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Politik

Ist Deutschland fit für die digitale Revolution?

30. Mai 2019

Die Länder, die die industrielle Revolution geprägt haben, dominierten lange Zeit geopolitisch die Welt. Jetzt kämpfen China und die USA um die Vorherrschaft in Zeiten der digitalen Revolution. Und Deutschland?

Symbolbild: Günther Oettinger mit VR-Brille
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Lateinamerikakonferenz war gestern, digitale Revolution ist heute und morgen. Am Dienstag hatte Bundesaußenminister Heiko Maas in Berlin 20 Außenminister aus Lateinamerika und der Karibik getroffen, um die Region auf Multilateralismus und eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit einzuschwören. 24 Stunden später wurde der Bundesaußenminister auf der Veranstaltung "Future Affairs" konkreter, wie er sich diese Zusammenarbeit in Zeiten der digitalen Revolution vorstellt: "Der digitalen Vernetzung müssen wir durch politische Vernetzung begegnen."

Bundesaußenminister Heiko Maas wird bei der "Future Affairs"-Konferenz in Berlin konkretBild: DW/O. Pieper

Europa und Lateinamerika sehen ein wenig hilflos zu, wie sich China und die USA im Kampf um die digitale Vorherrschaft in der Welt beharken. Jüngstes Beispiel: das US-amerikanische Gesetz, welches den weltweiten Marktführer für Telekommunikation Huawei von Aufträgen ausschließt - aus Gründen der nationalen Sicherheit, aus Angst, Huawei könnte die Ausrüstung für Spionagezwecke missbrauchen. Maas befürchtet, dass der Welt durch diesen Machtkampf eine neue Spaltung droht: "Diesmal keine militärische, wie im Kalten Krieg, sondern eine technologische."

Und Deutschland steht bei dieser Spaltung mittendrin. Die USA haben mit einer Einschränkung von Geheimdienstinformationen gedroht, falls Deutschland chinesische Firmen beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes beteiligt. "Für uns Europäer ein echter 'Reality Check'", wie Maas einräumt. Wie entscheiden in einer Welt, "in der uns nur noch die Wahl bleibt zwischen einer US-amerikanischen und einer chinesischen Tech-Sphäre"? Die konkrete Antwort steht noch aus, aber Deutschland und die EU wollen auf einen Mittelweg setzen, zwischen dem "totalitären und dem ultra-libertären Ansatz."

Die USA werfen der Telekommunikationsfirma Huawei das Ausspähen von Daten vor

USA sehen sich von China bedroht

Warum die USA so sensibel bei ihrem Konkurrenten China sind, erklärt Laura Rosenberger. "China wird immer effektiver, wenn es darum geht, Technologie zur Förderung eigener Ziele einzusetzen", erklärt die Direktorin der Alliance for Securing Democracy beim German Marshall Fund der USA. Zwar bestreitet Huawei vehement, Handys zum Ausspähen zu nutzen, doch die USA beobachteten bei China das immer gleiche Muster, um den globalen Machtbereich auszubauen: "Informationen für Kritiker von außen erschweren, und gleichzeitig Einfluss auf Diskussionen über Peking nehmen", so Rosenberger.

Auch autoritäre Regime wie der Iran und Saudi-Arabien setzten auf diese Politik. Was das für die Zukunft bedeutet, beschreibt Rosenberger so: "Mit Programmen wie 'Deep Fake' können gefälschte Audios und Videos so manipuliert werden, dass sie nicht mehr von wahren Inhalten zu unterscheiden sind."

Gezielte Fake News im brasilianischen Wahlkampf

Zu was solche Falschmeldungen führen können, zeigte der Wahlkampf bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen im Oktober vergangenen Jahres. Jair Bolsonaro gewann - nach einer Kampagne, die vor allem in den sozialen Medien stattfand, gefüttert mit Falschinformationen. "Bolsonaros Kampagne war vor allem so erfolgreich, weil er neben der Manipulation neue Formen der Partizipation über intransparente Plattformen genutzt hat," sagt Marisa von Bülow.

Jair Bolsonaro setzte bei seinem Präsidentschaftswahlkampf vor allem auf die sozialen Medien. Mit Erfolg.Bild: Getty Images/AFP/E. Sa

Für die Professorin am Politikwissenschaftlichen Institut der Universität Brasilia waren diese Wahlen eine Zäsur - mit verheerenden Folgen für die Demokratie. "Mit den Manipulationen sinkt gleichzeitig das Vertrauen in die Politik. Es ist ein Teufelskreis", so von Bülow.

Deutschland hinkt bei Künstlicher Intelligenz weit hinterher

Der deutsche Außenminister will sich nicht davon beirren lassen und weiter mit dem größten Land Lateinamerikas zusammenarbeiten: "Mit Brasilien haben wir seit 2013 sechs Resolutionen zum Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter in die Generalversammlung und den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eingebracht". Und auch mit Mexiko habe Deutschland im vergangenen Jahr zusammengearbeitet, um für Regierungsexperten Normen für das Verhalten im Internet weiterzuentwickeln. Aber reicht das wirklich, um in einer Welt mit den zwei Techno-Sphären USA und China nicht zerrieben zu werden?

Überwachung in China: Technologie der Gesichtserkennung in einem SupermarktBild: picture-alliance/ZUMAPRESS.com/Tang Ke

China setzt zum Beispiel jetzt schon massiv auf Künstliche Intelligenz (KI). 2020 sollen im Land 600 Millionen Überwachungskameras Daten sammeln, Profile der Menschen erstellen, durch "Emotionale KI" sogar Gefühle und Reaktionen vorhersagen. Digitale Totalüberwachung, und das angeblich auch schon in der Außenpolitik. Soll heißen: Das Verhalten des Gegners vorwegnehmen, es beeinflussen, weil KI-Systeme dem Menschen überlegen sind: Schnellere Datenerfassung, Verknüpfung und Bewertung, ohne menschliche Emotionen, ohne Müdigkeit oder Unaufmerksamkeit. "Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt", gibt Heiko Maas freimütig zu.

Immerhin habe Deutschland aber eine Plattform entwickelt, die dabei helfe, Krisen früher zu erkennen. Ein Anfang. "Wirtschaftliche Kennzahlen, Klimadaten, Daten zu Terroranschlägen und Kampfhandlungen, Informationen zur Bevölkerungsentwicklung", betont der Außenminister die Schwerpunkte, "das kann Gold wert sein für eine vorausschauende Außenpolitik."