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"Inklusives Wachstum" für Deutschland

10. Mai 2017

Der IWF-Länderbericht für Deutschland fällt 2017 genau in den Wahlkampf. Dabei sind die IWF-Forderungen wie Wasser auf die Mühlen der SPD: Weniger Abgaben für Normalverdiener, mehr staatliche Investitionen.

Deutschland Verkaufsoffener Sonntag in Köln
Bild: picture-alliance/R. Goldmann

Einmal im Jahr schaut sich der Internationale Währungsfonds seine Mitgliedsländer genauer an. Die Analyse der Lage in Deutschland läuft noch, aber das "Handelsblatt" zitiert bereits aus den Ergebnissen der Fachleute vom Währungsfonds aus Washington. Die Bundesregierung müsse mehr zur Stärkung des sogenannten "inklusiven Wachstums" tun, heißt es danach im IWF-Entwurf für seinen diesjährigen Deutschland-Bericht.

Gemeint ist damit: mehr Bürger müssten an den Früchten des langanhaltenden Wachstums im Land teilhaben. Die Abgaben für Normalverdiener seien dabei zu hoch, die Investitionen des Staates alles in allem zu niedrig.

Hohe Steuern und Abgaben

Das "Handelsblatt" beruft sich in seinem Bericht am Mittwoch auf mehrere Personen, die mit dem anstehenden Deutschland-Bericht des Fonds befasst sind. Der IWF moniere die relativ hohe Abgabenlast auf untere Einkommen bei einer gemessen daran vergleichsweise niedrigen Belastung von Vermögenden. "Der IWF hält deshalb höhere Steuern auf Eigentum für notwendig", heißt es in dem Bericht. Auch höhere Lohnsteigerungen könnten dem deutschen Wachstum Impulse geben.    

Im vergangenen Monat hatte auch die OECD die hohen Abgaben und Steuern in Deutschland kritisiert. In einem Vergleich von 35 Ländern liegen sie danach deutlich über dem Durchschnitt. Nur Belgien übertrifft hier das deutsche Niveau. Ein durchschnittlicher Allein-Verdiener zahlt demnach fast die Hälfte seines Bruttoeinkommens für Steuern und Sozialversicherungen. Auch bei Familien liegt die Abgabenlast über dem Durchschnitt der Mitglieder der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: In Deutschland sind es 34 Prozent, im Schnitt aller OECD-Länder nur 26,6 Prozent des Arbeitseinkommens.

55 Milliarden mehr Steuereinnahmen? Bild: Fotolia

Zwar sind die Sozialsysteme in den einzelnen Ländern unterschiedlich finanziert - in Deutschland weitgehend über den Staat, in den USA viel stärker privat. Aber ungeachtet dessen könnte der IWF eine Senkung der Sozialabgaben für geringere Einkommen in Deutschland fordern. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist noch nicht klar - der endgültige Bericht soll Mitte des Monats erscheinen.

Investitionen als Umverteilung

Genügend Spielraum habe die deutsche Politik, so die Einschätzung der IWF-Experten laut "Handelsblatt". Tatsächlich erwartet auch die Bundesregierung möglicherweise 55 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen bis 2020 als bisher prognostiziert, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. 

Am wichtigsten für Deutschland sind allerdings nach Auffassung der IWF-Experten höhere Investitionen der öffentlichen Hand, vor allem mehr Ausgaben für die Infrastruktur. Dadurch könne auch das hohe Außenhandelsplus abgebaut werden, für das Deutschland immer wieder kritisiert wird. Infrastruktur-Ausgaben sind in dieser Lesart ebenfalls eine Form der Umverteilung, da sie allen Bürgern zugute kommen.

Einer unlängst veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge investiert Deutschland in der Tat im Vergleich mit anderen Industriestaaten eher wenig in die öffentliche Infrastruktur. Zwischen 2005 und 2014 gab danach die Bundesregierung durchschnittlich 2,2 Prozent des Bruttosozialprodukts für Bau und Instandhaltung von Straßen, Schulen und anderen Bauten aus - ein Prozent weniger als die anderen OECD-Länder. 

IWF: Mehr öffentliche Investitionen! Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Auf SPD-Linie?

Mit dem Ruf nach mehr Investitionen wie auch mit der Forderung nach höheren Abgaben für Bessergestellte liegt der Internationale Währungsfonds durchaus auf Linie der SPD. Vor einigen Wochen hatte das SPD-geführte Bundeswirtschaftsminister einen "Zehn-Punkte-Plan für inklusives Wachstum" vorgelegt. Gefordert wurde darin, dass die unteren und mittleren Einkommensbereiche entlastet und Spitzeneinkommen und große Vermögen stärker belastet werden. Außerdem solle es ein "hohes Beschäftigungsniveau mit besseren Löhnen" geben. Das könnte im IWF-Bericht ähnlich klingen.

Allerdings schlägt der IWF in seiner neuen Analyse auch eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors und des Arbeitsmarktes für Deutschland vor. Damit dürften sich die deutschen Sozialdemokraten dann schwer tun. Der neue SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz will Teile der sogenannten Hartz-Reformen wieder rückgängig machen, die dem Arbeitsmarkt in Deutschland nach Auffassung des IWF gerade geholfen haben. Für Schulz ein Akt der sozialen Gerechtigkeit.

ar/hb (rtr, afp, Archiv)   

 

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