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Politik

Italiens Zukunft: grau

Esma Cakir
3. Mai 2020

Der italienische Ministerpräsident Conte leitet "Phase 2" im Kampf gegen die Pandemie ein - Lockerungen sollen kommen. Doch die Römer sehen eine düstere Zukunft vor sich, berichtet Esma Cakir.

Leere Straßen in Rom, Italien
Bild: picture-alliance/MAXPPP/I. Bonotto

Ein sonniger Morgen in Rom, blauer Himmel und angenehme Frühlingswärme. Doch die  ehrwürdigen Skulpturen wirken verlassen, Plätze und Straßen sind ausgestorben wie in einer gespenstischen Filmkulisse. Die wuseligen Touristenschwärme sind verschwunden, stattdessen trifft man an jeder Ecke Polizisten, die prüfen, warum man unterwegs ist.

Die Italiener hatten mit Spannung die Pressekonferenz des italienischen Ministerpräsident Giuseppe Conte am vergangenen Sonntag erwartet. Sie erhoffen sich, dass die seit Wochen bestehende Ausgangssperre am 4. Mai endlich aufgehoben wird. Doch das gehe nur in kleinen Schritten, stellte Conte klar. 

"Es fehlt nicht mehr viel, bis wir verhungern"

"Ich sehe weder schwarz für unsere Zukunft, noch sehe ich sie durch eine rosarote Brille. Grau wäre vielleicht die richtige Farbe, um unsere Lage zu beschreiben", sagt der römische Taxifahrer Claudio. Er wisse nicht, wie er seine Steuerschulden in den nächsten Monaten bezahlen soll. Stundenlang warte er jeden Tag auf Kunden.

Taxifahrer Claudio hält nichts von den Plänen der RegierungBild: DW/E. Cakir

"Das Virus hat in unserem Land an Durchschlagskraft verloren, trotzdem fehlt nicht mehr viel, bis wir verhungern. Wir haben große Angst, denn wenn man Schulden hat oder eine Hypothek auf dem Haus, dann bekommt  man keinen neuen Kredit von Banken" klagt Claudio.

Die ersten Krisenmonate sind überstanden, die strengen Kontaktverbote zeigten Wirkung. Nun kündigte die italienische Regierung eine zweite Phase an. Vorrang vor dem sozialen Leben hat die italienische Wirtschaft, die schnellstmöglich wieder in Schwung kommen soll. Ab dem 4. Mai soll der Großteil der Produktion wieder hochgefahren werden. Zudem sollen Lieferung und Abholungen von Restaurants wieder gestattet sein; Cafés und Friseure werden öffnen. 

Conte: Die nächste Phase wird noch schwieriger

Premierminister Conte bedankte sich bei seinem Volk, für die Geduld, die bisher geübt wurde. Er sei stolz darauf, wie weit die Italiener schon gekommen seien - ein großer Erfolg. Doch "die nächste Phase wird noch schwieriger."

Premierminister Conte wirbt für kleine Schritte bei der LockerungBild: picture-alliance/Zumapress/F. Sasso

Taxifahrer Claudio ist frustriert. "Viele Italiener mussten sich durch die Schließung ihrer Betriebe verschulden". Die Regierung bietet Selbstständigen und Vollbeschäftigten eine monatliche Entschädigung von 600 Euro an - diese Hilfe überzeugt Claudio jedoch nicht. "Die meisten Italiener haben die Entschädigung seit letztem Monat nicht mehr bekommen. Wenn diese Hilfe nicht kommt, wie bezahlt man die Steuern nächsten Monat?", beschwert sich der Taxifahrer. Andere Länder würden ihre Bürger finanziell viel stärker unterstützen, meint er. "Was wir bekommen, ist eine Erlaubnis, das Haus zu verlassen", schiebt Claudio sarkastisch nach. 

In die gleiche Kerbe schlägt auch Simona, die ein Café im Zentrum von Rom betreibt. "Selbst wenn diese Hilfe Wochen lang ausgezahlt wird, reicht das nicht aus". Es sei ein nutzloser Plan. "Viele Familien warten immer noch auf die versprochenen 600 Euro. Wie sollen wir langfristig unseren Kindern einen gefüllten Teller vorsetzen? Wir hätten mehr Hilfsmaßnahmen vom Staat erwartet. Italien hungert buchstäblich."

Mobilität weiter stark eingeschränkt

Beschränkungen der Bewegungsfreiheit wird es auch in Phase 2 geben: Ab dem 4. Mai darf das Haus nur für Einkäufe, die Arbeit, medizinische Betreuung oder zum Besuch von Verwandten oder Partnern verlassen werden. Die heimische Regionalverwaltung darf nur mit einem triftigen Grund verlassen werden.

Die 70-jährige Rentnerin Irene Farinelli ist gegen die regionale Abschottung. "Meine Kinder und Enkel leben in anderen Regionen. Ich konnte sie seit zwei Monaten nicht mehr sehen. Viele sind besorgt, dass wir uns noch lange zuhause einschließen müssen. Wir müssen schnellstmöglich aus dieser Situation heraus".

Irene Farinelli sieht seit dem 11. März ihre Kinder und Enkel nichtBild: DW/E. Cakir

Auch wenn sich viele Italiener ein Ende der Reisebeschränkungen wünschen, italienische Virologen und Epidemiologen plädieren dafür, die Beschränkungen so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. So argumentiert Andrea Cristanti,- einer der renommiertesten Virologen des Landes von der Universität Padua - schon geringe Lockerungen würden zu weit gehen. "Als das ganze Land am 11. März eingesperrt wurde, gab es 1800 Fälle pro Tag. Das ist die gleiche Zahl, die wir auch gestern registriert haben", sagte er der italienische Zeitung La Repubblica.

Schulen sollen erst im September geöffnet werden

Daniele, ein junger Vater beklagt, man habe die Schulen  vernachlässigt. Zwar werde man Produktionsstätten öffnen, doch Schulen blieben geschlossen. "Wer soll sich um die Kinder kümmern, sie können auch nicht bei den Großeltern abgegeben werden? Wir werden alleine gelassen", so Daniele.

Die Römer sind skeptisch: die zahlreichen Corona-Beschränkungen sowie der wirtschaftliche Schaden, der für viele Römer entsteht, setzt ihnen zu. Die meisten glauben nicht, dass sich ihre Lage durch die Phase 2 erheblich verbessern wird.

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