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IWF und Europa uneins über Griechenland

Zhang Danhong10. August 2015

Der IWF verlangt einen Schuldenschnitt für Griechenland, während Europa den Griechen keine Schulden erlassen will. Was nach einem Streit aussieht, ist im Grunde eine rein technische Diskussion - oder Wortklauberei.

Schuldenschnitt Griechenland Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa

Ist Griechenland in der Lage, jemals seine Schulden zurück zu zahlen? Nein, sagt der Internationale Währungsfonds angesichts einer Schuldenquote von annähernd 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Fonds will dem südeuropäischen Land erst wieder Geld geben, wenn die Europäer den Löwenanteil ihrer Forderungen gegenüber Athen streichen.

Die Diagnose aus Washington ist sicherlich nicht falsch. Dennoch verwundert es einen, dass der Fonds diesmal auf die eigene Regel pocht, an die er sich 2010 nicht gehalten hat, als er sich in die Griechenland-Rettung einspannen ließ, denn auch damals waren die Schulden in Athen nicht tragfähig. Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat eine Erklärung dafür: "Der IWF steht unter erheblichem Druck seiner Anteilseigner. Gerade die vielen Entwicklungs- und Schwellenländer finden, dass mit ihnen viel härter umgegangen wurde als mit Griechenland."

Was ihm in der Berechnung des IWF fehlt, ist die genaue Aufteilung der Belastung in den Zinsdienst und in die Tilgung. "Ein Land ist ein unendlich lang laufendes Investitionsprojekt. Es kommt also nicht darauf an, dass ein Land seine Schulden zurückzahlt, sondern dass es in der Lage ist, seinen täglichen Verpflichtungen nachzukommen", so Langhammer gegenüber der DW.

Prof. Rolf LanghammerBild: picture-alliance/ dpa

Kleine Zinslast und späte Tilgung

Mit anderen Worten, ein Land muss im Grunde genommen nur aus dem Wirtschaftswachstum den Zinsdienst finanzieren. Die Zinslast hält sich für Athen in Grenzen. Die EU und der europäische Rettungsfonds EFSF verlangen für die Hilfskredite Zinsen von 0,6 bis 1,3 Prozent, weit weniger als von anderen Krisenländern. Die EZB kassiert mehr Zinsen, überweist sie aber wieder an Athen zurück. Nur der IWF erwartet für seinen Anteil der Kredite höhere Zinsen.

Bei der Tilgung geht es lediglich darum, alte Kredite durch neue zu ersetzen. Ein normales Land kann sich am Kapitalmarkt refinanzieren. Bei Griechenland sorgen die internationalen Geldgeber dafür, dass der Geldfluss nicht stockt. So erlaubt die EZB durch sogenannte ELA-Kredite der griechischen Notenbank, Geld für die Tilgung selber zu drucken. Die Europäer haben das Darlehen an Athen so gestreckt, dass die Tilgung erst ab 2021 beginnt. Auch hier ist der IWF die einzige Institution, die den Griechen gegenüber keine Gnade walten lässt - aus verständlichen Gründen.

Zusammengefasst: Die Griechen zahlen nur Minizinsen an die europäischen Partner. Mit der Tilgung können sie sich unendlich viel Zeit lassen. Die 21 Milliarden Euro an IWF-Krediten sind der teuerste und der unflexibelste Teil der Schulden Griechenlands. Zum Glück sind sie auch der kleinste Teil. Wenn die Institution aus Washington aber darauf besteht, dass die Schuldenlast um den europäischen Teil reduziert wird, dann übersieht der Fonds, dass das kaum Auswirkung auf die Haushaltssituation in Athen haben wird.

Reformwille nicht vorhanden

Und die sähe selbst nach einem Schuldenschnitt nicht rosig aus. "Griechenland hat eine extrem schwache Exportbasis. Ohne eine deutliche Verbesserung der Exportfähigkeit wird Griechenland nicht in der Lage sein, seinen Verpflichtungen nachzukommen", sagt Ökonom Langhammer. Der andere Weg sei, einzusparen. Beides haben die Geldgeber in den letzten Jahren in Athen versucht. Die griechischen Regierungen haben nur notgedrungen die Sparmaßnahmen umgesetzt, die notwendigen Reformen aber verschleppt. Das hat mit dazu geführt, dass die Rettungspolitik gescheitert ist.

Griechen sagten "Nein" zu Spar- und ReformauflagenBild: DW/G. Papadimitriou

Anders als Portugal und Irland ist Griechenland auch knapp sechs Jahre nach dem Ausbruch der Schuldenkrise nicht für grundlegende Veränderungen bereit. Das Referendum Anfang Juli habe gezeigt, dass "weder die Regierung noch die Bevölkerung hinter einem Reformprozess steht", so Langhammer.

Deswegen führen der IWF und Europa im Moment eine rein technische Diskussion, indem sie darüber streiten, wie viel ein Schuldenschnitt bringt und ob er gegen die No-Bailout-Regel der Währungsunion verstößt. Das wahre Problem besteht darin, dass Griechenland ein Geschäftsmodell fehlt, mit dem Wachstum erwirtschaftet wird.

Problem in die Zukunft geschoben

Mit einem dritten Hilfspaket wird das Problem nur in die Zukunft geschoben. Dass ein drittes Paket kommt und der IWF weiter an Bord bleibt, davon geht der Kieler Experte Langhammer aus, auch wenn im Moment die Differenzen unter den Geldgebern unüberwindbar erscheinen: "Was für einen Gesichtsverlust hat der IWF, wenn er jetzt aussteigt? Dann muss er ja zugeben, dass er viel abschreiben muss."

Auch die Amerikaner werden dafür sorgen, dass IWF-Chefin Lagarde Griechenland nicht aufgibt. So hat Präsident Obama mehrmals gedrängt, dass frisches Geld nach Athen fließt. Auch Deutschland wird weiter auf IWF-Anwesenheit bestehen. Die Bundesregierung schätzt an der Institution ihre Expertise, ihr Geld und ihre Härte, die die EU-Kommission und auch die EZB den Schuldnerländern im Zweifelsfall nicht aufbringen. Schließlich weiß Angela Merkel, dass ihre Unionsfraktion die Teilnahme des IWF als Bedingung für die Zustimmung zu weiteren Hilfsaktionen gemacht hat.

Also wird Deutschland dem IWF entgegenkommen, indem entweder der Zinssatz weiter gesenkt oder die Tilgung auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben wird. Das ist auch eine Art Schuldenschnitt, der aber nicht so genannt werden darf, um die Wähler nicht zu verärgern. In drei Jahren, wenn das dritte Hilfspaket ausläuft, kehrt dann der nicht gern gesehene Gast namens Grexit wieder zurück. Und alles fängt von vorne an. Das können Sie sich in Ihrem Kalender gerne schon mal vormerken.

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