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Ist die griechische Wirtschaft stark genug?

Ioannis Antypas
20. August 2018

Griechenland hat in dieser Woche den EU-Rettungsschirm verlassen. Wie hat sich die Wirtschaft seit Beginn des Sparprogramms entwickelt? Und kann das Land seine Haushaltsziele erreichen? Eine Datenanalyse gibt Antworten.

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Kann Griechenland jetzt auf eigenen Beinen stehen?

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Griechenlands Staatsschulden sind doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt, die Wirtschaftsleistung ist seit Beginn der Krise um ein Drittel gesunken und einer von fünf Menschen ist arbeitslos: Auf den ersten Blick bietet die Situation keinen Anlass für Optimismus.

Traditionell hat der Dienstleistungssektor den größten Anteil an Griechenlands Bruttoinlandsprodukt (BIP), gefolgt von der Industrie und der Landwirtschaft. Aber Griechenland braucht dringend neue Einkommensquellen, damit es nicht wieder in die Rezession rutscht, nun da das dritte Hilfsprogramm beendet ist.

Das Land hofft daher auf eine Stärkung der Exportwirtschaft. Trotz wirtschaftlich schwieriger Jahre sind die Güterexporte zwischen 2010 und 2017 um 35,5 Prozent gestiegen, was in Athen und Brüssel für Erleichterung sorgte.

Zu den wichtigsten Exportpartnern Griechenlands zählen Italien, Deutschland, Zypern, die Türkei und Bulgarien.

Es bleibt die Frage, ob diese Entwicklung nachhaltig ist und stark genug, damit das Land wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Um diese Frage zu beantworten, hat die DW Wirtschaftsdaten von 2010 bis 2018 ausgewertet. Die Analyse zeigt, dass es einige Vorbehalte gibt.

Vorbehalt 1: Arbeitskosten sind während der Krise gesunken

Zu Beginn der Krise 2010 waren die Arbeitskosten auf dem höchsten Stand seit zehn Jahren. Dann fielen sie stark: "Die finanzpolitische Restrukturierung im Rahmen des EU-Stabilitätsprogramms hat die Arbeitskosten signifikant reduziert", sagt George Pagoulatos, Professor für europäische Politik und Wirtschaft an der Universität für Wirtschaft in Athen.

Griechische Exporte profitierten von rapide fallenden Arbeitskosten, die seit 2010 um mehr als 30 Prozent gesunken sind und sich 2017 nur leicht erholt haben. 

Eigentlich ist es ein Vorteil für griechische Exporteure, wenn sie weniger für gut ausgebildete Arbeitskräfte zahlen müssen. Doch es gibt eine Kehrseite: Arbeitskosten umfassen sowohl Lohnkosten als auch Steuern und Abgaben. Die Löhne sind in der Krise stärker gesunken als die Arbeitskosten insgesamt.

"Allerdings wurde der Wettbewerbsvorteil gesunkener Löhne zum Teil wieder aufgefressen durch gestiegene Kosten für Steuern, Sozialabgaben, Energie und Kredite", sagt Pagoulatos. Tausende Unternehmen mussten entweder schließen oder haben ihre Niederlassungen in Länder mit geringerer Steuerlast verlegt. Das hat die Wirtschaft weiter geschwächt.

"Jetzt ist es wichtig, dass die Produktivität zulegt, damit auch die Löhne wieder steigen können", so Pagoulatos. Denn ohne höhere Produktivität haben griechische Firmen auf dem Weltmarkt keine Chance.

Vorbehalt 2: Exporte werden hauptsächlich von einem Sektor angetrieben

Der zweite Vorbehalt ist die geringe Vielfalt der Exporte. Vergleicht man die Exportvolumen verschiedener Wirtschaftszweige, sticht ein Sektor heraus: Nicht Olivenöl oder Schafskäse, sondern raffiniertes Erdöl und andere Mineralstoffe machen ein Drittel der griechischen Güterexporte der ersten fünf Monate in 2018 aus und übertreffen damit alle anderen Sektoren deutlich.

Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung haben Industriegüter einen größeren Anteil an den griechischen Exporten und wachsen stärker als landwirtschaftliche Produkte (Nahrung und Vieh).


Experten wie Christina Sakellaridis, Präsidentin des Panhellenischen Export-Verbandes, sehen Exporte von Erdölprodukten skeptisch: "Der Preis von Erdöl schwankt, wir können ihn nicht beeinflussen. Wenn der Ölpreis stark steigt, beeinflusst das die Kosten der heimischen Produktion in Griechenland - und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit griechischer Produkte auf dem internationalen Markt."

