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Israel und die Türkei: Wachsende Spannungen wegen Syrien

Cathrin Schaer
10. April 2025

In Syrien geraten die Türkei und Israel indirekt aneinander. Beide konkurrieren um Macht und Einfluss. Der Konflikt hat erhebliches Spannungspotential. Doch beide Seiten bemühen sich um Deeskalation.

Blick auf eine syrische Militäreinrichtung südlich von Hama nach einem israelischen Luftangriff, April 2025
Zerstörung: Blick auf eine syrische Militäreinrichtung südlich von Hama nach einem israelischen Luftangriff, April 2025Bild: Abdulaziz Ketaz/AFP/Getty Images

Kaum hat sich Syrien vom dominierenden Einfluss des Irans und Russlands befreit, könnte es erneut zum Spielball internationaler Akteure  werden. Und dieses Mal wären die  Türkei und Israel beteiligt. Beide Staaten verfolgen eigene Interessen in dem Land. Das bringt sie gegeneinander auf und veranlasst sie, die Syrien-Politik des jeweils anderen scharf zu kritisieren.

Die Türkei wolle in Syrien einen "neo-osmanischen Staat" errichten, hieß es öffentlich aus israelischen Sicherheitskreisen. Überschreite die Türkei dabei "rote Linien", werde Israel eingreifen, warnten hochrangige israelische Beamte.

Mit ihren anhaltenden Luftangriffen auf Gaza, den Libanon und Syrien sei Israels "fundamentalistische und rassistische" Regierung mit ihrer "aggressiven und expansionistischen Politik" zur "größten Bedrohung für die Sicherheit unserer Region" geworden, erklärten hingegen türkische Regierungsbeamte.

Die jüngsten undiplomatischen Kommentare folgten Ende letzter Woche in Reaktion auf die erneute Bombardierung Syriens durch Israel. Seit dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad im Dezember 2024 hat Israel in Syrien zahlreiche Ziele angegriffen - ungeachtet der Erklärung der von islamistischen Kräften geprägten syrischen Übergangsbehörden, sie wollten keinen Konflikt mit Israel. 

Türkischer Kampfjet bei einer Übung zusammen mit westlichen Partnern in Deutschland (Archivbild von 2023). Auch in Syrien hat Ankara strategische und militärische InteressenBild: Axel Heimken/POOL/AFP/Getty Images

Dennoch habe man sich gezwungen gesehen, Syrien zu bombardieren, heißt es aus Israel. Nur so lasse sich sicherstellen, dass die neue Regierung die Waffen des alten Regimes nicht gegen das eigene Land einsetze.

Eine "Botschaft" an die Türkei

Die jüngsten Luftangriffe hatten allerdings ein anderes Ziel: Sie seien eine Botschaft an die Türkei, erklärte ein israelischer Beamter gegenüber lokalen Medien.

Israelische Kampfjets griffen einen Militärflughafen in Hama an und attackierten unter anderem den Luftwaffenstützpunkt Tiyas in Homs.

Seit Monaten verhandelt die Türkei mit der neuen syrischen Regierung über einen Verteidigungspakt. Dazu würde die Ausbildung syrischer Truppen und die Nutzung syrischer Luftwaffenstützpunkte gehören - einschließlich der von Israel angegriffenen.

Die Türkei argumentiert, sie könne auf diese Weise das Vakuum füllen, das der Iran und Russland, die ehemaligen militärischen Unterstützer des Assad-Regimes, hinterlassen haben. So könne sie zur Stabilisierung Syriens beitragen und ihre Operationen gegen die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) fortsetzen.

Israelische Sorgen

"Die Absicht der Türkei, Luftabwehrsysteme und Radar auf zentralen syrischen Flughäfen zu installieren, stellt eine direkte Bedrohung für die Handlungsfreiheit Israels in Syrien dar", schrieb der israelische Verteidigungsreporter Ron Ben-Yishai in einem Kommentar für das lokale Medium Ynet News. Wäre die Türkei in Syrien präsent, könne Israel den syrischen Luftraum nicht frei nutzen, um etwa in Richtung Iran vorzudringen, so Ben-Yishai.

In Israel hat man zudem Sorgen vor der Entstehung eines "sunnitischen Halbmonds". Gemeint ist damit, dass sich die Türkei, Syrien und Ägypten gegen Israel verbünden könnten. Eine solche Formation könnte theoretisch das vorherige, im vergangenen Jahr militärisch erheblich geschwächte Anti-Israel-Bündnis ersetzen, das viele in der Region auch als "schiitischen Halbmond" kennen.

Experten halten die Idee eines "sunnitischen Halbmonds" jedoch für unwahrscheinlich: Keines dieser Länder wolle gegen Israel kämpfen.

Tatsächlich erklärte der türkische Außenminister Hakan Fidan kurz nach den israelischen Luftangriffen auf Syrien der Nachrichtenagentur Reuters, sein Land wolle keine Konfrontation mit Israel.

"Syrien gehört nicht zur Türkei, und Syrien gehört nicht zu Israel", sagte Fidan während eines NATO-Treffens in Brüssel. "Die Sicherheit Syriens sollte von den Syrern entschieden werden. Wenn sie mit bestimmten Ländern und bestimmten internationalen Gemeinschaften zusammenarbeiten wollen, sind sie herzlich willkommen."

"Tiefster Bruch seit Jahren"

"Dies ist der vermutlich tiefste Bruch seit Jahren", sagt Yusuf Can, ehemaliger Analyst des Ende letzter Woche von der Trump-Regierung geschlossenen Wilson Center in Washington. "Lange Zeit herrschte zwischen der Türkei und Israel eine seltsame Vereinbarung. Selbst als die beiden Staaten politische Differenzen hatten, ging der Handel weiter. Doch dieser Puffer schwindet nun. Ein Stellvertreterkrieg ist heute eine sehr reale Bedrohung", so Can zur DW.

Bei einem israelischen Angriff nahe der Stadt Nawa im syrischen Südwesten kamen Anfang April 2025 neun Zivilisten ums LebenBild: Sam Hariri/AFP/Getty Images

Im Jahr 1949 nahm die Türkei als eines der ersten Länder mit muslimischer Mehrheit diplomatische Beziehungen zu Israel auf. Beide Staaten haben geheimdienstliche, kommerzielle und militärische Beziehungen aufgebaut - in den vergangenen Jahren aber auch viele verbale Konflikte ausgetragen.

"Eine sich selbst verstärkende Rivalität"

"Anhaltende israelische Aggression, die Versuche, Südsyrien zu entmilitarisieren und die Einmischung in die syrische Politik könnten dazu führen, dass die neue syrische Regierung die Verteidigungskooperation mit der Türkei vertieft, um eine weitere israelische Expansion zu verhindern", hieß es in einem Kommentar des Brüsseler Thinktanks International Crisis Group von Mitte März.

Auch Experte Yusuf Can meint: "Israels Luftangriffe und die Gaza-Politik schüren Wut und Unsicherheit." Er betont aber: "Auch die regionalen Interventionen der Türkei und ihre Unterstützung islamistischer Gruppierungen, insbesondere in Syrien, haben zum Chaos beigetragen." Es handele sich um "eine sich selbst verstärkende Rivalität, bei der die Aktionen jeder Seite die Ängste der anderen rechtfertigen".

"Hinter den Kulissen scheinen beide Seiten zu verstehen, dass ein direkter militärischer Zusammenstoß verheerende Folgen hätte, insbesondere da die Türkei NATO-Mitglied und Israel ein wichtiger Verbündeter der USA ist", so Can weiter und betont, dass US-Präsident Donald Trump eine "Schlüsselrolle" bei Gesprächen zwischen beiden Staaten spiele: "Er hat Beziehungen zu beiden Staatschefs." Tatsächlich hat Trump eine solche Vermittlerrolle jüngst beim Besuch von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu selbst angesprochen. 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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