1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikChina

Ist China noch zu stoppen? Schulterschluss mit Saudi-Arabien

30. Juni 2023

Peking und Riad arbeiten wirtschaftlich immer enger zusammen, es entstehen Kooperationen in vielen Feldern. Dadurch verändert sich die Region nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch - zur Sorge des Westens.

Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan al-Saud (r.) und der chinesische Vizepremier Hu Chunhua bei der 10. arabisch-chinesischen Wirtschaftskonferenz in Riad, Juni 2023
Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan al-Saud (r.) und der chinesische Vizepremier Hu Chunhua bei der 10. arabisch-chinesischen Wirtschaftskonferenz in Riad, Juni 2023Bild: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images

China lädt ein, und Saudi-Arabien kommt. Mit einer 25-köpfigen Delegation ist der saudische Wirtschafts- und Planungsminister Faisal Alibrahim zu Beginn der Woche in der Hafenstadt Tianjin eingetroffen. Dort nahm er am so genannten "Annual Meeting of the New Champions" teil, einem 2007 ins Leben gerufenen Wirtschaftsforum, ausgerichtet vom Schweizer World Economic Forum. So ist die Veranstaltung auch unter dem Namen "Summer Davos" bekannt.

Bereits jetzt sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern eng. Saudi-Arabien ist Chinas bedeutendster Öllieferant, umgekehrt ist China der größte und wichtigste saudische Handelspartner, Tendenz noch steigend: Im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen umgerechnet rund 106 Milliarden Euro - im Jahr davor hatte es noch bei knapp 80 Milliarden Euro gelegen.

Während es China vor allem um Energielieferung geht, will Saudi-Arabien seine Wirtschaft diversifizieren und sie vor allem für die Zeit alternativer Energien vorbereiten. Der Kronprinz und Premier Mohamed bin Salman hat dazu ein eigenes Programm, die "Vision 2030", aufgelegt. In dessen Rahmen will er die Zusammenarbeit mit China über die traditionellen Sektoren wie Energie und Telekommunikation hinaus auf neue Felder wie Stahl, Internetplattformen und Tourismus ausweiten. Große chinesische Unternehmen, so PetroChina und Huawei, sind bereits in Saudi-Arabien präsent. Entsprechend gut besucht war Presseberichten zufolge auch das 10. Arab-China Business Forum in der zweiten Juniwoche in Riad. Eines der Schwerpunktthemen dort: der Umweltschutz.

Saudi-Arabien genieße in China eine hohe Wertschätzung, sagt Johann Fuhrmann, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking, im DW-Interview. "Wie hoch das Ansehen des Königsreichs in Peking ist, konnte man im Dezember vergangenen Jahres sehen, als sich der chinesische Staatspräsident Xi Jinping für drei Tage in Saudi-Arabien aufhielt. Dort unterzeichneten beide Seiten neue Handelsabkommen im Wert von gut 27 Milliarden Euro. Gerade in Zeiten einer globalen Energiekrise ist die Anbindung an Saudi-Arabien für China natürlich sehr wichtig."

Bühne für chinesisch-saudischen Beziehungen: das Wirtschaftsforum in TianjinBild: Manuela Kasper-Claridge/DW

Politische Annäherung

Allerdings geht es in den Beziehungen beider Länder nicht nur um Wirtschafts- und Handelsfragen. Anlässlich des Besuchs von Xi in Riad im vergangenen Dezember hatte die Sprecherin des chinesischen Außenamts, Mao Ning, die Erwartungen ihres Landes so umrissen: "Wir hoffen, mehr gemeinsame strategische Absprachen zu wichtigen regionalen und internationalen Fragen zu treffen, um unsere Entschlossenheit zur Stärkung der Solidarität und Koordination, zur gegenseitigen Unterstützung, zur Förderung der gemeinsamen Entwicklung und zur Verteidigung des Multilateralismus deutlich zu machen", so Mao.

In seinem Bestreben, international eigene Akzente zu setzen, gelang China in diesem Jahr bereits ein diplomatischer Coup. Im April reichten sich unter Vermittlung des chinesischen Außenministers Qin Gang seine Amtskollegen aus Saudi-Arabien und Iran, Faisal bin Farhan und Hussein Amirabdollahian, die Hände. Zwar hatten Unterhändler der beiden über Jahrzehnte verfeindeten Staaten bereits in Eigenregie zahlreiche Gespräche zur Beilegung ihres Konflikts miteinander geführt. Doch die Nachricht, dass sie nun auch wieder Botschafter austauschen würden, konnte Peking international als Erfolg seiner diplomatischen Bemühungen verkaufen.

