1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Italiens Banken: Der nächste Krisenherd

Andreas Becker6. Juli 2016

Die Brexit-Wogen haben sich noch nicht geglättet, da steht Europa vor dem nächsten Problem: Italiens Banken brauchen Milliarden. Müssen Steuerzahler wieder helfen?

Banca Monte dei Paschi di Siena BMPS
Bild: Reuters

Einige Probleme in Europa scheinen immer größer zu werden, je öfter man hinschaut. Dazu gehört der Bankensektor in Italien. Auf 200 Milliarden Euro bezifferte die Europäische Bankenaufsicht EBA die Summe der faulen Kredite in Italien zuletzt, inzwischen rechnen andere mit bis zu 360 Milliarden Euro.

Wie groß das Volumen genau ist, hängt davon ab, wie man zählt. Aber die Botschaft ist klar: Wenn Kredite in dieser Größenordnung platzen, kann das der italienische Staat nicht mehr alleine schultern, und auch die Gemeinschaft der Euroländer wäre wohl überfordert.

Ein Grundproblem ist die nach wie vor schwache Konjunktur in Italien. "Die italienische Wirtschaft ist kaum gewachsen, teilweise steckte sie in der Rezession", sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance. "Den Unternehmen und den privaten Haushalten in Italien geht es nicht gut, zum Teil können sie ihre Zinsen und Tilgungen nicht mehr leisten."

Alle Jahre wieder

Das Problem ist seit Jahren bekannt. Im Herbst 2014 fielen neun italienische Institute beim europaweiten Stresstest durch. Das größte Kapitalloch wies damals Monte dei Paschi di Siena (MPS) auf, das älteste noch existierende Bankhaus der Welt.

Seitdem ist viel passiert, aber doch wohl zu wenig. Anfang 2015 sollte eine EU-Richtlinie sicherstellen, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Seitdem dürfen Banken nicht einfach mit Steuergeldern gerettet werden, wie es nach der Finanzkrise 2008 oft geschehen ist. Bevor der Staat einspringt, haften Eigentümer und Gläubiger.

"Halter von Bank-Anleihen und selbst diejenigen, die Spareinlagen haben, die über die gesetzlichen Mindestgrenzen hinausgehen, müssen also befürchten, einen Teil ihres Geldes zu verlieren", sagt Faust. "Das fördert nicht gerade die Stabilität der Banken, denn viele Investoren tun sich jetzt schwer, den Banken Geld zu leihen. Sie haben Angst, am Ende haften zu müssen."

Teufelskreis

Schwache Konjunktur, zögernde Geldgeber - die Probleme der italienischen Banken wurden mit der Zeit eher größer als kleiner. Und ein Ende ist nicht abzusehen. "Es ist davon auszugehen, dass die Verluste der Banken in den nächsten Jahren deutlich zunehmen werden", glaubt Banken-Professor Faust.

"Das Problem ist, dass ausfallende Kredite auch das Eigenkapital der Banken reduzieren. Und ohne Eigenkapital sind die Banken nicht überlebensfähig", so Faust weiter. Es ist ein Teufelskreis, denn gerade in der schwachen Konjunktur sind Unternehmen auf starke Banken angewiesen.

Anfang 2016 verständigte sich die italienische Regierung dann mit der EU auf die Möglichkeit, faule Kredite in Bad Banks auslagern zu können. Im April wurde dann noch ein Rettungsfonds namens Atlante gegründet, der von den Banken des Landes mit knapp vier Milliarden Euro gefüllt wurde.

Schon kurz nach der Gründung hatte Atlante viel zu tun: Gleich zwei Regionalbanken mussten gestützt werden, erst die Banca Popolare di Vicenza, dann die Veneto Banca. Dann war die Hälfte des Rettungstopfs aufgebraucht, und seitdem gibt es Streit darüber, wer ihn wieder auffüllt. "Viele Banken verfügen nicht über das Kapital, diesen Rettungsfonds aufzustocken", sagt Faust.

Ausnahmefall Brexit: Italiens Premierminister Renzi in BrüsselBild: Reuters/E. Vidal

Wieder Staatshilfen?

Beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche präsentierte Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi seinen Plan, den Banken doch wieder mit Steuergeld unter die Arme zu greifen. Er will sie mit bis zu 40 Milliarden Euro an frischem Kapital versorgen, um ihnen wieder Luft zum Atmen zu verschaffen. Renzis Argument: Das Brexit-Votum der Briten habe eine Ausnahmesituation geschaffen, in der solche Hilfen erlaubt seien.

Ein Vorwand, sagt Thomas Hartmann-Wendels, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Köln. "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Brexit und den aktuellen Problemen italienischer Banken."

Brexit verschärft Italiens Bankenkrise

01:32

This browser does not support the video element.

Zwar glaubt auch er, dass die italienischen Institute saniert werden müssen, aber das müsse eben nach den neuen Regeln geschehen: Erst werden Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten, dann der Staat. "Nach der Finanzkrise hatte man sich geschworen: Es darf nie mehr passieren, dass die Steuerzahler für die riskanten Geschäfte der Banker haften müssen", so Hartmann-Wendels. "All das wird jetzt wieder in Frage gestellt."

Italiens Premier Renzi steht politisch sehr unter Druck, und staatliche Garantien verursachen erst dann Kosten, wenn der Ernstfall eintritt, sagt der Banken-Experte. "Das ist mal wieder die einfachste Lösung, führt aber langfristig nicht aus der Sackgasse."

Die nächste Zerreißprobe

Das nicht enden wollende Drama zeigt deutlich die Sollbruchstellen der Währungsunion. Italiens Wirtschaft kommt nicht in Schwung, weil grundlegende Reformen ausgeblieben sind und der Euro für seine Verhältnisse zu teuer ist. Und je länger die Krise dauert, desto mehr Probleme kommen hinzu.

"Die Krisen, die wir in der Eurozone haben, sind bei weitem noch nicht ausgestanden", sagt Martin Faust von der Frankfurt School of Finance. "Die strukturellen Schwierigkeiten wurden in den letzten Jahren nur aufgeschoben, aber nicht gelöst."

Angesichts des gewaltigen Volumens der faulen Kredite in Italien erwartet Hartmann-Wendels von der Uni Köln, dass früher oder später wieder die europäischen Steuerzahler für die Banken haften müssen. "Das wird notwendig sein. Alleine wird es der italienische Staat nicht schaffen, denn er ist ja selbst hoch verschuldet."

Spanien hatte zwischen 2012 und 2014 rund 40 Milliarden Euro an Hilfen aus dem europäischen Rettungsschirm erhalten, um seine Banken zu rekapitalisieren. Die Verhandlungen über ein ähnliches Programm für Italien könnten die ohnehin angespannten Beziehungen in der Währungsunion vor eine weitere Zerreißprobe stellen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen