Ist eine Rückkehr zur D-Mark sinnvoll?
5. Januar 2011Das neue Jahr fängt dort an, wo das alte aufgehört hat. Bereits in ihrer Neujahrsansprache mahnt die Bundeskanzlerin, den Euro zu stärken, denn "Europa steht in diesen Monaten inmitten einer großen Bewährungsprobe".
Angela Merkel weiß, wovon sie spricht. 2011 werden die Euroländer so viele frische Kredite aufnehmen müssen wie nie zuvor. 560 Milliarden Euro werden es insgesamt werden. Die hektisch geschnürten Rettungspakete für Griechenland und Irland haben die Finanzmärkte nicht beeindruckt - im Gegenteil: Sie verlangen immer höhere Risikoprämien für Staatsanleihen klammer Euroländer und spekulieren auf die nächsten Pleitekandidaten Portugal und Spanien.
Tabuloser Diskurs
"Spätestens bei Spanien erreichen wir die Grenze des finanziell Tragbaren", sagt der Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber. Er fordert einen tabulosen Diskurs über die verschiedenen Optionen, wie mit einem Scheitern der Währungsunion in der jetzigen Form umgegangen werden soll. In Deutschland denken einige Ökonomen bereits laut über die Wiedereinführung der D-Mark nach.
Als bekennender Europaoptimist wünscht sich der Darmstädter Ökonom Volker Nitsch keineswegs ein Auseinanderbrechen der Währungsunion, doch stört ihn an der ganzen Debatte, dass die Einheitswährung von Politikern als alternativlos dargestellt wird, weil im Falle eines Scheiterns die Kosten untragbar wären: "Das Problem an dieser Geschichte ist, dass man damit alles abbügeln kann und jeden Schritt, der die Europäische Währungsunion am Leben hält, damit rechtfertigen kann, dass man sagt, die Kosten wären nicht abschätzbar", sagt Nitsch. Diese Argumentation könne er nicht nachvollziehen.
69 gescheiterte Währungsunionen
Nitsch muss es wissen, schließlich hat er über gescheiterte Währungsunionen nach dem Zweiten Weltkrieg geforscht, und er stellt fest, "dass viel mehr Währungsunionen auseinandergebrochen sind als neu gegründet wurden."
Insgesamt wurden 69 Währungsehen zwischen 1948 und 2007 geschieden, ohne dass die Welt für die betroffenen Länder zusammengebrochen ist. Der renommierte US-Ökonom Barry Eichengreen, der sich bereits 2007 mit einer möglichen Spaltung oder einem Ende der Eurozone auseinandergesetzt hatte, bescheinigt Deutschland, dass es seine alte Währung wieder einführen könnte, ohne sich damit eine Finanzkrise einzubrocken.
Technische Kosten vernachlässigbar
Dass die Einführung einer neuen oder in diesem Falle einer alten Währung enorme Kosten verursacht, steht außer Frage. Da sind zuerst die technischen Kosten: neue Geldscheine drucken, Münzen prägen, Automaten und Kassen wieder auf die D-Mark umstellen. Doch gehören sie zu den einmaligen Kosten, die nach Meinung von Volker Nitsch vernachlässigbar seien.
Schwieriger wird es mit dem Wechselkurs. Das ist auch das Lieblingsargument der Gegner einer D-Mark-Rückkehr: Die Mark würde stark aufwerten, die Ausfuhr verteuern und somit der exportabhängigen deutschen Wirtschaft das Genick brechen. Auch das lässt Nitsch nicht gelten, denn "die deutschen Produkte sind so wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt, dass auf Dauer die Kosten überschaubar sein sollten". Manche Produkte würden nur in Deutschland hergestellt, und die werden sicherlich auch nachgefragt werden, wenn die D-Mark wieder eingeführt werden sollte, sagt Nitsch weiter.
Zudem würde durch eine teurere D-Mark der Import billiger. Da rund 40 Prozent der deutschen Exporte aus importierten Vorleistungen bestehen, würden die wechselkursbedingten Nachteile zum Teil wieder wett gemacht.
"Die Deutschen zahlen in ein Fass ohne Boden"
All' die Kosten und Verluste, die mit einer Wiedereinführung der D-Mark verbunden wären, wirken für viele Deutsche wie Peanuts im Vergleich zu den Summen, die für die Lösung der Eurokrise auf Deutschland zukommen würden. Bisher haben sich die Deutschen mit mehr als 30 Milliarden Euro an der Rettung Griechenlands und Irlands beteiligt. Dass es mehr wird, bezweifelt kaum einer. "Die Deutschen zahlen in ein Fass ohne Boden", schreibt der Wirtschaftswissenschaftler und bekannte Eurokritiker Wilhelm Hankel an Kanzlerin Merkel.
Nach dem Motto "lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende" könnte Deutschland die Rückkehr zur D-Mark ökonomisch verkraften. Doch was ist mit dem politischen Projekt der europäischen Integration? Wird dieser Prozess um Jahrzehnte zurückgeworfen, wenn Deutschland als das größte Euroland Fahnenflucht begeht? Diese Frage beantwortet Volker Nitsch mit einem eindeutigen "Ja": "Der Euro ist ja nicht isoliert eingeführt worden, er ist im Laufe eines langen Integrationsprozesses erfolgt, wo Handelsbarrieren abgebaut wurden, politische Annäherungsprozesse stattgefunden haben und ein gemeinsamer Binnenmarkt geschafft wurde." Wenn die gemeinsame Währung als ein Integrationsschritt einkassiert würde, würde der Integrationsprozess erst einmal zum Erliegen kommen, meint der Wissenschaftler an der TU Darmstadt.
Eine politische Abwägung
Ob Deutschland das in Kauf nehmen sollte, dazu will sich der Ökonom Nitsch nicht äußern: "Es ist letztlich eine politische Abwägungsfrage."
Denn auch das ist eine allgemeine Erkenntnis der Wirtschaftshistoriker: Währungsunionen werden immer aus politischen Gründen geschmiedet - und sie werden durch politische Entscheidungen beendet.
Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Rolf Wenkel