Die Außenminister Irans und Saudi-Artabiens, Hossein Amir-Abdollahian (l.) und Bin Faisal (r.), reichen sich in Peking die Hände. In der Mitte ihr chinesischer Amtskollege Qin Gang, Peking, April 2023Bild: Iranian Foreign Ministry/AFP

Chinas neue Rolle in Nahost

Insgesamt versuche sich China als neue Ordnungsmacht im Nahen Osten zu etablieren, so Johann Fuhrmann. "Ihnen kommt natürlich entgegen, dass die USA in dieser Rolle seit geraumer Zeit nicht mehr so präsent sind wie früher. Insofern versuchen die Chinesen, ihnen diese Rolle streitig zu machen." Dazu passe auch die Visite des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Peking Mitte Juni dieses Jahres. Bei dem Besuch hatte sich Xi Jinping deutlich positioniert. Der "grundlegende Ausweg aus der Palästinenserfrage" liege in der "Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates", erklärte er bei dem Besuch von Abbas.

Die neue Ordnung, die China anstrebe, unterstreiche die in der Politikwissenschaft diskutierte These, dass Modernisierung nicht mit Verwestlichung gleichzusetzen sei, heißt es in einer Analyse des Berliner Thinktanks Wissenschaft und Politik (SWP). Modernität sei nicht nur durch Kopieren des westlichen Modells möglich, sondern auf viele verschiedene Weisen. So laufe Modernisierung auch nicht zwangsläufig auf Demokratisierung hinaus.

Bei ihrem Engagement in der Region machen die Chinesen sich auch deren Geschichte zu nutze. So verwiesen sie darauf, dass ihr Land sich im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten nicht militärisch in der arabischen Welt engagiert hat, heißt es in einer Analyse des Think Tanks Wilson Center. Darüber hinaus konzentriere sich die Selbstdarstellung sehr stark auf die chinesische wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Die Strategie hat offenbar Erfolg: Im Nahen Osten sähen gerade junge Menschen China als einen Schlüsselpartner in der Region, heißt es in der Studie des Wilson Centers unter Berufung auf eine Umfrage des demografischen Forschungsnetzwerks Arab Barometer.

Chinesischer Pragmatismus

Die Dynamik der Wirtschaftskooperation zwischen Saudi-Arabien und China wirft ein Licht darauf, auf welche Schwierigkeiten die Amerikaner nun stoßen. Im Mai gab Chinas größter Stahlhersteller Baowu Steel bekannt, er werde umgerechnet 402 Millionen Dollar für eine 50-prozentige Beteiligung an einem Joint Venture mit dem saudischen Energieunternehmen Saudi Aramco und dem staatlichen Public Investment Fund aufbringen. Und im April lud Saudi-Arabien den chinesischen Freizeitparkbetreiber Haichang Ocean Park ein, in eine neue Anlage im Land zu investieren. Gleichzeitig eröffnete das chinesische Genetik-Unternehmen BGI ein neues Testlabor in Riad.

"China hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es eine aus seiner Sicht pragmatische Außenpolitik verfolgt", sagt Johann Fuhrmann von der Konrad-Adenauer-Stiftung. "Die läuft im Kern darauf hinaus, dass den Chinesen relativ gleichgültig ist, wie ein Land intern verfasst ist - ob es sich also um einen demokratischen oder einen autoritären Staat handelt. Die Chinesen interessieren sich für die Wirtschaft, den Handel." Das gelte insbesondere angesichts der wirtschaftlichen Probleme des Landes, so etwa bei der über 20 Prozent liegenden Arbeitslosigkeit unter der chinesischen Jugend. "Insofern ist den Chinesen nicht wichtig, wie ihre Partner politisch verfasst sind. Das Wichtigste ist aus Sicht Pekings, dass sie wirtschaftlichen Nutzen bringen."

Kommunismus oder Kapitalismus?

04:32

This browser does not support the video element.

 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika