Ist es noch weit bis zur EU?
13. August 2004Nach dem Nato-Beitritt im Frühling 2004 rechnet Rumänien jetzt fest damit, dass Deutschland das Land für die ab 2007 angestrebte EU-Mitgliedschaft unterstützt. Dafür muss die sozial-demokratische Regierung des Ministerpräsidenten Adrian Nastase noch in diesem Jahr die letzten Verhandlungskapitel mit der EU abschließen. Erst kürzlich hatte sich der rumänische Staatspräsident Ion Iliescu zuversichtlich gezeigt, dass sein Land die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission bis Oktober dieses Jahres erfolgreich abschließen kann.
Sorgenkind Umwelt
Nicht alle rumänischen Politiker sind da so optimistisch. Aber der EU-Gipfel in Brüssel hat vor zwei Monaten klar eine Mitgliedschaft für Rumänien und Bulgarien zum 1. Januar 2007 in Aussicht gestellt. Deshalb hoffen auch die Pessimisten in Bukarest inzwischen, dass die Termine eingehalten werden. Leonard Orban, Staatssekretär im rumänischen Ministerium für EU-Integration, ist überzeugt, dass Rumänien die Fristen einhalten wird: "Es ist kein leichter Prozess. Aber wir wissen, dass die Verhandlungen mit der EU Schritt für Schritt zur Modernisierung Rumäniens führen." Die schwierigsten Aspekte, sagte Orban, beträfen beispielsweise die Kapitel Justiz, Umwelt und Wettbewerb.
Es ist klar, dass Rumänien seine Hausaufgaben machen muss, um die EU-Integration 2007 nicht zu gefährden. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, dass Rumänien den Reformprozess beschleunigt und nicht in der makroökonomischen Stabilisierung nachlässt. Nur so könne das Wirtschaftswachstum mittelfristig garantiert werden und die Einkommenslücke zwischen Rumänien und der EU auf Dauer verringert werden. Rumäniens Wirtschafts-Eckdaten sehen nicht schlecht aus: Seit drei Jahren liegt das Wachstum bei fünf Prozent und wird in diesem Jahr auf 5,6 Prozent geschätzt - die größte Wachstumsrate in den letzten 20 Jahren.
Positive Privatisierungen?
Auch im bisher nur schleppend verlaufenden Privatisierungsprozess kann Rumänien auf eine positive Wende hoffen: Die jüngste Übernahme des größten rumänischen Ölkonzerns Petrom durch die österreichische OMV - eine Investition von 1,5 Milliarden Euro - wird allgemein als Signal für weitere Privatisierungen großer rumänischer Staatsbetriebe gewertet.
Die Vertreter der deutschen Wirtschaft, die den Kanzler auf seiner Rumänien-Reise begleiten, werden sich die Lage genau ansehen. Mit rund 2000 staatlich kontrollierten Betrieben hat Rumänien mehr zu privatisieren als die anderen zentral-europäischen ex-kommunistischen Länder zusammen. Rumänien hofft jetzt auf mehr deutsche Investoren. Es gebe klare Profitmöglichkeiten in dem Land, sagt der rumänische Wirtschaftsexperte Ilie Serbanescu. "Bisher haben die deutschen Konzerne sich vor Großinvestitionen gescheut. Sie zogen es vor, Verträge mit staatlichen Firmen abzuschließen, bei denen sie sicher sein konnten, ihr Geld zu bekommen. Vor allem vor dem Hintergrund der EU-Integration Rumäniens. Die Spielregeln haben sich geändert", so Serbanescu.
Wahlhelfer Schröder
Der Kanzler-Besuch wird in Bukarest von den regierenden Sozialdemokraten nicht nur als Unterstützung zum EU-Beitritt, sondern auch als Wahlhilfe verstanden. Ende November 2004 sind Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Rumänien. Die PSD des Ministerpräsidenten Adrian Nastase liegt in allen Umfragen hinter der oppositionellen liberal-demokratischen Allianz. Der Stand der Sozialdemokraten ist schwer. Sie werden überwiegend für die flächendeckende Korruption verantwortlich gemacht, die bis in die
Spitze der Regierung reicht. Trotz Reformen im Justizwesen sind die "großen Fische", wie sie EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen mehrmals in Gesprächen mit rumänischen Spitzenpolitikern genannt hat, immer noch nicht ins Netz gegangen. Doch da wird auch der EU-Beitritt des Landes keine schnelle Änderung bringen, glauben die meisten Rumänen.