Israels Regierung stimmt Gaza-Waffenruhe zu
Veröffentlicht 18. Januar 2025Zuletzt aktualisiert 18. Januar 2025Eine Waffenruhe in dem seit mehr als 15 Monaten andauernden Israel-Hamas-Krieg und die Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas rücken näher. Nach Israels Sicherheitskabinett stimmte auch die gesamte Regierung des Landes im Anschluss an eine siebenstündige Sitzung für die Vereinbarung mit der Hamas, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mitteilte.
Trotz des Widerstands rechtsextremer Koalitionspartner war erwartet worden, dass sich eine Mehrheit der Regierung für das mehrstufige Abkommen ausspricht. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte Medien zufolge an andere Mitglieder des Bündnisses appelliert, dagegen zu stimmen - und damit gedroht, die Koalition im Fall einer Billigung des Abkommens zu verlassen.
Waffenruhe gilt ab Sonntag
Die Waffenruhe soll gemäß der Vereinbarung an diesem Sonntag in Kraft treten und zunächst für 42 Tage gelten. In der Zeit sollen 33 von insgesamt 98 Geiseln freikommen, die sich seit vielen Monaten und teils sogar Jahren in der Gewalt der Hamas befinden. Am Sonntag sollen die ersten drei von ihnen übergeben werden.
Im Gegenzug werden laut israelischen Angaben Hunderte palästinensische Häftlinge aus Israels Gefängnissen entlassen. Israels Justizministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen von mehr als 90 Häftlingen, die am Sonntag gegen die ersten Geiseln ausgetauscht werden sollen.
Nach israelischem Recht dürfen Angehörige von Terroropfern gegen die Freilassung bestimmter palästinensischer Häftlinge Einspruch einlegen. Für eine solche Petition beim Obersten Gericht haben sie nach dem Regierungsbeschluss 24 Stunden Zeit. Es wird aber nicht erwartet, dass die Richter einen Grund dafür sehen, die Vereinbarung zu durchkreuzen.
Mehr humanitäre Hilfe für Palästinenser geplant
Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und Gaza soll im Zuge des Abkommens wieder öffnen und die Einfuhr humanitärer Hilfe für die Palästinenser soll deutlich aufgestockt werden. Vorgesehen ist, dass Israels Militär aus dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens abzieht.
Die in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens geflohenen Einwohner sollen unter internationaler Aufsicht in ihre Wohngebiete im Norden Gazas zurückkehren dürfen. Details der zweiten und dritten Phase des Abkommens über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen kompletten Abzug Israels aus dem Gazastreifen wollen die Konfliktparteien während der ersten Phase klären.
Hält das Abkommen?
Wie stabil das Abkommen langfristig sein wird, ist fraglich. Die intensiven Verhandlungen der vergangenen Tage, als es in letzter Minute noch um strittige Detailfragen ging, zeigten einmal mehr, wie heikel das Gesamtpaket ist. Netanjahu teilte erst am frühen Freitag mit, dass eine Einigung erzielt worden sei - fast zwei Tage, nachdem der Vermittlerstaat Katar eine solche bereits verkündet hatte.
Angesichts des tiefen Misstrauens ist offen, ob sich Israels Regierung und die Hamas über Wochen an die vereinbarten Schritte halten werden und ob zum Beispiel bestimmte Passagen jeweils anders ausgelegt werden. Der Ausgang der Verhandlungen in den nächsten Phasen des Deals über ein dauerhaftes Ende des Krieges und einen Abzug Israels aus Gaza ist ohnehin ungewiss. Zunächst müssen sich beide Kriegsparteien unter anderem über die Listen der restlichen freizulassenden Hamas-Geiseln sowie der von Israel freizulassenden Häftlinge einigen. Unter den von der Hamas Verschleppten sind auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, darunter mehrere Deutsche.
Wie die "Times of Israel" berichtet, befinden sich auf einer neuen Liste des israelischen Justizministeriums mehr als 700 palästinensische Häftlinge, darunter mehrere wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Hamas, des Palästinensischen Islamischen Dschihad und der Fatah-Bewegung des im Westjordanland regierenden Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas.
Die Zukunft im Gaza-Streifen ist ungewiss
Offen sind der Zeitplan und das Ausmaß des Rückzugs des israelischen Militärs aus dem Gazastreifen sowie die Frage, wie das relativ kleine Gebiet am Mittelmeer nach dem Ende des Krieges regiert werden soll. Scheitert das Abkommen, könnten die Kämpfe in dem weitgehend zerstörten Palästinensergebiet erneut ausbrechen - zumal es auf beiden Seiten entschiedene Befürworter einer Fortsetzung des Krieges gibt.
Laut der US-Nachrichtenseite "Axios" soll Netanjahu beim Treffen des Sicherheitskabinetts gesagt haben, die USA hätten ihm für den Fall, dass die weiteren Verhandlungen kein zufriedenstellendes Ergebnis bringen und Israels Sicherheitsforderungen nicht erfüllt werden, Unterstützung für die Fortsetzung des Krieges zugesichert - und zwar sowohl die Regierung des scheidenden Präsidenten Joe Biden als auch das Lager des designierten Nachfolgers Donald Trump.
Auch an diesem Samstag setzte Israel seine Angriffe in Teilen des Palästinensergebiets fort. Bei einem Beschuss aus der Luft wurden örtlichen Ärzten zufolge fünf Menschen in einem Zelt getötet. Die Attacke habe sich in der Nähe von Mawasi westlich der Stadt Chan Junis ereignet, hieß es. Das israelische Militär teilte seinerseits zu Aktionen am Vortag mit, man habe am Freitag 50 "Terror-Ziele" im Gazastreifen angegriffen.
Polizei: "Terroranschlag" in Tel Aviv
Bei einem Messerangriff im Zentrum der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv wurde am Samstag ein Mann schwer verletzt. Die Polizei sprach von einem Terroranschlag. Ein Passant habe auf den mutmaßlichen Angreifer geschossen, hieß es. Israelischen Medien zufolge soll er dabei getötet worden sein. Demnach handelte es sich um einen 19 Jahre alten Palästinenser aus der Stadt Tulkarem im Westjordanland.
Auslöser des Israel-Hamas-Krieges war der Überfall aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023. Mitglieder der Hamas, die neben Israel auch von vielen anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, und verbündete extremistische Gruppen verübten ein beispielloses Massaker in israelischen Ortschaften und auf einem Popfestival. Dabei töteten sie mehr als 1100 Menschen in Israel und verschleppten rund 250 in den Gazastreifen.
Israel reagierte mit massiven Angriffen gegen die Hamas im Gazastreifen. Dabei sollen nach Zahlen der Hamas-Behörden mehr als 46.000 Menschen getötet worden sein. Dies lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Die Zahlen werden aber von den Vereinten Nationen als glaubhaft eingestuft. Bei den palästinensischen Angaben wird nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterschieden.
haz/wa/jj/AL (dpa, rtr, afp)
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