1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ist die Geheimpolizei in Serbien reformiert?

30. Dezember 2004

Bonn, 29.12.2004, DW-RADIO/Serbisch, Jovan Radovanovic

Die Geheimpolizei hat – zumindest bisher – vornehmlich zu Gunsten bestimmter politischer Kreise gearbeitet. Auch in jüngster Zeit verbündete sie sich mit der einen oder anderen Partei.

Der Direktor der Sicherheits- und Informationsagentur (BIA), Rade Bulatovic, legte den Mitgliedern des parlamentarischen Sicherheitsausschusses Serbiens den Jahresbericht über die Tätigkeit dieser Agentur vor. In der Vergangenheit wurde dieser Dienst als Staatssicherheitsdienst, Udba oder Geheimpolizei bezeichnet. Vier Tage zuvor segneten Popen der Serbisch-Orthodoxen Kirche die Hauptsitz der BIA in Belgrad und wünschten den Agenten Glück für ihre Arbeit sowie dass sie zum Wohle des Staates und aller Bürger wirkten.

Es ist uns weder bekannt, ob in anderen Ländern Geistliche die Räumlichkeiten der Geheimpolizei beweihräuchern und böse Geister vertreiben, noch dass sie die Agenten davon überzeugen, für die Bürger zu arbeiten. Nun, in Serbien helfen auch die Popen den Agenten, sich von ihren Sünden zu reinigen. So bleibt uns der Glaube daran, dass sie künftig tatsächlich zum Wohle des Staates und der Bürger arbeiten werden, mag es noch so schwer sein, alte Gewohnheiten abzulegen. Die Geheimpolizei hat, zumindest bisher, vornehmlich zu Gunsten bestimmter politischer Kreise gearbeitet. In jüngster Zeit schloss sie sich der einen oder anderen Partei an, deren Vorsitzende gelangten an die Spitze des "Dienstes" – wie der Name, wahrscheinlich liebevoll gemeint, bei den Mitarbeitern seit Jahrzehnten lautet – und arbeiten nach den Auflagen der jeweils aktuellen Regierung.

So gelangte auch Bulatovic als ehemaliger Sicherheitsberater des serbischen Premier,Vojislav Kostunica und Mitglied der Demokratischen Partei Serbiens, DSS, auf den Direktorenposten bei BIA. Allein dadurch sind die Geschichten darüber, dass die BIA professionell, entpolitisiert und frei von politischen Einflüssen sei, was Bulatovic dieser Tage unermüdlich wiederholt, wirkt ziemlich unglaubwürdig. Wenn dem auch noch seine erste Aufgabe hinzugefügt wird, nämlich Mitglieder der ehemaligen DOS oder noch schlimmer der Demokratischen Partei von allen verantwortlichen Ämtern "zu säubern", wird die Mähr um die Entpolitisierung der BIA noch unglaubwürdiger. Ihm tat es auch Polizeiminister, Dragan Jocic, berühmter Funktionär der DSS, gleich.

Herr Bulatovic bemüht sich ziemlich, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die BIA unter seiner Leitung sich grundlegend gewandelt haben. Er prahlte damit, dass die Agenten keine Baseball-Schläger mehr benutzten, um Geständnisse von Verdächtigen zu erhalten, dass es keine Folter gebe und die Agentur nun äußerst professionell arbeite, alte, kompromittierende Mitarbeiter eliminiert seien – kurz gesagt, dass es ein ganz neuer "Dienst" sei. Insider behaupten dagegen, Bulatovic habe alle politisch suspekten Mitarbeiter entlassen und dafür auf verantwortliche Posten Leute gesetzt, die dem ehemals mächtigen Chef der Geheimpolizei unter Milosevic, Jovica Stanisic, treu ergeben waren.

Stanisic wird vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY) wegen Kriegsverbrechen der Prozess gemacht. Kürzlich ist er und der ehemalige Gründer und erste Chef der "Roten Barette", Franko Simatovic, aus der Untersuchungshaft entlassen worden, um sich in Belgrad in einer Art Hausarrest auf ihre Verteidigung vorzubereiten. Es ist schon leicht ironisch, dass diese beiden ICTY-Angeklagten ausgerechnet von der BIA, wo nun die Hauptfunktionen ihre eigenen Leute einnehmen, dafür sorgen soll, dass nicht Zeugen beeinflussen.

Bedauerlicherweise bleibt die BIA – trotz aller vehementer Bemühungen ihres Leiters, die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen, ein Ort, wo vor allem vertrauliche Informationen über politische Gegner gesammelt werden. Und jede stärkere Partei hat dort ihre Leute. Serbische Medien lancieren praktisch täglich brisante Informationen aus so genannten zuverlässigen Quellen, daher ist die Agentur aktiver als je zuvor in diversen politischen und zwischenparteilichen Rachefeldzügen. Wenn das eine Arbeit zum Wohle des Staates und der Bürger sei soll, dann schreit dieser "Dienst" nach grundlegenden Veränderungen. (md)