Ist "Homeoffice" schon wieder Geschichte?
8. Juni 2017Das Konzept des "Homeoffice", also von zu Hause aus arbeiten zu dürfen, hat ein zweifelhaftes Image: Nehmen Sie die Cartoon-Serie "Die Simpsons". Da arbeitet die Titelfigur Homer Simpson, Sicherheitsinspektor eines Atomkraftwerks, vom heimischen Sofa aus. Weil er aber ziemlich faul und ausgesprochen schlecht organisiert ist, verschuldet er beinah eine Kernschmelze bei seinem Arbeitgeber.
Während der Klatsch auf den Büro-Fluren über die Kollegen, deren Arbeitseifer seitdem sie "homeoffice-machen" doch arg nachgelassen hat, nicht abreißen will, hat der technische Fortschritt, der dieses Arbeitsmodell erst ermöglicht, riesige Fortschritte gemacht. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die technischen Möglichkeiten der Telekommunikation genauso weiter entwickelt wie die Ansprüche der Arbeitnehmer an eine bessere "work-life-balance" und so die Nachfrage nach dieser Form der Heimarbeit steigen lassen.
Deutschland hinkt hinterher
Diese hierzulande noch immer neue Form der Heimarbeit, bei der sich nicht alle Mitarbeiter täglich an einem Platz versammeln müssen, schien eine immer wichtigere Form der Arbeitsorganisation zu werden. Doch als der US-amerikanische Internet-Riese Yahoo 2013 seine Mitarbeiter ganz unerwartet wieder in die Büros beorderte, sah diese Zukunft plötzlich nicht mehr so rosig aus.
Während die Zahl der "Heimarbeiter" insgesamt noch immer weiter zunahm, sind einige andere große Firmen dem Beispiel von Yahoo gefolgt. Gerade erst hat der in den USA ansässige multinationale High-Tech-Konzern IBM, ein Pionier bei dieser Form der Arbeitsorganisation, seine "Heimarbeiter" aufgefordert, in die Büros zurückzukehren oder die Firma gleich ganz zu verlassen.
Da stellen sich interessante Fragen zur Zukunft der Heimarbeit -besonders in Deutschland, wo die Arbeit im Homeoffice längst nicht so selbstverständlich ist wie in anderen, vergleichbaren Gesellschaften. Laut einer OECD-Studie aus dem Jahr 2015 arbeiteten in Deutschland nicht einmal 15 Prozent der Arbeitnehmer von zu Hause aus - das waren fast zehn Prozent weniger als im OECD-Durchschnitt und weit hinter Ländern wie Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Schweden, in denen zwischen 25 und 40 Prozent der Arbeitnehmer regelmäßig von zu Hause aus arbeiteten.
Bequemer und effizienter?
Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) weist gegenüber der DW darauf hin, dass hierzulande noch immer eine eher "traditionelle Management-Philosophie" herrsche. So würden noch immer viele Chefs darauf bestehen, dass ihre Angestellten auch in ihrer Nähe sind. Es werde Präsenzpflicht vorausgesetzt und gleichzeitig den abwesenden Kollegen misstraut.
Fragt man allerdings einige der deutschen "Heimarbeiter", hört man viel Gutes über dieses Arbeitsmodell. Matthias Rauter etwa, der in der Kommunikationsabteilung von Porsche arbeitet, schwärmt von seinem Zuhause - eine Umgebung, die ihn bei seiner Arbeit inspiriere. Er arbeite dort eindeutig effizienter. Marc Heitzmann, der 33-jährige arbeitet für eine kleine Sport-Agentur in Berlin, hält die Anwesenheitspflicht in einem Büro sogar für "kontraproduktiv"
Es gibt viele Hinweise dafür, dass die Nachfrage nach Homeoffice-Arbeit in Deutschland ungebrochen ist. Eine Untersuchung des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2016 belegt, dass ein Drittel der Arbeitnehmer gern von zu Hause aus arbeiten würde und zwei von drei Befragten, die diese Möglichkeit noch nicht gehabt hatten, sich ein solches Angebot wünschen würden. Die Studie legt nah, dass es für fast 40 Prozent der eutschen Angestellten möglich wäre, ihre Arbeit wenigstens teilweise im eigenen Heim zu erledigen - weit mehr jedenfalls, als es bislang der Fall ist.
Gleichzeitig zeigt die Erhebung, dass es seitens der Arbeitgeber und der Vorgesetzten eine ausgeprägte Abneigung gegen die "Heimarbeit" gibt, sogar in Fällen, in denen es keinen zwingenden Grund gibt, den Arbeitnehmer ausschließlich "im Büro" arbeiten zu lassen. Für Karl Brenke, einen Mitautor der Studie, ist die deutsche Arbeitsorganisation irgendwo "in der Steinzeit" steckengeblieben.
Bürokratische Hemmnisse
Aber ist diese Einschätzung wirklich fair? Die Deutsche Welle hat sieben große deutsche Gesellschaften verschiedener Branchen gefragt, wie ihre Hauspolitik im Sachen "Homeoffice" ist. Allen Antworten gemein war der Hinweis auf die strengen deutschen Arbeitsschutzgesetze, diese stellten eine gewisse "Herausforderung" bei der Flexibilisierung der Arbeit dar. Alle sieben befragten Firmen gaben aber an, sie sähen vielfältige Chancen, wenn ihre Mitarbeiter wenigstens teilweise von zu Hause arbeiten könnten.
Die richtige Balance finden
Es gibt also noch immer einen großen Enthusiasmus in Deutschland für die Idee der Heimarbeit - doch "stationär", also im Büro, geleisteten Arbeit wird ebenfalls noch immer ein hoher Wert beigemessen.
Johanna Weber vom Versicherungskonzern Munich Re etwa sagt, dass noch immer viele Angestellte auf den regelmäßigen Austausch mit den Kollegen nicht verzichten wollen. Werner Eichhorst vom IZA sieht einerseits die Vorteile für die Kreativität im Betrieb, wenn die Kollegen im Büro einander sehen und warnt andererseits vor einer möglichen Isolation eines Mitarbeiters, der allein zu Hause sitzt und arbeitet.
Offensichtlich ist noch kein Ausgleich zwischen diesen Positionen gefunden. Doch scheint der deutsche Arbeitsmarkt robust genug, dass in den kommenden Jahren eine Balance gefunden werden könnte. Dafür sprechen jedenfalls die Wüsche der Arbeitnehmer und die Zeichen, die die Arbeitgeber aussenden.
Es sind noch längst nicht alle Konflikte ausgetragen und gelöst, wie die Beispiele von Yahoo und IBM zeigen. Doch das Arbeiten von zu Hause wird eine wichtige Rolle in der Zukunft der Arbeit spielen, sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern.