Italiens Regierung: frische Gesichter und alte Hasen
28. April 2013Ihre Amtszeit beginnt mit einem Schock: Während Enrico Letta und seine Minister den Eid auf die Verfassung leisten, knallen vor dem Chigi-Palast in Rom plötzlich Schüsse.
Der Schütze, ein 49-jährige Mann aus Kalabrien wurde festgenommen. Die
Ermittler sprachen von der Verzweiflungstat eines arbeitslosen und geschiedenen Mannes. Zwei Polizisten und eine Passantin erlitten Verletzungen. Nach der Tat versuchte er zu flüchten, wurde jedoch gefasst und ebenfalls verletzt. Die Vereidigung wurde trotz dieses ernsten Zwischenfalls wie geplant durchgeführt. Die frischgebackenen Minister zeigten sich bestürzt angesichts der Bluttat.
Alte Garde, neue Gesichter
In Rekordzeit hatte der neue italienische Regierungschef zuvor eine Mannschaft zusammengestellt, die das Alte und das Neue verbindet: Frische Gesichter, darunter sieben weibliche, zieren das 21-köpfige Kabinett von Enrico Letta. Neu ist Cécile Kyenge, gebürtige Kongolesin, Ärztin und Menschenrechtsaktivistin. Sie ist die erste farbige Ministerin Italiens, ihr Ressort: Integration.
Neu ist auch die deutschstämmige Josefa Idem, eine ehemalige Leistungssportlerin und mehrfache Olympiasiegerin (Ressort Gleichberechtigung).
Doch daneben sitzen in der neuen Regierung auch Vertreter der alten Politikergarde, und zwar auf den wichtigeren Ministerposten. Das Ministerium für Infrastruktur geht an Maurizio Lupi von Berlusconis Partei PDL, das Innenministerium wird künftig von Berlusconis Vertrautem Angelino Alfano geleitet, der auch stellvertretender Regierungschef wird. Seine herausgehobene Stellung wird Berlusconi darüber hinwegtrösten, dass er das Justizministerium nicht mit einem seiner Leute besetzen konnte. Die bisherige Innenministerin Anna Maria Cancellieri von Mario Montis Regierung wird diesen entscheidenden Posten übernehmen.
So stellt sich die Frage, ob die von Silvio Berlusconi für dringlich erachtete Justizreform denn wirklich zu den Prioritäten der neuen Regierung gehören wird. Ministerpräsident Enrico Letta stellt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftskrise in den Vordergrund: "Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind das Herz unserer Wirtschaft, die jungen Hochschulabgänger, die ins Ausland abwandern, weil sie bei uns keine Arbeit finden - das sind Notstände, die wir beheben müssen", sagte er der Presse.
Vorsichtiger Optimismus bei den Bürgern
Die Schlüsselministerien Arbeit und Finanzen hat Enrico Letta parteiunabhängigen Experten übergeben - "zum Glück", meint Anselmo Soffri, der in der Brianza, einer der produktivsten Gegenden in der Lombardei lebt. "Die werden endlich etwas für die Wirtschaft tun. All die Fabriken, die vor der Schließung stehen und denen nicht geholfen wird! Hier haben sich schon Unternehmer umgebracht, weil sie ihre Arbeiter nicht entlassen wollten, sie aber nicht mehr bezahlen konnten." Den Politikern traut er die Lösung der gravierenden wirtschaftlichen Probleme kaum zu.
Etwas mehr Vertrauen in den neuen Regierungschef und sein Kabinett investiert Rodolfa Pannetti: "Letta hat gesagt, seine Regierung werde sich vor allem um die Bedürfnisse der Bürger, der Bevölkerung, des Landes kümmern. Das sollte eigentlich immer so sein, dazu ist eine Regierung doch da", seufzt die Hausfrau. "Hoffen wir, dass diese Regierung hält. Die internen Rivalitäten sind nicht zu übersehen."
Rivalen unter einem Dach
In der Tat sitzen auf der Regierungsbank Politiker, die sich in ihren politischen Überzeugungen sehr unterscheiden. Ein linker Minister für wirtschaftliche Entwicklung muss mit einem rechten Minister für Infrastruktur zusammenarbeiten, um die Bedingungen für höhere Produktivität und bessere Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen. Das wird kein leichtes Unterfangen - aber Italien braucht dringend Impulse, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
Berlusconis Partei PDL feiert ihren Sieg
Silvio Berlusconi ist mit der Regierungsmannschaft zufrieden. Er hat, obwohl nur ein Viertel der Italiener bei den Parlamentswahlen für sein Parteienbündnis stimmte, kräftig mitzureden in der neuen Regierung. Fünf Ministerposten gingen an seine Partei - und damit nicht genug. "Wir haben Enrico Letta acht Programmpunkte vorgelegt, und er hat sie alle akzeptiert. Insofern haben wir einen wichtigen Sieg errungen", kommentiert der wirtschaftspolitische Sprecher der PDL Renato Brunetta den Ausgang der Koalitionsverhandlungen. Die Demokratische Partei stellt die jetzige Regierung als "die einzig mögliche" dar - und schluckt die hämischen Kommentare der Berlusconi-eigenen Medien.