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Ist Hamburg Feuer und Flamme?

Alexander Drechsel23. Februar 2015

Politiker, Wirtschaft, Künstler und Verbände – sie wollen Olympia und Paralympics im Sommer 2024 nach Hamburg holen. Aber tragen auch die Bürger die Idee mit? Das soll jetzt eine Umfrage beantworten.

Hamburg Olympia olympisches Alsterfeuer
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Den Einwohnern Hamburgs sagt man Understatement nach. Prahlerei und Gigantismus seien für sie eigentlich keine typischen Charakterzüge. Befragt man die Bürger der zweitgrößten deutschen Stadt aber zu ihrer Heimat, dann bricht sich glühender Lokalpatriotismus Bahn. Die Hanseaten sind stolz auf ihre alte Hafen- und Kaufmannsstadt und zeigen das auch. Mit den Flüssen Elbe und Alster, den vielen Brücken, den weiten Parkanlagen, den vielen Straßenbäumen und zahlreichen schicken weißen Wohnhäusern sei es einfach die schönste Stadt Deutschlands, sagen viele der 1,8 Millionen Hamburger dann doch ganz unbescheiden. Da ist von der Amüsiermeile Reeperbahn mit ihren Bars, Diskos, Nachtclubs, Varietees und Theatern oder den anderen Freizeitmöglichkeiten in der Stadt noch gar nicht die Rede.

Acht Prozent der Fläche Hamburgs sind Wasser: Die Alster durchzieht Arbeiter- und Edelwohnviertel mit Kanälen und Seitenarmen, bevor sie in der Innenstadt zu einem großen und einem kleinen See aufgestaut wird, um schließlich in der Elbe zu münden. Segler, Ruderer und Kajakfahrer gehören zum Stadtbild. Auf der Trabrennbahn, im Derby Park und in Gestüten am Stadtrand trainieren Renn-, Dressur- und Springreiter. Auch Deutschlands erfolgreichste Hockeyclubs haben in Hamburg ihre Heimat. Mehr als 80 Prozent der Hamburger bezeichnen sich als sportlich aktiv. Und auch wenn die Fußball-Proficlubs der Stadt, HSV und FC St. Pauli zurzeit alles andere als erfolgreich sind, so ist Hamburg zweifellos eine Sportstadt - und das wollen die Hamburger auch der Welt zeigen: als Olympiastadt 2024.

Ruderer auf der Hamburger AußenalsterBild: picture-alliance/dpa/U. Perrey

Hamburg will Olympia 2024

Seit etwa einem Jahr wirbt ein breites Bündnis aus Politik, Wirtschaft, Sportverbänden und Kulturschaffenden mit dem Motto "Wir sind Feuer und Flamme, weil Hamburg nur gewinnen kann" für die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2024. Die Lokalgröße Corny Littmann ist einer der Unterstützer. Der Mitbegründer des Schmidt-Theaters an der Reeperbahn und ehemalige Präsident des populären Fußballvereins FC St.Pauli verweist darauf, dass für die Olympiabewerbung sogar traditionelle Animositäten überwunden werden: "Die Kulturschaffenden in Hamburg haben sich überraschenderweise einig gezeigt wie nie zuvor. Sowohl die Theaterschaftfenden als auch die Musikerinnen und Musiker haben alle miteinander erklärt, sie seien unbedingt für die Olympischen Spiele in Hamburg - unter dem Motto 'Bühne frei für Olympia'."

Corny LittmannBild: DW/A. Drechsel

Noch ist der Bühnenvorhang aber geschlossen. Denn Hamburg konkurriert vorerst mit Berlin darum, als deutscher Kandidat ins olympische Rennen geschickt zu werden. Am 16. März will das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) eine der beiden Städte empfehlen. Ausschlaggebend für die endgültige Entscheidung ist der Rückhalt in der Bevölkerung. Deshalb soll es auf jeden Fall bei dem bevorzugten deutschen Kandidaten in diesem Herbst noch einen Volksentscheid geben, bevor die Bewerbung beim IOC eingereicht wird. Deutschland will nicht noch einmal eine Blamage wie 2012 erleben, als München sich für die Winterspiele beworben hatte und die Bürger in einem Volksentscheid gegen den Bau von Olympiastätten stimmten.

Angst vor hohen Kosten

Und tatsächlich regt sich auch in Berlin und in Hamburg Kritik an den Olympiaplänen. In der Hansestadt wird sie vor allem mit der unklaren Kostenlage und der Politik des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) begründet. Wie zuvor in München hat sich auch in Hamburg eine Initiative "NOlympia" gegründet, die die Pläne der Stadt für 2024 kritisch beobachtet. Mitinitiatorin Nicole Vrenegor stört sich vor allem daran, dass die Hamburger Stadtregierung, der Senat, keien genauen Angaben über die Kosten auf den Tisch legt: "Der Senat verweigert derzeit, überhaupt Zahlen zu nennen." Grob gebe es die Summe von zwei Milliarden Euro für die olympischen Wettkampfstätten, die neu gebaut werden müssten. "Ich zweifle an, dass diese zwei Milliarden reichen werden, weil allein ein Olympiastadion mindestens 300 Millionen Euro kostet. Die Kosten können aber wie im Fall von Sydney [Anm. d. Red.: Dort wurden im Jahr 2000 die Sommerspiele ausgetragen] auf bis zu eine Milliarde explodieren", sagt Vrenegor. "Mit zwei Milliarden Gesamtkosten für alle Wettkampfstätten kommen wir meines Erachtens in Hamburg nicht aus."

