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PolitikAsien

Israel warnt vor Zugeständnissen an Iran

29. November 2021

Der Iran hat bald genügend waffenfähiges Uran für den Bau einer Atombombe. Israel wägt seine Optionen und setzt dabei nicht auf die Gespräche in Wien.

Iran Atomabkommen Gespräche | Wien, Österrecih
Schauplatz der Gespräche mit dem Iran über die Zukunft des Atomabkommens Bild: Lisa Leutner/AP Photo/picture alliance

Während in Wien die Bemühungen um eine Wiederbelebung des Atomdeals mit dem Iran seit diesem Montag fortgeführt werden, hat Israel bereits seine ablehnende Position klargemacht. "Selbst wenn es zu einer erneuerten Vereinbarung kommen sollte, wird Israel, das natürlich kein Teil einer solchen Vereinbarung ist, davon nicht gebunden sein," sagte Ministerpräsident Naftali Bennett am vergangenen Dienstag in einer Rede an der Reichman Universität in Herzliya. Israel werde vielmehr "seine Handlungsfreiheit wahren." Am Sonntag bekräftigte Bennett seine Haltung im Kabinett: "Israel ist sehr besorgt über die Bereitschaft, Iran Sanktionserleichterungen zu gewähren und Zugang zu (im Ausland eingefrorenen) Milliardenvermögen als Gegenleistung für unzureichende Beschränkungen des iranischen Atomprogramms."

"Atomgespräche als Deckmantel"

Der einseitige Ausstieg Trumps aus dem Atomabkommen im Jahr 2018 wird zwar in Israel von manchen einstigen scharfen Kritikern des Abkommens wie dem Ex-Verteidigungsminister Moshe Yaalon als schwerer Fehler gesehen. Der Grund: Erst nach dem Schritt Washingtons hat sich der Iran Schritt für Schritt von den Beschränkungen und Kontrollen seines Atomprogramms gelöst und ist damit dem Bau einer Atombombe viel näher gekommen als das nach dem Inkrafttreten des Abkommens der Fall war.

Israels Premier Naftali Bennett geht auf Distanz zu den Wiener AtomgesprächenBild: Gil Cohen-Magen/AP/picture alliance

Die politische Mitte und der rechte Flügel der Bevölkerung Israels lehne das Atomabkommen jedoch grundsätzlich ab, sagt Gil Murciano, geschäftsführender Direktor des Think Tanks "Israeli Institute for Regional Foreign Policies." Es sei aus deren Sicht nicht geeignet, die nach Hegemonie strebende aggressive Politik des Iran grundlegend zu beenden.

Dieselben Israelis betrachteten die Wiener Atomgesprächen deshalb mit Misstrauen und schenkten den Beteuerungen Teherans keinen Glauben, es verfolge mit seinem Atomprogramm nur zivile Zwecke, sagt Gil Murciano. Der Iran nutze den Schirm der Gespräche aus dieser Sicht nicht nur zur weiteren Urananreicherung und für andere vertragswidrige nukleare Aktivitäten, sondern auch, um die von Teheran gesteuerten bzw. unterstützten Milizen in der Region zu stärken.

Aufrüstung von Milizen mit Drohnen

Dazu gehören unter anderem die Hisbollah im Libanon und die im Gazastreifen regierende islamistische Hamas. Im letzteren Fall geschieht das aufgrund der israelischen Blockade zwar nicht mehr durch Materiallieferungen, wohl aber technisch, etwa durch Baupläne für Drohnen. Solche Drohnen kamen beim jüngsten Zusammenstoß zwischen Israel und der Hamas im Mai zum Einsatz. "Der Entwurf ist iranisch, aber die Produktion ist lokal", zitierten israelische Medien den ehemaligen stellvertretenden Verteidigungsminister Ephraim Sneh.

Präsentation einer modernen iranischen Drohne durch die iranischen RevolutionsgardenBild: Sepahnews/AP/picture alliance

Drohnen werden "zunehmend zu Irans bevorzugtem Instrument der asymmetrischen Kriegführung", stellte der "Economist" kürzlich fest. "Sie verunsichern seine Feinde und bedrohen die Machtbalance in der Region", obwohl die iranischen Drohnen sich technisch nicht auf dem gleichen Niveau wie amerikanische oder türkische Baureihen befänden. Das fehlgeschlagenen Attentat mit einer offenbar primitiven Drohne auf den Wohnsitz des irakischen Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadimi in der "grünen Zone" von Bagdad Anfang November wird pro-iranischen schiitischen Milizen im Irak zugeschrieben.

Vergeltungsschläge gegen Präventivschlag

Mit dem umfangreichen Raketen- und Drohnen-Arsenals der Hisbollah im Libanon verfolge der Iran vor allem ein Ziel, schreibt die US-Zeitschrift "Foreign Policy" in der Oktober-Ausgabe: "sicherzustellen, dass die Hisbollah in der Lage ist, Israel einen so großen Schaden zuzufügen, dass ein Angriff auf das iranische Atomprogramm undenkbar wird und Teheran so ungehindert die Schwelle zu Atomwaffen überschreiten kann." Israelische Militärs räumen laut "Economist" ein, dass Treffer auf die wenigen Kraftwerke und Entsalzungsanlagen des Landes sowie den einzigen internationalen Flughafen "Schäden von strategischem Ausmaß" anrichten würden.

Die Abwehr von Drohnen stellt auch das technologisch hochgerüstete Israel vor Probleme; "ihre Spur verliert sich leicht im allgemeinen Durcheinander", zitiert der "Economist" einen Mitarbeiter des Unternehmens Israel Aerospace Industries, das Forschung und Entwicklung zur Drohnenabwehr betreibt.

Unsicherheit über Israels Verbündete am Golf

Auch auf eine andere Region, nämlich den Persischen Golf, schaut Israel mit Sorge. Auf der Konferenz in Herzliya hatte der dort ebenfalls anwesende Verteidigungsminister Benny Gantz erklärt, Israel habe Kenntnis über die dort stationierten iranischen Drohnenbasen. Diese befänden sich auf der Insel Qeshm direkt am Eingang zum Persischen Golf sowie an dem weiter östlich gelegenen Hafen Tschabahar. Von dort, so Gantz, würden die iranischen Revolutionsgarden den Seeverkehr beobachten und im Fall des Falles auch angreifen. Tatsächlich kam es dort, an einem zentralen Nadelöhr der Weltwirtschaft, wiederholt zu Zwischenfällen, in die Iran verwickelt war. Gegen die von dort drohenden Gefahren versucht Israel sich auch mit Hilfe der 2020 geschlossenen Friedens- und Kooperationsverträge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (sogenanntes Abraham-Abkommen) und mit Bahrain zu wappnen.

Die Außenminister von Bahrain (l) und den VAE (r) nach der Unterzeichnung der Normalisierungsabkommen mit Israel im Weißen Haus im September 2020Bild: Getty Images/AFP/S. Loeb

Ob die neuen Partner am Golf aber bei einem Präventivschlag gegen Irans Atomanlagen Israel Überflugrechte oder die Nutzung von Luftstützpunkten gewähren würden? Daran sind laut Experten wie Gil Murciano mehr als leise Zweifel angebracht. In israelischen Militärkreisen sei man sich solcher Unwägbarkeiten und Risiken eines Angriffs auf iranische Atomanlagen bewusst. Auch gehe man davon aus, dass ein Präventivschlag die Entwicklung iranischer Atomwaffen allenfalls um einige Jahre verzögern, nicht aber ein für alle Mal ausschalten könnte.

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika