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SportGlobal

Ist Olympia in Paris das Richtige für Kinder-Sportler?

Jonathan Harding
25. Juli 2024

Bei den Olympischen Spielen in Paris wird eine elfjährige Sportlerin starten. Ist es aus wissenschaftlicher Sicht verantwortbar, dass Kinder an Wettbewerben auf Spitzenniveau teilnehmen?

Fay De Fazio Ebert mit Goldmedaille hält bei der Siegerehrung der Pan American Games 2023 eine kanadische Fahne hoch
Die kanadische Skaterin Fay De Fazio Ebert ist mit 14 Jahren zu jung für die Jugendspiele, aber alt genug für eine Olympia-TeilnahmeBild: Frank Gunn/IMAGO/ZUMA Press

Die chinesische Skateboarderin Zheng Haohao ist elf, die indische Schwimmerin Dhinidhi Desinghu und Kanadas Skateboarderin Fay De Fazio Ebert 14, die US-Turnerin Hezly Rivera und 400-Meter-Läufer Quincy Wilson sind 16 Jahre alt. Sie alle starten bei den Olympischen Spielen in Paris und befeuern die Diskussion, welche Auswirkungen Spitzensport auf sehr junge Sportlerinnen und Sportler hat.

"Die Jugend ist eine sehr instabile Phase, physisch, physiologisch, kognitiv und psychosozial. Wenn man dann noch die Anforderungen des Leistungssports auf Weltklasseniveau hinzufügt, stellt sich die Frage, wie man das erfolgreich bewältigen kann", sagt Michael Bergeron. Der US-Sportwissenschaftler berät das Internationale Olympische Komitee (IOC), wenn es um die sportliche Entwicklung junger Athletinnen und Athleten geht. "Man kann nicht vorhersehen, was passieren wird. Es geschieht nicht bei jedem Kind auf die gleiche Weise, zur gleichen Zeit, im gleichen Tempo, im gleichen Ausmaß."

Körperliche und geistige Entwicklung

Bergeron leitete kürzlich eine Studie über junge Menschen im Leistungssport. Die Ergebnisse sollen im Laufe des Jahres veröffentlicht werden. Die Studie zielte darauf ab, einerseits die körperliche und geistige Entwicklung der Heranwachsenden zu berücksichtigen und andererseits Elemente zu beeinflussen, die veränderbar sind, zum Beispiel die Trainingsintensität.

"Es ist verrückt", sagt Hezly Rivera darüber, dass sie die jüngste US-Turnerin in Paris ist, freut sich aber darauf: "Es wird ein tolles Erlebnis"Bild: Steven Garcia/IMAGO/ZUMA Press Wire

Vor dem Hintergrund der weltweit boomenden Jugend-Sportindustrie wollen Bergeron und sein Team erreichen, dass dieser ganzheitliche Ansatz zum Standard im Spitzensport wird.

"Dieser Konsens ist kein Rezept für den Gewinn von Olympiamedaillen. Er ist ein Rahmen, der jedem beteiligten jungen Menschen die besten Chancen bietet, als Kind, als Mensch und als Sportler erfolgreich zu sein", sagt Bergeron der DW.

Gesundheitliche Bedenken bei sehr jungen Spitzensportlern 

Anders als bei den Olympischen Jugendspielen, bei denen die Teilnahme auf 15- bis 18-Jährige beschränkt ist, gibt es bei den Olympischen Spielen in Paris keine Altersgrenze, die für alle 32 Sportarten gilt. Vielmehr entscheidet der Dachverband jeder einzelnen Sportart, ob es eine Altersgrenze geben soll. So liegt sie im Turnen bei 16 Jahren, im Wasserspringen bei 14 Jahren.

Die Wachstumsschübe bei jungen Sportlerinnen und Sportlern kommen zu unterschiedlichen Zeiten. Manche haben mit 16 Jahren ihre endgültige Körpergröße erreicht, andere erst mit 21 Jahren. Doch eine voll entwickelte Statur ist nicht gleichbedeutend mit einem voll ausgewachsenen Knochenbau.

