möglichkeiten, um geostrategische Ziele voranzutreiben."

Mit Blick auf Ägypten erwartet Friedman vor allem eine Vertiefung der ökonomischen Beziehungen. Das derzeitige israelisch-ägyptische Gasabkommen sieht den Export von 85 Milliarden Kubikmetern israelischen Gases nach Ägypten vor. Der Wert dieser Ausfuhren liegt bei 19,5 Milliarden US-Dollar. Der Transport wird über die 90 Kilometer lange Unterwasserleitung von Aschkelon nach El-Arish verlaufen. Im Jahr 2019 ist Israel als Gründungsmitglied dem "Eastern Mediterranean Gas Forum" (EMGF) beigetreten. Ihm gehören zudem Ägypten, Jordanien, Zypern und Griechenland an.

"Der EMGF hat nicht nur die Stärkung der bilateralen Beziehungen zwischen Ägypten und Israel gefördert, sondern erleichtert auch die bedeutende gemeinsame Entwicklung von Erdgas zwischen Israel und anderen Mitgliedern." Über die wirtschaftlichen Beziehungen, so Friedman, könnten sich auch die politischen entwickeln.

Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Gamal Gawad  vom ägyptischen Think Tank "Al Ahram Center for Political and Strategic Studies". Direkte Verbündete dürften Israel und Ägypten absehbar wohl nicht werden. "Aber es könnte sicherlich eine wirtschaftliche Partnerschaft entstehen, da die Beziehungen für beide Seiten ein Vorteil sind", so Gawad im Gespräch mit der DW. "Immerhin sprechen wir von Ländern, die einen Friedensvertrag miteinander haben, die Abkommen von internationalem Rang pflegen und so in der Lage sind, Wirtschaftsbeziehungen ganz unterschiedlicher Art zu entwickeln."

Das Verhältnis zu Jordanien

Die Vereinbarung mit Jordanien weckt in Israel ebenfalls Erwartungen. Dort hatte es zunächst Proteste seitens der Bevölkerung gegeben. Auch juristisch warf der Vertrag Fragen auf, die nun aber geklärt sind. Auch die Beendigung des Vertrags rund um die so genannte "Friedensinsel", ein von israelischen Farmern genutztes Gebiet auf jordanischem Territorium, konnte der Vereinbarung zu den Erdgaslieferungen nichts anhaben. Ebenso spricht der Umstand, dass Jordanien mit Blick auf seine Wasserversorgung von Israel abhängig ist, aus Sicht der Regierung in Amman für auskömmliche Beziehungen.

Handelsabkommen mit Israel? Nein Danke! Protest in Amman, November 2016Bild: picture-alliance/dpa/J. Nasrallah

Und noch etwas spreche aus jordanischer Sicht für den Vertrag, so Politik-Analyst Gawad: "Gas von einem direkten Nachbarn zu importieren ist viel billiger als es aus einem entfernten Land einzuführen." Zudem sind Israel und Jordanien gleichermaßen von den Unruhen in der Region betroffen. Israel sieht sich durch iranische Kräfte und die Hisbollah auf syrischem Territorium herausgefordert, während Jordanien derzeit knapp 665.000 syrische Flüchtlinge beherbergt. Beide Staaten haben mithin ein gemeinsames Interesse an einer möglichst hohen Stabilität in der Region.

Hoffnung auf Ausweitung der Beziehungen

Insgesamt, so der Nahostexperte Stefan Wolfrum vom Berliner Think Tank "Stiftung Wissenschaft und Politik", hat die wirtschaftliche Kooperation einen wichtigen Nebeneffekt: Die bis zur gegenseitigen Abhängigkeit reichende Verflechtung der beteiligten Staaten wäre nur schwer umzukehren. Vielmehr könnte sie eine Ausweitung der Beziehungen in der Region bewirken. "Insbesondere das EMGF könnte zur Lösung energiepolitischer und zwischenstaatlicher Konflikte beitragen, wie der Aufteilung des Aphrodite-Gasfeldes zwischen Israel und Zypern."

Zudem habe die Dynamik des entstehenden Gasmarktes im östlichen Mittelmeer bereits dazu geführt, dass zum Beispiel der Libanon, selbst kein EMGF-Mitglied, unter Zugzwang stehe, mit dem Erzfeind Israel den Verlauf der gemeinsamen Seegrenzen zu verhandeln. "Auch die Mitgliedschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde im EMGF könnte eine neue Konstellation im Nahostkonflikt bedeuten. Israel ist mit den Palästinensern in Gesprächen über die Förderung des Gasvorkommens vor der Küste Gazas."

Das Verhältnis zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten ist zwar kein freundschaftliches. Die gemeinsamen Interessen könnten perspektivisch aber dazu führen, die Konflikte in den Hintergrund treten – und eines Tages vielleicht sogar verschwinden zu lassen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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