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Italien krönt sich zum Europameister

12. Juli 2021

In einem dramatischen Elfmeterschießen gegen England holt Italiens Squadra Azzurra zum zweiten Mal nach 1968 den EM-Titel. Großen Anteil am Sieg gegen junge Engländer haben die beiden Ältesten im italienischen Team.

EURO2020 I Italien - England
Zwei Erfolgsgaranten mit je einer Hand am EM-Pokal: Giorgio Chiellini (l.) und Leonardo Bonucci (r.)Bild: Nick Potts/PA/dpa/picture alliance

"It's coming to Rome, it's coming to Rome", brüllte Leonardo Bonucci immer wieder in die Kamera. Gerade hatte sein Team in einem dramatischen Finale von Wembley im Elfmeterschießen mit 3:2 (1:1, 1:1, 0:1) gegen England gewonnen. Für die Engländer hätte ein Sieg im Endspiel dieser aus vielerlei Gründen umstrittenen Fußball-Europameisterschaft die Chance geboten, eine ganze Reihe von Traumata auf einen Schlag zu bewältigen: 55 Jahre ohne Titel, zahllose bittere Niederlagen, nicht wenige davon im Elfmeterschießen.

Doch Englands Trainer Gareth Southgate, der vor 25 Jahren im EM-Halbfinale von Wembley gegen Deutschland vom Punkt gescheitert war, hatte diesmal bei seinen Einwechslungen für das Elfmeterschießen kein glückliches Händchen. Sowohl Marcus Rashford als auch Jadon Sancho, die kurz vor dem Ende der Verlängerung extra für das Duell vom Punkt noch reingebracht wurden, vergaben ihre Elfmeter.

Die Senatoren - 70 Jahre geballte Erfahrung 

Leonardo Bonucci, der laute Jubler, hatte seinen Schuss dagegen ins Netz gesetzt - und er war es auch, der zuvor im Spiel nach der frühen Führung durch Luke Shaw (2. Minute) für den Ausgleich gesorgt hatte (67.). Gemeinsam mit seinem Partner in der Innenverteidigung, Giorgio Chiellini, war Bonucci einer der Erfolgsgaranten im Team von Roberto Mancini gewesen - nicht nur wegen seines Tores. Für die beiden "Alten" in der Squadra Azzurra, die gemeinsam 70 Jahre alt sind und ehrfurchtsvoll die "Senatoren" genannt werden, schließt sich mit dem Europameistertitel ein Kreis. Zwar hatte die Zeit ohne Titel für Italiens Nationalmannschaft nur 15 und keine 55 Jahre gedauert, voller bitterer Momente war sie dennoch.

Wichtiges Tor eines wichtigen Spielers: Leonardo Bonucci trifft zum 1:1Bild: PA Images/imago images

Chiellini hatte sein Debüt im italienischen Nationaltrikot bereits gegeben, bevor die Squadra Azzurra bei der WM 2006 ihren bislang letzten Titel holte. Allerdings hatte Italiens Nationalcoach Marcelo Lippi damals noch keinen Platz im WM-Kader für den jungen Innenverteidiger von Juventus Turin. Die Turniergeschichte Chiellinis begann daher erst mit der EM 2008 - als auch die Durststrecke der Italiener ihren Anfang nahm. Bereits im Viertelfinale war gegen Spanien Schluss.

Tiefpunkt 2018

Leonardo Bonucci, drei Jahre jünger, dafür aber mit 1,90 Metern drei Zentimeter größer als "Mit-Senator" Chiellini, debütierte erst 2010 in der Squadra Azzurra. Sein erstes Turnier, die WM in Südafrika, endete mit dem Aus des Titelverteidigers in der Vorrunde. Seit 2010 spielen Chiellini und Bonucci auch im Verein bei Juventus Seite an Seite. Während sie dort einen Erfolg nach dem anderen feierten, ging es im Nationalteam eher bergab.

Zwar folgte bei der EM 2012 wenigstens noch einmal eine Finalteilnahme, allerdings war das 0:4 gegen die Spanier eine Ernüchterung. Die WM 2014 (erneut Aus in der Vorrunde) und die EM 2016 (Niederlage im Viertelfinale gegen Deutschland) endeten enttäuschend, bei der WM 2018 war man gar nicht dabei.

Bonucci: "Unglaublich! Wir haben es geschafft"

Umso bemerkenswerter ist die Art und Weise, in der Italien, das seit drei Jahren von Roberto Mancini trainiert wird, durch das Turnier gegangen ist. Die Squadra Azzurra ist nun seit 34 Spielen ungeschlagen. Der Titel - wenn auch im Elfmeterschießen glücklich geholt - ist hoch verdient. "Wir haben es wirklich geschafft. Unglaublich!", sagte Bonucci nach dem Spiel, zu dessen bestem Spieler er gewählt wurde, und dachte auch an das "Wendejahr" 2018 zurück.

Trainer Roberto Mancini hat Italien 2018 am Tiefpunkt übernommen und nach ganz oben geführtBild: Pool via REUTERS

"Es ist wirklich unglaublich. Wenn ich daran denke, wo wir angefangen haben. Wenn du ganz unten bist. Und dann hast du die richtigen Leute. Wir müssen uns beim Trainer bedanken, beim Präsidenten, bei der Mannschaft, der Mannschaft hinter der Mannschaft. Es war ein großes Spektakel. Der Pokal geht mit nach Rom und bleibt nicht hier."

Chiellini: Kapitän und emotionaler Leader

Wie wichtig die beiden "Senatoren" im Konstrukt der Italiener sind, zeigte sich im Finale von Wembley einmal mehr eindrucksvoll. Während Bonucci - mit seinem Ausgleich, dem Treffer im Elfmeterschießen und im Spielaufbau - diesmal offensiv die Akzente setzte, war Chiellini der defensive Fels in der englischen Brandung. Immer wieder grätschte er Bälle weg, bekam auch bei deutlich schnelleren Gegenspielern immer wieder einen Fuß an den Ball und bejubelte seine Defensivaktionen, als hätte er selbst einen Treffer erzielt.

Auch damit bewies der 36-Jährige, dass er nicht nur Kapitän, sondern auch emotionaler Leader seiner Mannschaft ist. Nach gewonnener Platzwahl vor der Verlängerung lief Chiellini noch einmal an den eigenen Fans vorbei, ballte die Faust und feuerte die Tifosi an, ihr Team weiter anzufeuern. Als das Elfmeterschießen lief, schien er die Hinterköpfe der italienischen Schützen regelrecht zu hypnotisieren, damit sie treffen.

Kaum ein anderer Spieler herzt und drückt seine Mit- und Gegenspieler so häufig wie Giorgio ChielliniBild: Claudio Villa/Getty Images

Als es schließlich vollbracht war und Gianluigi Donnarumma den letzten Elfmeter des jungen Bukayo Saka abgewehrt hatte, liefen Chiellini und Bonucci nebeneinander auf die italienischen Fans zu und freuten sich wie die kleinen Kinder. "Wir haben gespürt, dass etwas Magisches in der Luft lag", sagte Chiellini im Interview. "Wir haben es verdient, ganz Italien hat es verdient."

Den Pokal konnte nur einer alleine als Erster in die Hand gedrückt bekommen - dieses Ehre fiel als Kapitän Chiellini zu - keine Frage allerdings, wer neben ihm jubelte und den Silberpott als Zweiter übernehmen durfte.

Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci, die auf dem Platz nie weit voneinander entfernt sind, könnten ihre Karriere in der Squadra Azzurra nun guten Gewissens gemeinsam auf dem Höhepunkt beenden. Für England gehen die 55 Jahren des Schmerzes dagegen weiter.

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