Ein Kind unter Männern: Der 16-jährige Quincy Wilson (l.) bei den Olympia-Ausscheidungswettkämpfen der US-LeichtathletenBild: Christian Petersen/Getty Images/AFP

"Wir haben die sogenannten Apophysen", erklärt Sean Cumming, der sich an der Universität der britischen Stadt Bath mit den Auswirkungen von Leistungssport während der Kindheit und Jugend beschäftigt. "Die Apophysen sind die Stellen, an denen die Sehnen am Knochen ansetzen. Wenn das Kind wächst, sind diese Stellen etwas empfindlicher. Wenn eine übermäßige Spannung auf diese Stelle ausgeübt wird, kann sich der Knochen entzünden, was Schmerzen und Probleme verursacht. Solche Stellen sind selbst bei Frühentwicklern erst im Alter von 21 oder 22 Jahren vollständig ausgewachsen. Wenn man mit jungen Sportlern arbeitet, muss man also wirklich vorsichtig sein, was die Belastung der Apophysen angeht."

Psychische Herausforderung für junge Aktive bei Olympia

Rosemary Purcell ist Professorin am Zentrum für psychische Gesundheit von Jugendlichen an der australischen Universität Melbourne und hat sich auf psychische Gesundheit im Spitzensport spezialisiert. Das psychologische Bild sei alles andere als einfach, sagt die Wissenschaftlerin der DW. 

Bei Sportarten, in denen geringes Gewicht einen Vorteil bringt, kommt es häufiger zu EssstörungenBild: IMAGO/HalfPoint Images

"Ich glaube, es gibt ziemlich große Unterschiede zwischen dem, was wir in der Bevölkerung und bei jugendlichen Spitzensportlern beobachten. In einigen Sportarten gibt es bei jungen Aktiven höhere Raten an Essstörungen und an gestörten Wahrnehmungen des eigenen Körpers. Umgekehrt haben sie aber vielleicht niedrigere Raten an Depressionen und Angstzuständen, als wir sie in der Gesellschaft sehen."

Die Wissenschaftlerin sieht einen Mentalitätswechsel bei jungen Menschen. Diese seien sich "der Probleme der psychischen Gesundheit sehr bewusst, manchmal sogar zu sehr. Sie werden die Diskussion verändern, weil sie in einem ganzheitlicheren Licht gesehen werden wollen."

Fixierung auf Medaillen setzt falsches Signal

Doch der Wandel müsse auch von oben kommen, findet Cath Bishop. Als Ruderin gewann sie 2004 in Athen olympisches Silber. Heute ist die Britin Autorin und Beraterin. "Wir haben Trainer lange Zeit einzig nach dem Maßstab belohnt oder entlassen, ob sie Medaillen gewonnen haben und nicht danach, wie gut sie die jungen Aktiven behandelt haben", sagt Bishop der DW. "Es sind also die Vorgaben, die ihr Verhalten verzerren."

Auch das IOC trägt einen Teil der Verantwortung, indem es bei Olympia neue Sportarten einführt, die bei jungen Menschen attraktiv sind. Sie sollen davon überzeugt werden, dass die Möglichkeit, bei den Olympischen Spielen zu starten, Zeit und Aufwand wert sind. Die damit einhergehenden Risiken für die körperliche und geistige Entwicklung junger Menschen werden gerne verschwiegen.

Die frühere Top-Athletin Bishop fordert ein Umdenken. "Wir gewinnen eine Medaille und schädigen eine Person. Und auf dem Weg dorthin schädigen wir womöglich weitere Leute. Welcher soziale Wert besteht darin? Es ist ziemlich negativ", meint Bishop. "Ich denke, man sollte anfangen, Medaillen zu hinterfragen. Im Grunde haben wir sie gekauft. Wir haben Millionen von Pfund bezahlt und dabei Menschen geschädigt. Macht uns das besser?"

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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