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Ist Europa noch zu retten?

Andreas Becker, Davos21. Januar 2016

Flüchtlingskrise, Terror, schwaches Wachstum – beim Weltwirtschaftsforum diskutierten europäische Spitzenpolitiker über die zahlreichen Probleme und zeichneten ein düsteres Bild. Aus Davos berichtet Andreas Becker.

Panel "The Future of Europe" (Foto: Reuters/R. Spich)
Bild: Reuters/R. Spich

Es war ein düsteres Bild, das der französischer Premierminister Manuel Valls beim Weltwirtschaftsforum in Davos zeichnete. "Das europäische Projekt kann schon bald tot sein", sagte Valls, "nicht in ein paar Jahrzehnten oder Jahren, sondern sehr bald."

Entscheidend sei, dass Europa einen gemeinsamen Weg finde, die Sicherheitsprobleme durch Terrorismus in den Griff zu bekommen. Und auch die Flüchtlingsproblematik könne nur gemeinsam bewältigt werden. Die einseitige Ankündigung Österreichs, seine Grenzen zu schließen, zeigte allerdings erneut deutlich, wie uneins die Europäer derzeit sind.

Dabei dränge die Zeit, sagte der niederländische Premierminister Mark Rutte. "Wir haben nur noch sechs bis acht Wochen, die Zuwanderung in den Griff zu bekommen", sagte Rutte.

Im Januar des vergangenen Jahres seien 1600 Flüchtlinge nach Europa gekommen, in den ersten drei Wochen dieses Jahres seien es bereits 35.000, so Rutte. "Wenn der Frühling kommt, steigen die Flüchtlingszahlen drastisch an - und das schaffen wir einfach nicht mehr."

Marshallplan für den Nahen Osten

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schlägt Milliardeninvestitionen vor - und zwar in den Regionen, aus denen die Flüchtlinge kommen. Dies könne zu beiträgen, "den Druck auf die europäischen Außengrenzen so zu verringern, dass Europa nicht zu einer Festung wird". Das nämlich wäre eine Schande für Europa, sagte der griechische Premierminister Alexis Tsipras.

Auf die finanziell ohnehin belasteten Europäer kommen somit erneut hohe Kosten zu. "Das wird sehr viel mehr kosten, als wir uns bisher klar gemacht haben", sagte Schäuble. "Wir haben bisher gedacht, die Probleme im Nahen und Mittleren Osten und in Afrika sind eigentlich nicht unser Problem. Jetzt aber stellen wir fest: Es ist unser Problem. Unser europäisches Problem."

Das alles sieht Schäuble jedoch nicht als Gelegenheit, vom Spar- und Reformkurs abzurücken, den er seit Jahren propagiert. "Meine Sorge ist, dass wir alle in Europa die Herausforderungen durch das Tempo der globalen Entwicklung unterschätzen."

Mehr Reformen, mehr Wettbewerb

Auch der niederländische Premier Rutte forderte eine weitere Reformen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zwei Drittel der europäischen Wirtschaft seien noch nicht liberalisiert, sagte er, in der digitalen Wirtschaft, im Energiesektor, bei Dienstleistungen, geschützten Berufen und im Kapitalmarkt gebe es noch viele Beschränkungen. Würden die abgebaut und ein wirklich einheitlicher europäischer Markt geschaffen, würde sich die Wirtschaftsleistung Europas um 1,25 Billionen Euro erhöhen - das entspricht fast dem doppelten Bruttoinlandsprodukt der Niederlande.

Das war eine Vorlage für den britischen Premierminister David Cameron, der in Davos einmal mehr betonte, wie nötig Reformen sind. "Wir hinken gegenüber den USA hinterher, was Technologie und Produktivität angeht. Wir sollten die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und Volkswirtschaften vergrößen, nicht verringern."

Cameron sagte, er hoffe auf eine Einigung über Reformen bis zum nächsten EU-Gipfel im Februar. Wenn dann "ein guter Deal auf dem Tisch liegt, nehme ich ihn", sagte er. Und nur dann werde er auch mit aller Kraft für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union kämpfen.

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