IWF: Weltwirtschaft gewinnt Fahrt
8. April 2014Die Aufschwungsdynamik ist "sichtbarer" geworden, sagte Olivier Blanchard, der Chefökonom des IWF, bei der Vorstellung des jüngsten Ausblicks auf die weltwirtschaftliche Entwicklung. "Die Erholung hat sich gefestigt", so Blanchard vor der Weltpresse. Er belegt das mit erfreulichen Zahlen: Für dieses Jahr sagt der Währungsfonds ein Wachstum für die Weltwirtschaft von 3,6 Prozent voraus. Im Jahr 2015 soll das globale Wachstum sogar auf 3,9 Prozent klettern.
Mit Blick auf die 3,3 Prozent Wachstum des Jahres 2013 sieht Blanchard eine "substantielle Verbesserung". Wachstumstreiber sind vor allem die USA, die asiatischen Schwellenländer und - überraschend - die Länder der südlichen Sahara, deren Wirtschaftsleistung um 5,4 Prozent wachsen soll. Vieles spricht also dafür, dass die Wachstumskräfte an Fahrt gewinnen.
USA und die Eurozone werden stärker
Vor allem die neue Stärke der Industrieländer, angeführt von den USA mit einem vorhergesagten Wachstum von 2,8 Prozent für dieses Jahr, ist hierfür ein ermutigendes Signal. "Nächstes Jahr wird die relative Verbesserung der globalen Wirtschaft von den Industrienationen kommen", analysiert Jacob Kirkegaard vom Washingtoner Peterson Institute for International Economics. "Neben den USA ist das auch die Euro-Zone, die von einer Rezession in ein moderates Wachstum zurückschwingt." Die wichtigste Botschaft für die Weltwirtschaft sei, dass das Stärkeverhältnis von Industrienationen und Schwellenländern sich weiter umkehre zugunsten der Industrienationen. Diese seien zwar nicht wie noch vor Monaten befürchtet in der Krise, aber dennoch schwächer geworden. Die Gründe für den Erfolg der Industrienationen sind vielfältig: Die finanzielle Konsolidierung mache Fortschritte, die Banken würden stärker, das Klima für Investoren habe sich insgesamt verbessert und die akuten Risiken hätten abgenommen.
Die lobenden Worte des IWF gelten nicht nur der Weltwirtschaft im Allgemeinen, sondern auch ganz konkret der Eurozone: "Die guten Nachrichten sind, dass für die Länder an der südlichen Peripherie erstmals seit zwei Jahren wieder ein positives Wachstum vorhergesagt wird, auch wenn es zugegebenermaßen schwach ist", so Blanchard. Die Erholung basiert allerdings vor allem auf Exporterfolgen. Für eine nachhaltige Erholung sei Voraussetzung, dass die heimische Nachfrage gesteigert werde. Damit scheint die Eurokrise erst einmal überwunden zu sein. Insgesamt soll die Eurozone laut IWF in diesem Jahr um 1,2 Prozent wachsen, in 2015 um 1,5 Prozent. Großbritannien liegt mit vorhergesagten 2,9 Prozent für dieses Jahr an der Spitze.
Musterknabe Deutschland
Deutschland wird laut IWF in diesem Jahr um 1,7 Prozent wachsen. Bundeskanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble machen aus Sicht der gestrengen Washingtoner Volkswirte fast alles richtig: Belege seien die gesunkene Arbeitslosigkeit, eine steigende Binnennachfrage und ein "allmähliches Aufblühen der Investitionen", womit wohl die neue Ausgabenfreudigkeit der Großen Koalition gemeint ist. Nur der kräftige Überschuss in der Leistungsbilanz wird weiterhin kritisch gesehen. Dennoch: Bundesfinanzminister Schäuble dürfte diese Woche mit stolz geschwellter Brust zur IWF-Frühjahrstagung nach Washington reisen.
Dennoch hat der IWF für Deutschland und die Euro-Länder eine Gefahr ausgemacht: Das ist die niedrige Inflation in den großen Volkswirtschaften, oder auch die "Low-Flation", wie es IWF-Chefin Christine Lagarde letzte Woche in einer Rede in Washington sagte. Sollte die niedrige Teuerungsrate anhalten, könnte das der konjunkturellen Erholung schaden.
Ukraine: Risiken für Russland und die EU
Noch keine nennenswerten Risiken für die Weltwirtschaft sieht der IWF aus der Krise um die Ukraine erwachsen. Das Investitionsklima für Russland habe sich zwar verschlechtert, doch für dieses Jahr sieht man die russische Wirtschaft immer noch auf Wachstumskurs. Jacob Kirkegaard vom Washingtoner Petersen Institute widerspricht: "Die IWF-Vorhersage für 2013 und 2014 bleibt gleich. Die russische Wirtschaft soll in beiden Jahren um 1,3 Prozent wachsen. Ich glaube nicht dass das passiert". Die Vorhersage für Russland berücksichtige nicht ausreichend die gegenwärtige Krise. "Für mich bedeutet das, dass Russland 2014 in eine Rezession rutscht." Das wiederum hätte auch negative Auswirkungen auf Deutschland und andere Staaten der Eurozone.
Die Schwellenländer werden weiterhin kräftig wachsen, insbesondere China (plus 7,5 Prozent), Indien und die Länder Südafrikas (beide plus 5,4 Prozent) sind hier zu nennen. Allerdings sieht IWF-Chefökonom Blanchard für die Schwellenländer ein verändertes Umfeld: Die Erholung der Industrienationen seit gut für deren Export, allerdings könnte ihre wirtschaftliche Entwicklung durch den restriktiveren geldpolitischen Kurs der US Notenbank Federal Reserve gebremst werden. Jacob Kirkegaard sieht allerdings auch in dem gebremsten Wachstum Chinas eine Gefahr für die Schwellenländer: "Wenn China niest, holen sich die anderen eine Erkältung". Insbesondere die Energieexporteure unter den Schwellenländern würden mit einem niedrigeren chinesischen Wachstum zu kämpfen haben.