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Konflikte

Wer sind die Palästinenser in Israel?

14. Mai 2021

Die sogenannten israelischen Araber werden stärker als bisher in den Konflikt hineingezogen. Das hat wirtschaftliche Gründe, aber auch politische.

Arabische Israelis | Proteste in Haifa
Friedensgebet für ein Ende der Gewalt gegen palästinensische Israelis im Februar 2021Bild: AHMAD GHARABLI/AFP

Raketen und Militäroffensiven, das ist die offensichtliche Ebene bei dieser neuen Eskalation in Nahost. Dabei gibt es noch eine weitere Dimension: In nie dagewesener Schärfe geraten in ganz Israel zwei Bevölkerungsgruppen aneinander, nämlich jüdische und palästinensische Israelis.

Wie explosiv ist die Lage?

In der Stadt Lod südöstlich von Tel Aviv mussten Sicherheitskräfte Straßenschlachten zwischen beiden Gruppen verhindern, es kamen sogar Schusswaffen und Messer zum Einsatz. Ebenfalls in Lod wurden eine Synagoge und eine Jeschiwa, also eine geistliche jüdische Lehrstätte, in Brand gesteckt.

In der alten Hafenstadt Akko und im Großraum Tel Aviv wurden Männer inmitten von Menschenmengen aus ihren Autos gezerrt und wüst verprügelt. In Akko war es ein Jude, in Bat Yam wurde der Fahrer für einen Araber gehalten.

Das sind nur wenige Beispiele für die Gewalt, die vielerorts im Land zwischen seinen Bewohnern aufflammt. Hunderte Personen wurden bereits nach solchen Aktionen festgenommen. In Lod wurde der Ausnahmezustand verhängt.

In israelischen Städten sind gewaltbereite palästinensische Israelis mit jüdischen Israelis aneinandergeratenBild: AHMAD GHARABLI/AFP

Israels Präsident Reuven Rivlin warnte vor einem drohenden "Bürgerkrieg". Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte: "Den israelischen Bürgern möchte ich sagen: Es ist mir egal, ob euer Blut kocht. Ihr dürft nicht zur Selbstjustiz übergehen. Nichts rechtfertigt das Lynchen von Arabern durch Juden und umgekehrt. Es ist nicht akzeptabel."

Welchen Anteil machen Palästinenser in Israel aus?

Zeitgleich zur Gründung des Staates Israel 1948 mussten rund 700.000 Palästinenser ihre Heimat aufgeben. Aus palästinensischer Sicht war das die "Nakba", die Katastrophe, eine ethnische Säuberungsaktion des israelischen Militärs. Nach israelischer Darstellung handelte es sich um eine freiwillige Flucht, die auf entsprechende arabische Aufrufe erfolgt sei. Die Bevölkerungsgruppen, die im heutigen israelischen Staatsgebiet geblieben sind, erhielten die israelische Staatsangehörigkeit. Zu den Palästinensern in Israel zählen jedoch nicht die Bewohner Ostjerusalems, die wiederum einen Sonderstatus innehaben.

Palästinenser in Israel, häufig auch als israelische Araber bezeichnet, machten 2019 rund 21 Prozent der Bevölkerung Israels aus. Dieser Wert steigt in den Tabellen des israelischen Statistikamts CBS seit mehr als 50 Jahren kontinuierlich, weil die Geburtenziffern in dieser Bevölkerungsgruppe höher liegen. Von rechtsnationalen israelischen Politikern wird das als Problem betrachtet, weil perspektivisch die Vormachtstellung der jüdischen Bevölkerungsteile in Gefahr sei. Kinderreiche orthodoxe und ultraorthodoxe jüdische Familien sorgen dafür, dass sich diese Entwicklung verlangsamt.

Die als UNESCO-Weltkulturerbe gelistete Altstadt von Akko wird hauptsächlich von Palästinensern bevölkertBild: Photoshot/picture-alliance

Die Palästinenser in Israel genießen im Durchschnitt einen höheren Lebensstandard als die im Westjordanland oder gar im Gazastreifen. Doch verglichen mit der jüdischen Bevölkerungsmehrheit haben die Palästinenser zumeist weniger Teilhabe an Bildung und Wohlstand: Daten des staatlichen Versicherungsinstituts zufolge lebten 2016 fast die Hälfte der palästinensischen Familien in Israel in Armut - verglichen mit 13 Prozent der jüdischen Familien. (Ausgeklammert wurden in dieser Statistik die Haredim, die ultraorthodoxen Juden,, von denen 45 Prozent der Familien in Armut lebten.)

Welchen politischen Einfluss haben Palästinenser in Israel?

Das 2018 von der rechten Netanjahu-Regierung initiierte Nationalstaatsgesetz schmälerte den Einfluss der palästinensischen Bevölkerungsgruppe: Darin wird Israel zur "nationale Heimstätte des jüdischen Volkes" unter dem ungeteilten Jerusalem als Hauptstadt erklärt. Hebräisch ist demnach alleinige Nationalsprache, Arabisch wird auf einen nicht näher definierten Sonderstatus degradiert.

Mansour Abbas ist einer der wohl einflussreichsten palästinensischen Politiker in der KnessetBild: Mahmoud Illean/AP/picture alliance

Mit Verweis auf das Gesetz riefen palästinensische Gruppen bei den darauffolgenden Knesset-Wahlen zum Boykott auf. Das führte dazu, dass ihre politischen Kräfte in der Knesset schwächer vertreten waren als die Demografie es vermuten ließe. Ihre "Vereinte Liste" schloss sich dem Anti-Netanjahu-Lager an. Vor der jüngsten Wahl im März 2021 löste sich jedoch die Ra'am-Partei unter ihrem Chef Mansour Abbas aus dem Block. Abbas will die Zerwürfnisse unter den jüdischen Parteien zum Vorteil der Palästinenser nutzen und hat vor der Wahl die Bereitschaft erklärt, unter möglichst großen Zugeständnissen an diese Gruppe eine künftige Regierung zu unterstützen. Zwischenzeitlich galten die vier Abgeordneten von Ra'am sogar als Königsmacher - doch hat die jüngste Eskalation auch die Verhandlungen über eine Anti-Netanjahu-Koalition durcheinandergewirbelt.

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