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Politik

Israelis protestieren gegen Notregierung

26. April 2020

Mit Mundschutz und ausreichend Abstand haben in Tel Aviv Tausende gegen die geplante Notregierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Benny Gantz demonstriert.

Israel Tel Aviv Anti Netanjahu Demonstration Mundschutz
Bild: AFP/J. Guez

Fahnen, Plakate und blau-weißer Mundschutz: Um den wegen der Corona-Pandemie vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht zu verletzen, versammelten sich die Protestanten mit ausreichend Abstand auf dem zentral gelegenen Rabin-Platz in Tel Aviv. Ein Polizeisprecher sprach von mehreren Hundert Teilnehmern, Medien dagegen von Tausenden. Im Zentrum der Proteste standen die Politik des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und die geplante Notregierung.

In einer Ansprache rief Karmi Gillon, ehemaliger Chef des Inlandsgeheimdienstes, Netanjahu dazu auf, "die aggressive Hetzkampagne gegen die Richter des Höchsten Gerichts zu stoppen". Sollte es zu einem Mord an einem Richter kommen, werde Netanjahu dafür die Verantwortung tragen, warnte Gillon. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an den Mord an Israels früherem Ministerpräsidenten Izchak Rabin durch einen jüdischen Fanatiker im November 1995. Auch damals habe er Netanjahu gewarnt, dieser habe ihm jedoch nicht zugehört. Netanjahu hat eine Korruptionsanklage gegen ihn als Putschversuch eingestuft und kritisiert Israels Justiz in diesem Zusammenhang immer wieder aufs Schärfste.

Um sich und andere vor dem Coronavirus zu schützen, hielten die Demonstranten Sicherheitsabstand einBild: picture-alliance/AP Photo/O. Balilty

Die Demonstration richtete sich auch gegen die am Montag beschlossene gemeinsame Regierung zwischen Likud-Chef Netanjahu und dem Chef der Liste Blau-Weiß, Ex-Armeechef Gantz. Die Demonstranten hielten Protestschilder hoch mit der Aufschrift "Das Volk gegen die Regierung" und skandierten Protestrufe wie "Korruption". Ursprünglich hatte Gantz eine Beteiligung an einer Regierung mit dem wegen Korruption angeklagten Netanjahu strikt abgelehnt. Angesichts der Coronavirus-Pandemie vollzog er jedoch eine Kehrtwende.

Drei Wahlen innerhalb eines Jahres

Das Abkommen sieht vor, dass Netanjahu und Gantz als Ministerpräsidenten rotieren. Demnach bleibt Netanjahu eineinhalb Jahre lang weiter an der Spitze der Regierung, danach löst ihn Gantz für weitere eineinhalb Jahre ab. Gantz soll zunächst das Amt des Verteidigungsministers übernehmen.

Mundschutz muss sein: Eine Demonstrantin auf dem Rabin-Platz in Tel AvivBild: AFP/J. Guez

Israel steckt seit mehr als einem Jahr in einer politischen Krise und hat seither keine voll funktionsfähige Regierung. Drei Parlamentswahlen, die letzte am 2. März dieses Jahres, brachten weder für Netanjahus rechtsgerichtete Likud-Partei noch für die Liste Blau-Weiß eine klare Mehrheit. Alle Versuche zur Bildung einer tragfähigen Regierungskoalition scheiterten, zweimal wurden Neuwahlen angesetzt.

Netanjahu sieht sich als Opfer der Staatsanwaltschaft

Der seit 14 Jahren in Israel regierende Netanjahu steht wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue unter Anklage. Er streitet alle Vorwürfe ab und sieht sich als Opfer der Staatsanwaltschaft und der Medien. Der Korruptionsprozess gegen ihn hätte eigentlich Mitte März beginnen sollen, wurde aber wegen der Coronavirus-Pandemie um zwei Monate auf den 24. Mai verschoben.

Schon vor einer Woche hatten in Tel Aviv tausende Menschen gegen eine erneute Regierung unter Beteiligung von Netanjahu protestiert. Gantz hatte seinen Pakt mit dem Langzeit-Regierungschef am Freitag als "verantwortungsvollen und gerechten" Schritt verteidigt. "Ob es eine gute Entscheidung war oder nicht, wird die Geschichte zeigen", schrieb er auf Facebook. 

mir/ww (afp, dpa, ap)

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