Italiens Kampf gegen den Massentourismus
9. August 2023Auf gutes Benehmen der Touristen legt man in Venedig Wert. Seit Jahren kämpft die norditalienische Stadt gegen die schlimmsten Auswüchse des Massentourismus. Auch in diesem Sommer gelten daher strenge Regeln für Urlauber. Bei Zuwiderhandlung drohen hohe Geldstrafen. Verboten ist es in der Stadt etwa, mit nacktem Oberkörper herumzulaufen oder zum Baden in die Kanäle zu springen. Auch darf man sich nicht einfach so niederlassen, wo es einem gefällt: Sitzen und Liegen ist auf Bürgersteigen, auf Brunneneinfassungen, Treppen und Brücken untersagt.
"Eintrittsgebühr" auf 2024 verschoben
Eigentlich würde die Stadtverwaltung auch gerne die Zahl der Urlauber begrenzen, vor allem derjenigen, die nicht zum Übernachten kommen. Die offizielle Touristenzahl in Venedig lag 2019 bei 5,5 Millionen. Dazu kommen allerdings noch all die Tagesausflügler, die die jährliche Gesamtbesucherzahl auf ein Vielfaches ansteigen lassen. Diese Art von Tourismus zu regulieren gestaltet sich schwierig. Die Einführung einer bereits mehrfach angekündigten "Eintrittsgebühr" für solche Urlauber wurde nun aufs nächste Jahr verschoben.
Vermutlich werde man sie dann probeweise an 20 Tagen testen, an denen der Andrang in der Stadt besonders groß ist, so ein Sprecher der Stadtverwaltung. "Die Angelegenheit ist aber sehr komplex", heißt es weiter. "Die Stadt Venedig ist die erste in Italien, die diese Maßnahme umsetzt. Wir wollen sicher sein, dass alles richtig gemacht wird." Es gebe in diesem Fall kein Vorbild, an dem man sich orientieren könne.
Zugang zu Stränden streng reguliert
Venedig ist aber längst nicht der einzige Ort in Italien, der Maßnahmen ergreift, um den Urlauberansturm in geordnete Bahnen zu lenken. In der Gemeinde Baunei auf Sardinien ist in diesem Sommer der Zutritt zu einigen der gefragtesten Strände streng reguliert, wie die Tageszeitung "Il Messaggero" berichtet. Es gebe dort pro Tag lediglich ein bestimmtes Kontingent an Plätzen, die kostenpflichtig sind und vorab reserviert werden müssen.
Tatsächlich erlebt Italien in diesem Sommer einen Urlauberansturm wie noch nie. Dem Marktforschungsinstitut Demoskopika zufolge wird das Land in diesem Jahr einen neuen Touristenrekord aufstellen. Die Zahl der Besucher werde auf mehr als 68 Millionen steigen – fast drei Millionen mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Der große Andrang sorgt vielerorts für Probleme. Auch auf den kleineren Inseln des Landes, auf denen in den Sommermonaten der Autoverkehr stark zunimmt.
Keine Touristenautos auf kleinen Inseln
Und so dürfen Urlauber nun keine eigenen Fahrzeuge auf die zwischen Sizilien und Nordafrika gelegenen Inseln Lampedusa und Linosa mehr mitbringen. Das gilt auch auf der Insel Procida im Golf von Neapel. "Das ist die einzige Maßnahme, die funktioniert", zitiert "Il Messaggero" deren Bürgermeister Raimondo Ambrosino. "Wir sind die am dichtesten besiedelte Insel Europas, und für uns ist die Mobilität ein Problem." Jährlich kämen 600.000 Touristen auf die lediglich vier Quadratkilometer große Insel, die ohnehin nur einen Spaziergang machen wollen. Autos und Mopeds würden nur unnötiges Chaos verursachen.
Eine Zufahrtsbeschränkung gilt in diesem Sommer auch am Pragser Wildsee im Naturpark Fannes-Sennes-Prags in der norditalienischen Provinz Südtirol. Man gelangt nur dorthin, wenn man vorher online ein Ticket gebucht hat, den öffentlichen Nahverkehr nutzt, mit dem Fahrrad unterwegs ist oder zu Fuß geht. Auf diese Weise soll die Besucherzahl, die zuletzt immer weiter angestiegen war, auf ein erträgliches Maß begrenzt werden. Außerdem soll in Südtirol nun auch eine Begrenzung der Bettenzahl in den touristischen Unterkünften den Urlauberandrang eindämmen.
Gedränge im malerischen Küstenort
Ganz so weit geht man im Küstenort Portofino an der Italienischen Riviera unweit von Genua noch nicht. Doch auch hier hat der Bürgermeister jetzt Maßnahmen ergriffen, um der Urlaubermassen Herr zu werden. Tausende Urlauber drängeln sich an Sommertagen in den engen Gassen rund um den Hafen. Damit in dem malerischen, einstigen Fischerort dann nicht komplett das Chaos ausbricht, gilt dort in diesem Sommer eine neue Regelung, die es den Polizisten ermöglicht, Urlauber mit einem Verwarngeld von bis zu 275 Euro zu belegen.
"Die Verordnung verbietet Versammlungen in bestimmten Bereichen des Stadtbezirks, wo der Durchgang so schwierig ist, dass die Polizei eingeschaltet werden muss, um die Fußgänger zu kontrollieren", zitiert das Nachrichtenportal "Leggo" Portofinos Bürgermeister Matteo Viacava. "Dies ist eine Sicherheitsmaßnahme, eine Maßnahme des gesunden Menschenverstands." Vor allem Reiseveranstalter und Fremdenführer seien angehalten, darauf zu achten, dass sich in bestimmten Bereichen keine Ansammlungen von Touristengruppen bilden.
Benimmregeln für Urlauber
Und noch etwas ist Bürgermeister Viacava ein Dorn im Auge: Urlauber, die sich nicht angemessen zu benehmen wissen. Deshalb gilt in Portofino seit Anfang Mai noch eine weitere Verordnung, die den Besuchern eine Reihe von Benimmregeln vorschreibt, wie die Tageszeitung "Il Secolo XIX" meldet. Im gesamten Ortszentrum dürfe man nun nicht mehr barfuß, im Bikini oder mit nacktem Oberkörper unterwegs sein. Außerdem ist es verboten, auf Treppen oder auf dem Boden zu sitzen. "Unser Ziel ist es nicht, Touristen zu vertreiben oder von einem Besuch abzuschrecken", wird der Bürgermeister zitiert. "Jeder muss seinen Teil zur Schönheit von Portofino beitragen, indem er sich anständig benimmt." Das ist in Portofino nicht anders als in Venedig.