Israel und Syrien auf dem Weg zu diplomatischen Beziehungen?
23. August 2025
Erstmals seit einem Vierteljahrhundert haben syrische und israelische Regierungsmitglieder direkte Gespräche geführt: In Paris trafen sich Israels Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer und Syriens Außenminister Asaad al-Schaibani. Ebenfalls anwesend war Tom Barrack, der als US-Sonderbeauftragter für Syrien die Gespräche vermittelt hatte.
Das Treffen markiert einen diplomatischen Wendepunkt zwischen den beiden Ländern: Es ist die erste Annäherung zwischen Israel und Syrien auf Ministerebene seit 25 Jahren.
Die Gesprächsrunde fand hinter verschlossenen Türen statt. Doch dem Vernehmen nach standen in ihrem Mittelpunkt die Entschärfung der Spannungen zwischen beiden Ländern, die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Syriens sowie die Wiederbelebung des sogenannten Entflechtungsabkommens aus dem Jahr 1974, das den dauerhaften Waffenstillstand zwischen beiden Staaten regelt. Auch humanitäre Hilfen für die drusische Minderheit in Syrien waren Thema.
Ein israelischer Regierungssprecher lehnte am Mittwoch eine Anfrage der DW ab, das Treffen zu kommentieren. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete jedoch, das Treffen sei mit der Zusage weiterer Gespräche zu Ende gegangen. Vorbereitende Unterredungen in Baku und Paris im vergangenen Monat hatten ohne offizielle Vereinbarungen geendet.
Zankapfel Golanhöhen
Formal betrachtet befinden sich die beiden Länder seit 1967 im Krieg um die Golanhöhen. In jenem Jahr besetzte Israel während des sogenannten Sechstagekriegs das strategisch wichtige Hochplateau an der gemeinsamen Grenze. 1981 annektierte Israel das Gebiet faktisch, die internationale Gemeinschaft betrachtet es jedoch weiterhin als syrisches Staatsgebiet unter israelischer Militärbesatzung. Nur die USA und Israel erkennen die Golanhöhen als israelisches Territorium an.
Im Zuge eines Waffenstillstandsabkommens aus dem Jahr 1974 wurde entlang der syrisch-israelischen Grenze eine von den Vereinten Nationen überwachte entmilitarisierte Zone eingerichtet, die bis heute von der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) überwacht wird. Seit dem Fall des syrischen Diktators Baschar al-Assad im Dezember 2024 stiegen jedoch die Spannungen zwischen den beiden Ländern. Israel stationierte Truppen außerhalb der entmilitarisierten Zone und führte etwa 1000 Angriffe auf Syrien durch.
Der syrische Interimspräsident Ahmad al-Scharaa verurteilte die Angriffe, veranlasste jedoch keine Gegenschläge und betonte, dass er nicht an einem Krieg mit Israel interessiert sei.
Welche Absichten verfolgt Israel?
"Es ist gegenwärtig kaum vorstellbar, dass die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu Zugeständnissen bereit ist, die über gegenseitige Versicherungen hinausgehen, sich nicht in die Bemühungen der neuen syrischen Machthaber einzumischen", sagt Shalom Lipner der DW. Lipner ist ein erfahrener Diplomat und ehemaliger Berater von sieben israelischen Premierministern, darunter Benjamin Netanjahu.
"Israel möchte in erster Linie die Sicherheit entlang der Grenze zu Syrien gewährleisten und verhindern, dass sich feindliche Eindringlinge festsetzen, die eine Einigung mit Damaskus gefährden könnten. Darüber hinaus möchte es den Schutz der drusischen Bevölkerung Syriens sicherstellen."
Laut SANA gab eine syrische Quelle an, Israel habe während des Treffens in Paris außerdem auf die Einrichtung eines humanitären Korridors nach Suwaida bestanden, dem einzigen syrischen Gouvernement, das mehrheitlich vonDrusen besiedelt ist.
In Israel zählt die Religionsgemeinschaft der Drusen etwa 150.000 Mitglieder, von denen im Gegensatz zu anderen Minderheiten viele Dienst im israelischen Militär leisten. In Syrien zählen die Drusen mit etwa 700.000 Mitgliedern zu einer der größten Minderheiten des Landes.
Mitte Juli kostete eine Woche der religiös motivierten Gewalt zwischen Drusen und arabischen Beduinen mehr als 1700 Menschenleben, darunter viele Zivilisten. Zwar wurden die Zusammenstöße durch eine von den USA vermittelte Waffenruhe größtenteils beendet. Menschen vor Ort berichten jedoch, dass Damaskus die Lieferung humanitärer Hilfen nach Suwaida behindere. Syrische Behörden weisen das zurück.
Laut der US-Nachrichtenplattform Axios befürchten Regierungsbeamte, dass drusische Milizen einen humanitären Korridor zum Waffenschmuggel missbrauchen könnten. Die Drusen wiederum haben wiederholt für ihre Selbstbestimmung demonstriert.
Die syrische Nichtregierungsorganisation Action for Humanity erklärte diese Woche in einem Bericht: "Angesichts der Engpässe bei lebenswichtigen Dienstleistungen und den Einschränkungen der Bewegungsfreiheit verschlechtert sich die humanitäre Lage." Vertriebene Zivilisten seien überwiegend bei Verwandten, zudem herrsche akute Nahrungsmittelknappheit.
Für Yossi Mekelberg vom Londoner Thinktank Chatham House bieten die Gespräche für Damaskus eine Chance, Vertrauen im In- und Ausland zu gewinnen: "Ein besserer Umgang mit Minderheiten könnte der syrischen Regierung die Möglichkeit geben, das Land zu einen und ihr eigenes Image gegenüber den USA und dem Rest der Welt zu verbessern", sagt er der DW. Dies könne auch die Spannungen mit Israel entschärfen, für das die Drusen-Frage zentral sei. Mekelberg hält es für möglich, dass dies Israel langfristig dazu bringen könnte, seine Truppen hinter die Pufferzone von 1974 zurückzuziehen.
Nanar Hawach, Syrien-Analyst bei der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group, meint ebenfalls, dass die Gespräche Damaskus helfen könnten, "nicht nur das Vertrauen der Drusen, sondern auch anderer staatsferner Gemeinschaften zu gewinnen".
Mehr Gespräche, bessere Beziehungen?
Beobachter sind sich weitgehend einig, dass Washington weiterhin auf Sicherheit und Stabilität in der Region setzt - ganz im Sinne der von US-Präsident Donald Trump formulierten Vision eines "wohlhabenden Nahen Ostens". Dazu zählt auch die Normalisierung der syrisch-israelischen Beziehungen.
"Aus der Sicht Israels ist eine Normalisierung ein langfristiges, erstrebenswertes Ziel", meint Shalom Lipner. Yossi Mekelberg sieht "angesichts des anhaltenden Krieges in Gaza" allerdings noch keine Aussichten auf Normalisierung. Dafür seien weitere Fortschritte zwischen Syrien und Israel und eine Deeskalation im Nahen Osten nötig. Derzeit ist aus seiner Sicht noch nicht klar, in welche Richtung sich die beiden Nachbarn bewegten.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.