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Italiens Holzhunger gefährdet Albaniens Wälder

Elona Elezi (Tirana)
25. April 2025

Albaniens Wälder haben in den vergangenen 20 Jahren rund ein Drittel ihrer Holz-Biomasse verloren. Recherchen vor Ort zeigen: Die Zerstörung geht weiter. Das Moratorium von 2016 hat die Abholzung nicht gestoppt.

Viele Baumstümpfe stehen auf dem Boden eines Waldes
Abgeholzte Bäume in Vrane e Madhe, Region Lekbibaj, AlbanienBild: Elona Elezi/DW

"Geht da nicht hin, der Bär wird euch fressen!" Das raten uns die vier Männer, die wir im Dorf Lekbibaj in der Region Tropoja im Norden Albaniens, treffen.

Unser Ziel ist die Siedlung Vrana e Madhe, wo vor etwa zwei Jahren Bewohner die illegale Abholzung der Wälder in ihrer Gegend anprangerten.

Trotz des ökologischen Raubbaus, der in den vergangenen drei Jahrzehnten in den Wäldern des Westbalkanlandes verübt wurde, sind hier noch Buchen zu finden sind - eine Baumart, die sich für Holzverarbeitung besonders eignet.

Wir sehen viele Lastwagen, die mit riesigen Baumstämmen beladen sind. Zahlreiche Rodungen für Transportfahrzeuge und sowohl ältere als auch frische Spuren massiven Holzeinschlags sind nicht zu übersehen.

Zum Schutz seiner Wälder verabschiedete Albanien 2016 ein Moratorium.Es verbietet die Abholzung der einheimischen Wälder für kommerzielle Zwecke bis 2026. Nur die Nutzung zur Brennholzgewinnung für Familien und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten ist erlaubt.

Moratorium ohne Wirkung?

Doch trotz Moratorium finden sich fast überall im Land Sägewerke, die informell arbeiten und in den meisten Fällen nicht einmal als Unternehmen registriert sind. Aber auch Firmen, die Lizenzen zum Brennholzschneiden erhalten haben, begehen Missbrauch.

"Sie beladen ihre Lastwagen mit Buchenholz höchster Qualität. Die Parzellen, für die sie Schlaggenehmigungen haben, werden nicht angerührt, während die mit der höchsten Holzqualität abgeholzt werden. Dabei werden keinerlei Regeln befolgt. Sie fällen, was sie wollen", sagt Ahmet Mehmeti, ein erfahrener Forstingenieur.

Nach albanischem Recht kontrollieren die kommunalen Verwaltungen alle Aktivitäten im Wald - und damit auch die Holznutzung.

"Wir haben sporadische Fälle von illegalem Holzeinschlag, aber wir können nicht sagen, dass das ein weit verbreitetes Phänomen ist", sagt Pjeter Imeraj von der Gemeindeverwaltung Lekbibaj. Seine Aufgabe sei, die Gemeinde über den Bedarf an Brennholz während der Wintersaison zu informieren. Auf Basis dieser Informationen würde die Gemeinde dann entscheiden.

Pjeter Imeraj ist Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung von LekbibajBild: Elona Elezi/DW

"Wir erteilen Unternehmen keine Lizenzen für Brennholz, sondern das Verfahren wird über Ausschreibungen abgewickelt", erklärt die Gemeindeverwaltung. Sie macht keine weiteren Angaben zu den Vertragsdetails mit dem Gewinner der Ausschreibung, der Firma Alxhef, sondern verweist uns auf die Website des albanischen Amtes für öffentliches Auftragswesen.

Dort erfahren wir, dass es bei der Ausschreibung keinen weiteren Bewerber gab. Ausschreibungen mit nur einem Angebot gelten unter Wirtschaftsexperten als Warnsignal.

"Wir haben alles umgesetzt, was im Vertrag festgelegt war, und haben nur tote und trockene Bäume gefällt und kein Holz über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus geschlagen oder transportiert", sagt Xhafer Fiora, Inhaber von Alxhef. Der Unternehmer verfügt über eine langjährige Erfahrung im Holzsektor - sowohl in der Produktion als auch im Handel und im Import/Export fast aller Arten von Holz und Holzprodukten.

Endstation US-Markt?

Der Hauptkunde, für den Alxhef seit über zehn Jahren Holz transportiert, ist die Firma Minelli Spa, ein Teil der Minelli Group aus Italien. Das Unternehmen wurde 1937 als Brennholzproduzent gegründet.