Griechenland wäre deshalb gut beraten, seine Exporte vielseitiger zu gestalten. "In letzter Zeit sehen wir einen Anstieg bei Exporten von neuen Technologien und Produkten, die auf hochspezialisiertes technisches Fachwissen und Innovation setzen", sagt Sakellaridis. "Für uns ist das eine sehr ermutigende Entwicklung."

Vorbehalt 3: Griechenland fehlt es an exportstarken Großunternehmen 

Griechenland sei in der Tat ein bedeutender Hersteller von Industrieprodukten, sagt Konstantinos Bitsios, Vizevorsitzender der Hellenischen Unternehmervereinigung. Das Land habe einen der höchsten Anteile an Kleinen und Mittelständischen Unternehmen (KMU) in der Europäischen Union. Weil es aber zu wenig große Firmen gebe, sei das Land nicht in der Lage, "sich auf dem internationalen Markt zu behaupten".

Das führt zum dritten Vorbehalt: KMU können nicht so einfach in das Exportgeschäft einsteigen wie größere Unternehmen. "In Griechenland sind kleine Firmen nur halb so produktiv wie im EU-Durchschnitt", sagt Bitsios. "Ihre Teilhabe an internationalen Wertschöpfungsketten ist ebenfalls gering."

Hinzu kommt die schwierige Finanzierungssituation. Während der Krise hatten Unternehmen kaum Zugang zu Krediten. Gleichzeitig werden Banken einen Teil des verliehenen Geldes mit hoher Wahrscheinlichkeit nie wiedersehen: Das Volumen sogenannter notleidender Kredite hat sich verzehnfacht, von elf Milliarden Euro in 2008 auf 110 Milliarden Euro auf dem Höhepunkt. Heute liegt es bei 94 Milliarden Euro. Griechische Banken sind noch immer nicht in der Lage, Unternehmen Finanzierungen anzubieten. Griechische Firmen, allen voran kleine und mittelständische, haben daher Schwierigkeiten zu wachsen und ihr Exportgeschäft auszubauen.

Bitsios bezeichnet die notleidenden Kredite als "ein dauerhaftes Vermächtnis der Krise" und warnt, dass sie "jegliche Wachstumschancen zum Scheitern bringen können".

Eine zu große Herausforderung?

Obwohl die griechischen Exporte steigen, tragen sie vergleichsweise wenig zur Wirtschaftsleistung bei. Griechenland liegt hier im EU-Vergleich am unteren Ende, nur knapp vor Großbritannien und Zypern, die sich beide auf den Export von Dienstleistungen statt auf Güterexporte spezialisiert haben.

Griechenlands Güterexporte tragen 18 Prozent zum BIP des Landes bei, weit weniger als der EU-Durchschnitt von 33 Prozent. Andere krisengeschüttelte Länder wie Portugal (30 Prozent) und Irland (66 Prozent) stehen besser da.


Griechenland ist chronisch abhängig von Importen. Der Staat muss sich deshalb regelmäßig Geld an den Finanzmärkten leihen, um seine negative Handelsbilanz - die Differenz zwischen Import- und Exportwerten - auszugleichen. Immerhin können Dienstleistungen wie Tourismus und Schifffahrt das massive Defizit im Güterbereich abmildern. In letzter Zeit ist das Handelsdefizit kleiner geworden, weil die Griechen weniger importiert und mehr exportiert haben. 

Insgesamt hätte Griechenland durchaus die Kapazität, eine solide Exportnation zu sein. Allerdings behindern strukturelle Probleme den wirtschaftlichen Erholungsprozess: wahrscheinlich steigende Arbeitskosten, mangelnde Vielfalt der Exporte, fehlende Großunternehmen, fehlende Finanzierungsmöglichkeiten und eine nicht vorhandene nationale Exportstrategie.

Trotzdem scheint Griechenland auf dem richtigen Weg. Es muss strikte Ziele erfüllen beim primären Haushaltsüberschuss - ein Maß für die Regierungsfinanzen, das Kreditrückzahlungen ausklammert: 3,5 Prozent des BIP bis 2023 und 2,2 Prozent bis 2060, eine ambitionierte Verpflichtung. Für das laufenden Jahr erwartet die griechische Regierung einen Primärüberschuss von 3,8 Prozent des BIP.

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