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Politik

Ist Macron die neue Merkel?

7. Januar 2018

Bundeskanzlerin Angela Merkel war es gewohnt, in Europa die Führungsrolle zu übernehmen. Allmählich macht sie ihr Frankreichs Präsident Emmanuel Macron streitig. Doch beide brauchen einander.

Angela Merkel Emmanuel Macron Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/M.Sohn

Angela Merkel spielte jahrelang die erste Geige in Europa, niemand stellte das infrage. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA sahen sie einige englischsprachige Zeitungen sogar als "Anführerin der freien Welt".

Das galt bis vor ein paar Monaten. Seit der Bundestagswahl im September musste Merkel mit ihrer Partei CDU nicht nur starke Stimmenverluste hinnehmen. Die nur noch kommissarisch amtierende Kanzlerin hat es auch noch immer nicht geschafft, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. Merkel als Mrs Europa fällt erst einmal aus.

Auf der anderen Seite ist mit Emmanuel Macron ein neuer Stern am politischen Himmel aufgestiegen. Der junge, charismatische Macron ging als strahlender Sieger aus der Präsidentschaftswahl gegen die Rechtsaußen-Kandidatin Marine Le Pen hervor. Und dann gelang ihm auch noch das Kunststück, gegen große Widerstände den französischen Arbeitsmarkt zu reformieren. Gute Konjunkturdaten tun inzwischen ein übriges. Die zunächst sinkenden Umfragewerte gehen wieder nach oben. Zu Macrons 40. Geburtstag im Dezember sagte eine Mehrheit der Franzosen, dass er "ein guter Präsident" sei. Während ihm die Opposition vorwirft, "die Allüren eines Sonnenkönigs" zu haben, hatte Macron der Nation im Wahlkampf ganz unbescheiden eine "jupiterhafte Präsidentschaft" versprochen, sollte er gewinnen. Das ganze Land, das lange an sich selbst gezweifelt hat, scheint mit Macron wieder selbstbewusster geworden zu sein.

Mit Macron hat Frankreich wieder Selbstvertrauen zurückgewonnenBild: Getty Images/AFP/C. Triballeau

Souveräner Umgang mit den großen Jungs

Wo er innenpolitisch den Rücken frei hat, beherrscht Macron auch souverän die internationale Bühne: Einem glanzvollen Dinner mit Trump auf dem Eiffeltum und einem Empfang des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf Schloss Versailles folgten eine internationale Klimakonferenz in Paris, Initiativen zur Afrikapolitik und jetzt der Besuch des türkischen Präsidenten Recep Erdogan. "Er spielt wieder sehr stark die traditionelle Rolle der französischen Diplomatie, die sich weltweit engagiert und davon ausgeht, dass die Angelegenheiten auf der ganzen Welt Frankreich betreffen und Frankreich daran auch teilnehmen muss", so beschreibt Stefan Seidendorf, der stellvertretende Direktor des Deutsch-Französischen Instituts in Ludwigsburg, Macrons neue außenpolitische Linie, fügt aber hinzu, Macron vergesse dabei nie, dass er nur dann "Gewicht hat, wenn er als Europäer auftritt".  

Dennoch setzt sich Macron teilweise deutlich von seiner europäischen Wunschpartnerin Angela Merkel ab. Beispiel Erdogan: Forderte Merkel im September im Wahlkampf einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara wegen der Menschenrechtsverstöße, nennt Macron die Türkei einen "unverzichtbaren Partner". Ein Besuch Erdogans in Berlin wäre im Moment wohl schwer vorstellbar.

Kleiner Scherz am Rande: Macron hielt Trumps Hand einfach festBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Auch im Stil unterscheiden sich Merkel und Macron beim Umgang mit schwierigen Partnern: Merkel sucht zwar mit Trump, Putin oder Erdogan immer wieder das Gespräch, bleibt aber betont sachlich und lässt im Protokoll große Distanz erkennen. Macron versucht entweder, sie mit großem Bahnhof zu beeindrucken. Oder er kann geradezu kumpelhaft werden. Ein Händeschütteln mit Trump wurde fast zu einer kleinen Hakelei, weil Macron Trumps Hand gar nicht mehr losließ. Und dann forderte Macron Trump schlagfertig auf: "Make the planet great again." Mit der Anspielung auf sein eigenes Motto scheint Trump durchaus umgehen zu können, eingeschnappt war er jedenfalls nicht.

Eine Solorolle war für Europa immer schlecht

Das amerikanische Magazin "Time", das Merkel noch vor nicht allzu langer Zeit als "Frau Europa" bezeichnet hatte, nennt jetzt Macron den "nächsten Anführer Europas".

Doch Stefan Seidendorf meint, es sei in jedem Fall schlecht, wenn sich eine Person oder ein Land in Europa an die Spitze stelle: "Es ist immer die Gefahr, wenn ein Land diese Führungsrolle in der EU alleine übernehmen muss, dass dann die anderen nur widerwillig oder gar nicht mitgehen und dass im Grunde nationale Interessenpolitik gemacht wird und nicht europäische Politik." Daher seien sowohl Macron als auch Merkel gut beraten, gemeinsam diese Rolle zu spielen.

Statt "Kanzlerin der freien Welt" heißt es bei "Time" jetzt über Macron "Der nächste Anführer Europas"Bild: picture-alliance/AP Photo/Time Magazine

Macron strebt nach eigenem Bekunden eine Solorolle auch gar nicht an, sondern hat gesagt, er wolle zusammen mit Deutschland Europa erneuern. Aber er wartet noch immer auf Antwort auf seine europapolitischen Reformideen. Zum Beispiel will er einen Euro-Finanzminister und einen Haushalt für die Eurozone.

Merkel gibt sich dazu bedeckt, zeigt sich aber grundsätzlich offen. Innerhalb der CDU/CSU gibt es allerdings große Vorbehalte. CDU-Vize Julia Klöckner drückte kürzlich aus, was sie offenbar als wahren Grund hinter Macrons Initiativen sieht: "Wir sind gegen die Gemeinschaftsübernahme von Schulden anderer Länder. Das sind wir unseren Steuerzahlern schuldig." Claire Demesmay, Frankreichexpertin von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik bestätigt, es sei "ein weitverbreitetes Gefühl in Deutschland" und nicht nur bei Union und FDP, Deutschland solle für Frankreich zahlen. Doch noch stellen sich solche Einzelfragen gar nicht. Solange Merkel keine neue Regierung gebildet hat, kann sie Macron auch keine Zusagen machen - und überlässt ihm damit das diplomatische Feld.   

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