Heute stellt es hochwertige Holzprodukte wie Schäfte für Sport- und Freizeitgewehre her, Griffe für Bürsten, Messer und Besen sowie Komponenten für Holzspielzeug. Die Produkte werden auf dem italienischen Markt und international verkauft, wobei die USA einer der größten Abnehmer sind.

Geschnittene Baumstämme vor einem Sägewerk in AlbanienBild: Elona Elezi/DW

Die Geschäftsbeziehung zwischen Alxhef und Minelli begann 2012, nach Angaben des italienischen Unternehmens aufgrund der niedrigen Arbeitskosten in Albanien. Minelli betont, nichts über die Anschuldigungen der Bewohner von Tropoja gewusst zu haben.

Das Moratorium habe die Zusammenarbeit mit Alxhef nicht verändert. "Wir wissen, dass Alxhef auch aus Montenegro und Kosovo importiert", so Marcello Minelli, ein Vertreter des italienischen Unternehmens.

Italien bleibt bevorzugter Absatzmarkt

Laut offiziellen Daten des albanischen Statistikinstituts (INSTAT) ist der Trend bei den Holzexporten im Zeitraum 2012-2023 leicht rückläufig - was allerdings hauptsächlich Holzkohle beträfe. Italien bleibe das Land, in dem die meisten Holz- und Papierprodukte aus Albanien landen.

Frisch geschlagene Holzstämme werden auf einem LKW abtransportiertBild: Marta Abbá

Laut Observatory of Economic Complexity, einer Online-Plattform zur Visualisierung und Verbreitung von Daten zur Analyse wirtschaftlicher Aktivitäten, exportiert Albanien seit 1995 Holz nach Italien. Ein Jahr vor dem Inkrafttreten des Moratoriums 2015 gingen 71,7 Prozent des albanischen Holzes nach Italien. Die Generalzolldirektion Albaniens stellte keine Daten über die Ein- und Ausfuhren von Holz in den vergangenen zehn Jahren zur Verfügung.

Italien vernachlässigt Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften

Die EU-Holzverordnung (EUTR)trat 2013 in Kraft, um illegalen Holzschlag und dessen Folgeprodukte zu bekämpfen. Theoretisch bedeutet die EUTR, dass illegal geschlagenes Holz nicht mehr auf den EU-Markt gelangen darf. Außerdem muss bei Holz, das in den EU-Raum gelangt, Herkunft und Baumart dokumentiert werden.

Eine Straße für LKW zum Holztransport auf dem Weg nach Vrane e MadheBild: Elona Elezi/DW

Nach Angaben von Italienischen EUTR-Experten aber hat die Verordnung eher moralische als rechtliche Bedeutung. Davide Pettenella, Professor für Forstwirtschaft an der Universität Padua und ehemaliger Berater der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) für den Balkan meint, dass "die EUTR die illegalen Aktivitäten aus Albanien nicht stoppen wird".

Der Grund: Das System sei für rückverfolgbares und legales Holz geschaffen worden. Eine Umsetzung der Kontrolle sei bei einer Kette von Korruption, die vom illegalen Holzeinschlag über Zollkontrollen, Messungen, Verkäufe und Exporte reiche, "fast unmöglich".

Quellen innerhalb der italienischen Forstpolizei räumen ein, dass sie vor allem Kontrollen von Dokumenten durchführt - und nur alle zwei Jahre stichprobenartig vor Ort aktiv wird.

Albaniens Moratorium ist nicht ausreichend

"In den letzten 20 Jahren hat Albanien etwa 33 Prozent seiner Holz-Biomasse verloren", sagt Abdulla Diku, ein Forstingenieur, der sich seit Jahren mit der Situation der albanischen Wälder beschäftigt. Aus dem jüngsten Bericht von Global Forest Watchgeht hervor, dass Albanien in den letzten zwei Jahrzehnten 6,5 Prozent der gesamten Waldfläche verloren hat.

In Brüssel ist das Thema mittlerweile angekommen. Im EU-Bericht 2024 über die Fortschritte Albaniens bei den im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses des Landes durchgeführten Reformen wird auf "Probleme bei der Verwaltung des albanischen Moratoriums" hingewiesen.

"Die unzureichende Durchsetzung der albanischen Forst- und Abholzungsgesetze ist nach wie vor besorgniserregend. Trotz des Moratoriums für den Holzeinschlag gehen diese Praktiken unkontrolliert weiter", so der Bericht.

Diese Recherche wurde zusammen mit der italienischen Journalistin Marta Abbá durchgeführt und vom Journalismfund Europe unterstützt.