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Politik

Israel vor Einheitsregierung

29. März 2020

Krisensituationen sind für politischen Streit nicht geeignet. Das haben möglicherweise auch Israels Ministerpräsident Netanjahu und sein politischer Gegner Gantz eingesehen.

Israel Gedenkveranstaltung Schimon Peres
Benjamin Netanjahu (links) und Benny Gantz (rechts) bei einer Gedenkveranstaltung 2019 - in der Mitte Staatspräsident Reuven RivlinBild: picture-alliance/Photoshot

Drei Parlamentswahlen hat es gegeben, doch keine klaren Mehrheiten. Aber nun, auch angesichts der weltweiten Corona-Krise, gibt es deutliche Bewegung, das politische Patt in Israel aufzulösen.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Oppositionsführer Benny Gantz haben nach eigenen Worten "bedeutende Fortschritte" in den Verhandlungen über eine Einheitsregierung erzielt. Die beiden Politiker hätten die ganze Nacht über "eine nationale Notstandsregierung zur Bewältigung der Corona-Krise" verhandelt, hieß es am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung von Gantz' Liste Blau-Weiß und Netanjahus Likud.

Rotation an der Regierungsspitze

Details über die geplante Regierung wurden nicht bekannt. Der unter Korruptionsanklage stehende Netanjahu hatte in der Vergangenheit aber ein Modell vorgeschlagen, in der das Amt des Regierungschefs alle 18 Monate zwischen den beiden Spitzenmännern rotieren solle. Er, Netanjahu, würde den Anfang machen. Im Oktober kommenden Jahres solle Gantz ihn dann ablösen.

Eine Einheitsregierung macht Sinn, um die Coronavirus-Pandemie - jenseits des politischen Streits - besser bekämpfen zu können. Bisher haben sich in Israel nach offiziellen Angaben mehr als 3800 Menschen in Israel mit dem Virus infiziert, zwölf Menschen starben.

Überraschung für eigene Leute

Gantz war am Donnerstag - auch für eigene Gefolgsleute überraschend - zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt worden. Dabei erhielt er viele Stimmen aus dem Lager Netanjahus, was bereits auf eine Einigung der beiden Politiker auf eine Machtteilung hindeutete. Manche hatten den Schritt als einen Verzicht von Gantz auf die Macht verstanden – und möglicherweise missverstanden.

Seit mehr als einem Jahr steckt Israel in der politischen Klemme. Bei der dritten und vorerst letzten Parlamentswahl erreichte das oppositionelle Lager um Gantz mit 62 Mandaten einen hauchdünnen Vorsprung in der Knesset, Netanjahus Likud und seine rechten Verbündeten kamen auf 58 Sitze. Israels Präsident Reuven Rivlin beauftragte daraufhin Gantz mit der Regierungsbildung – doch auch das brachte zunächst kein klares Resultat.

Bündnis spaltete sich auf

Als sich am Sonntag die Anzeichen für eine große Koalition verdichteten, gab es auch eine Reaktion in der Parteienlandschaft. Das oppositionelle Mitte-Bündnis Blau-Weiß von Benny Gantz spaltete sich offiziell auf. Die Zukunftspartei von Jair Lapid und die Telem-Partei des Ex-Verteidigungsministers Mosche Jaalon verabredeten ein neues Bündnis. Der übergeordnete Name Blau-Weiß soll der Partei von Gantz, der sogenannten Widerstandskraft für Israel, erhalten bleiben.

Die Gegner einer großen Koalition verweisen darauf, dass Netanjahu insgesamt in drei Fällen wegen Korruption angeklagt ist. Das ficht Gantz aber gegenwärtig nicht mehr an. Unter Hinweis auf die Corona-Krise erklärte der Oppositionsführer, er werde sich mit aller Macht für die Bildung einer großen Koalition einsetzen. Kritiker werfen ihm nun vor, er habe sein zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen.

ml/kle (dpa, rtr, afp)

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