Auf einem Hafengelände soll das Olympiastadion gebaut werdenBild: Computeranimation: Gerkan, Marg und Partner (gmp), Büro Gärtner und Christ/dpa

Was ist Olympia und was Stadtentwicklung?

Die Erfahrungen mit der so genannten "Elbphilharmonie", einem Konzerthaus, das an der Grenze zwischen Innenstadt und Hafen gebaut wird, treiben die Kritiker um. Ursprünglich sollte der Prestigebau den Stadthaushalt mit 77 Millionen Euro belasten. Mittlerweile sind die Kosten auf 789 Millionen Euro explodiert.

Hamburgs Innensenator Michael Neumann versucht zu beruhigen: Die Städteplaner hätten aus dem Fiasko gelernt, Vergleichbares werde es beim Bau olympischer Stätten nicht noch einmal geben. Er räumt aber auch ein, dass es zum jetzigen Zeitpunkt schwer sei, einen Kostenrahmen für Olympische Spiele und Paralympics 2024 in Hamburg zu nennen. Neumann gibt zu bedenken, dass Kosten häufig nicht klar zuzuordnen seien: "Ist zum Beispiel das Olympische Dorf, das wir für 100 Jahre bauen, weil dort 100 Jahre lang Menschen leben werden, ein Kostenfaktor, der zu Lasten von Olympia geht? Oder ist Olympia nicht viel mehr der Anlass, endlich noch mehr Wohnungen in Hamburg zu bauen?"

Egal wie gerechnet wird, die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 würden viel Geld kosten. Sollte Hamburg den Zuschlag erhalten, hat sich die Stadt viel vorgenommen. So soll ein ganzes Hafengelände - nur zehn Gehminuten vom Rathausmarkt entfernt - umgebaut werden. Die Hafenbetriebe würden umgesiedelt und an ihrer Stelle neben dem Olympischen Dorf für 15.000 Sportler auch das Olympiastadion für 70.000 Zuschauer, eine Olympiahalle für Turnen und Basketball sowie eine Olympia-Schwimmhalle entstehen. Nach den Spielen sollen das Dorf in 3000 Wohnungen umgewandelt, das Stadion auf 20.000 Plätze zurückgebaut und die Halle in ein Terminal für Kreuzfahrtschiffe umgebaut werden.

Nicht mehr als zehn Kilometer

Falls die Spiele 2024 nach Hamburg kämen, würden nach dem bisherigen Konzept auch vorhandene Sportstätten genutzt: Im Fußballstadion des 1. FC St. Pauli soll Hockey gespielt werden, in den Messehallen könnten Judo- und Boxkämpfer sowie Ringer, Badminton-, Tischtennis- und Volleyballspieler ihre Wettkämpfe austragen. Am Hamburger Rothenbaum soll Tennistradition wiederbelebt werden. Spring- und Dressurreiter kämen im Derby Park Klein Flottbeck unter. Rudern soll auf einem ruhigen Nebenarm der Elbe und Segeln an der Ostsee in Lübeck, Kiel oder Rostock ausgerichtet werden. Insgesamt sollen die derzeit 41 olympischen Sportarten der Sommerspiele an fast 20 Orten stattfinden. Bis auf Segeln sollen alle anderen Wettkämpfe maximal zehn Kilometer vom Olympischen Dorf entfernt ausgetragen werden. Viele Austragungsstätten sollen sogar zu Fuß erreichbar sein.

Hamburg ist Deutschlands HockeyhochburgBild: Imago/Tischler

Für den Einzug der Athletinnen und Athleten haben sich die Planer auch etwas Besonderes einfallen lassen: Sie sollen in kleinen und großen Hafenfähren über die Elbe in die Stadt einfahren und am Ufer von begeisterten Olympiabesuchern empfangen werden. Die Idee entstand nach den Olympischen Sommerspielen 2012. Seinerzeit fuhr ein Großteil der deutschen Olympiamannschaft auf dem Kreuzfahrtschiff "MS Deutschland" von London zurück nach Hause, wo Zehntausende Menschen den Sportlerinnen und Sportlern bei ihrer Ankunft an den Hamburger Landungsbrücken einen unvergesslichen Empfang bereiteten.

Begeisterter Empfang in Hamburg nach London 2012Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt

Hamburger begeisterungsfähig

In jenem Sommer bewiesen die Hamburger erneut, dass ihnen zu Unrecht ein weiterer Wesenszug nachgesagt wird: Unterkühltheit. Auch am vergangenen Wochenende waren die Hamburger alles andere als emotionslos: 20.000 Menschen stellten sich abends an die Ufer der Binnenalster, um mit Laternen, Kerzen und Fackeln zu zeigen, dass sie Feuer und Flamme für Olympia sind.

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