Israel verschiebt Abstimmung über Abkommen mit der Hamas
Veröffentlicht 16. Januar 2025Zuletzt aktualisiert 16. Januar 2025Israels Sicherheitskabinett hat seine Sitzung auf Freitag verschoben. Bei den Beratungen sollte die am Mittwoch zustande gekommene Vereinbarung über eine befristete Waffenruhe im Gazastreifen und die schrittweise Freilassung der von der Terrororganisation Hamas gehaltenen Geiseln gebilligt werden.
Unmittelbar vor dem ursprünglich geplanten Termin des Treffens am Donnerstagvormittag warf die israelische Regierung der radikalislamischen Hamas jedoch vor, Teile der Übereinkunft infrage zu stellen. "Die Hamas hält Teile der mit den Vermittlern und Israel getroffenen Vereinbarung nicht ein, um Zugeständnisse in letzter Minute zu erpressen", teilte das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu mit. Dies habe zu einer "Krise in letzter Minute" geführt. Ohne eine Mitteilung der Vermittler, "dass die Hamas alle Elemente des Abkommens akzeptiert hat", werde das Kabinett nicht zusammenkommen, hieß es weiter.
Hamas weist Vorwürfe zurück
Ein Hamas-Vertreter wies die Anschuldigungen von Netanjahu zurück. Sie entbehrten "jeder Grundlage", sagte er der französischen Nachrichtenagentur AFP. Die Hamas fordere die scheidende sowie die künftige US-Regierung dazu auf, Israel "zu zwingen, das Abkommen umzusetzen".
Nach Angaben von Israels Präsident Izchak Herzog gibt es noch "harte Verhandlungen über ein sehr wichtiges Detail". Er erwarte, dass sie "so schnell wie möglich abgeschlossen werden", sagte Herzog nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit Geiselangehörigen. Israelischen Medien zufolge fordert die Hamas die Freilassung von Häftlingen, die Israel aber wegen der Schwere ihrer Straftaten nicht aus der Haft entlassen will.
Demnach sind die neuen Verzögerungen auch auf innenpolitische Unstimmigkeiten in Israel zurückzuführen: Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich hat die geplante Vereinbarung, die auch die Freilassung Hunderter palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen beinhaltet, als Gefahr für die nationale Sicherheit bezeichnet.
Seine Partei Religiöser Zionismus will vorerst in der israelischen Regierungskoalition bleiben. Man fordere aber, dass Israel nach Abschluss der ersten, 42-tägigen Phase des Geiselabkommens den Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen wieder aufnehme, heißt es laut Berichten israelischer Medien in einer Erklärung der Partei von diesem Donnerstag.
Auch der rechtsradikale Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hatte zuletzt mit dem Austritt seiner Partei Jüdische Stärke aus der Koalition gedroht, sollte die Vereinbarung angenommen werden.
Nach monatelangen Verhandlungen hatten die Vermittlerländer USA und Katar am Mittwoch die Einigung zwischen den beiden Seiten verkündet. Israel und die Hamas sprachen die ganze Zeit nur indirekt über Mittelsmänner miteinander.
Den Angaben zufolge soll eine sechswöchige Waffenruhe im Gazastreifen am Sonntag in Kraft treten. Im Rahmen des Abkommens sollen zunächst 33 israelische Geiseln freikommen.
Unter ihnen sind laut Medienberichten auch zwei seit vielen Jahren festgehaltene Männer. Ein israelischer Araber, der geistig behindert sein soll, wird demnach seit 2015 von der Hamas festgehalten. Ein anderer Israeli ist bereits seit 2014 im Gazastreifen gefangen. Im Gegenzug für die Geiselfreilassung sollen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen.
Große Erleichterung in vielen westlichen Ländern
In vielen Staaten wurde die sich abzeichnende Einigung begrüßt. Das Abkommen zeige, "wie wichtig es ist, auch in den schwersten Stunden der Diplomatie immer dran zu bleiben", sagte Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die Vereinbarung bringe "Hoffnung für die gesamte Region, in der die Menschen viel zu lange unermessliches Leid erlitten" hätten. Die EU-Kommission kündigte ein neues Hilfspaket der Europäischen Union von 120 Millionen Euro für den Gazastreifen an.
se/AR/rb/stu (afp, dpa, rtr, kna)
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