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IT-Branche will Vertrauen zurückgewinnen

Henrik Böhme (z.Zt. Hannover)10. März 2014

Wie kann Europas digitale Wirtschaft den Rückstand zum Silicon Valley aufholen? Und vor allem: Wie lässt sich verlorenes Vertrauen wiederherstellen? Die Cebit bietet derzeit eine Plattform für diese Fragen.

CeBIT 2014 in Hannover Überwachungskamera
Bild: Getty Images

Besseres Wetter gab es wohl noch nie zu einer Cebit: Die Sonne strahlt über dem Messegelände in Hannover, die Temperaturen sind frühlingshaft. Ob das allerdings ausreicht, die weltgrößte Computermesse zu einem Erfolg zu machen, muss sich erst noch zeigen. Denn die Veranstalter setzen erstmals komplett auf Geschäftskunden und Fachbesucher - und richten die Messe damit neu aus. Privatanwender sind zwar noch willkommen, werden aber nicht wirklich etwas finden, das sie interessiert. Es soll vor allem um das IT-Business gehen, um Produkte und Services für Unternehmen, um die Analyse großer Datenmengen, die Verschmelzung von industrieller Fertigung mit dem Internet - und um das große Thema Datensicherheit.

"Wir müssen uns ranhalten!"

Das waren auch die Themen, für die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Messerundgang am Montag (10.03.2014) besonders interessierte. Für Deutschland sei die ganze Welt der Anwendungen extrem wichtig, so die Kanzlerin: "Wir sind als 'klassisches' Industrieland - mit einem Anteil der Industrie an der Wertschöpfung von über 20 Prozent - natürlich darauf angewiesen, dass diese Industrie mit der Software besonders gut verschmilzt." Die Cebit zeige, dass man an vielen Stellen recht gut sei, "aber wir müssen uns ranhalten, dass nicht andere besser sind, und an einigen Stellen müssen wir sogar aufholen."

CeBIT - digitale Grenzen abbauen

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In der Tat: Der weltweite Markt für Informationstechnologie und Telekommunikation (ITK) wird in diesem Jahr wohl auf drei Billionen Euro wachsen - ein Plus von 4,5 Prozent. Das ist mehr als das vorhergesagte weltweite Wirtschaftswachstum und macht deutlich, wie wichtig die Branche mittlerweile ist. Auch in Deutschland wird der Umsatz zulegen, nicht so kräftig, aber nach der Schätzung des Industrieverbandes Bitkom immerhin um 1,7 Prozent.

Made in Germany gefragt

Die Deutschen bräuchten sich keineswegs zu verstecken, sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder: IT-Produkte "made in Germany" seien sehr gefragt. "Die deutsche IT-Sicherheitsbranche ist sehr stark. Und wir sind in einigen technologischen Bereichen - also im Angebot von Lösungen, Produkten und Geräten - auch gut." Dies gelte insbesondere für alle "embedded technologies", also für "die eingebundene IT an der Schnittstelle zum Maschinenbau, zum Anlagenbau, zur Elektrotechnik, zur Medizintechnik. Da sind wir herausragend und brauchen uns auch international vor niemanden zu verstecken", so Rohleder im DW-Gespräch.

Im weltweiten Ranking findet sich Deutschland auf Platz fünf, hinter den USA, China, Japan und Brasilien. Kein schlechter Platz, findet Martina Koederitz, die Chefin von IBM Deutschland. Sie präsentierte der Kanzlerin beim Standbesuch ein gemeinsames Forschungsprojekt von IBM mit dem Autozulieferer Continental. "Der IT-Markt in Deutschland gehört zu den Top fünf in der Welt. Und deswegen sind wir als IBM weiter stark präsent und investieren in unser Entwicklungslabor in Böblingen." Gerade bei Projekten wie dem mit Continental zeige sich, "dass Deutschland eine wunderbare Plattform bietet, die klassische Industrie mit der IT zusammenzuführen."

Schaut genau hin: Angela Merkel gemeinsam mit Premier David Cameron auf der CebitBild: Reuters

Europa vs USA

Doch trotz aller Euphorie, die in Hannover spürbar ist: Die Branche hat gleich mehrere Probleme. Der schwere Vertrauensverlust durch die NSA-Affäre und die Enthüllungen Edward Snowdens - und der große Rückstand deutscher und europäischer IT-Firmen zu den meist in den USA beheimateten Konzernen wie Microsoft oder Google.

Diesen Abstand verringern, das will auch die Software AG, ein Unternehmen aus Darmstadt mit weltweit 5200 Mitarbeitern, das Produkte zur Analyse großer Datenmengen anbietet: Vorstandschef Karl-Heinz Streibich verweist auf die Kleinteiligkeit Europas im Vergleich zum großen, homogenen US-Markt. "Wenn man sich nur vorstellt: Dort hat man einen großen Markt, der genau so groß ist wie der europäische Markt, nur hat der 28 Sprachen und 30 Rechtssysteme. Da haben wir schon ein Handicap." Die Lösung sei, dass deutsche Firmen versuchen müssten, in den USA stark zu werden und die Heterogenität Europas zu beherrschen. "Wenn beides gelingt, dann haben wir es auch geschafft."

"New Deal" für Vertrauen

Aber was mindestens genauso wichtig ist: Vertrauen muss wiederhergestellt werden. Ein Schlagwort, das bislang noch nie auf einer Cebit so häufig zu hören war. Angesicht der Abhörskandale der letzten Monate müsse das Vertrauen in die IT-Industrie gestärkt werden, sagt Christian Illek, der Chef von Microsoft Deutschland.

Dafür werde es drei Teilnehmer brauchen: "Zum einen die Industrie selbst, die natürlich ihre Produkte immer sicherer machen muss, die transparent auch im Umgang mit Daten sein muss und die Kundendaten schützen muss." Dann brauche man die Politik, die den Rahmen schaffen müsse. Und schließlich müssten die Anwender die neuen Werkzeuge auch benutzen. "Und diese drei Akteure müssen einen 'New Deal' für die digitale Wirtschaft schaffen."

Keine Zeit mehr verlieren

Das seien auch die Voraussetzungen dafür, dass Europas Digitalwirtschaft den Anschluss an die Weltmarktführer zumindest verringern kann, glaubt Illek. Gelingen soll das auch mit der gezielten Förderung junger IT-Unternehmen, sogenannter Startups. Ein solch junges Unternehmen war 1972 auch "Systemanalyse und Programmentwicklung" - kurz SAP. Es ist heute der einzige deutsche IT-Konzern von weltweiter Bedeutung. Ex-Vorstandschef Henning Kagermann, heute Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), glaubt, dass Deutschland noch große Möglichkeiten habe, dass gerade Startups und kleine Unternehmen schnell wachsen können. Allerdings müssten die digitalen Infrastrukturen in Deutschland neu errichtet werden. "Dann sehe ich erhebliches Potenzial." Doch man dürfe keine Zeit mehr verlieren: "Wir müssen das jetzt angehen, weil es sonst sein kann, dass wir keine führende Position behaupten können."

Einerseits über die IT-Abhängigkeit von US-Großkonzernen zu jammern und andererseits zu wenig dafür zu tun, dass echte Alternativen aus Deutschland und Europa kämen, das passe nicht zusammen, ist hier in Hannover an vielen Stellen zu hören. Vielleicht kommen die von der Bundesregierung ausgerufene Netzallianz für Deutschland, die deutsch-britischen Pläne für ein superschnelles mobiles Internet oder die Idee der Bundeskanzlerin für einen digitalen Binnenmarkt in Europa gerade noch rechtzeitig.

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