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IWF warnt vor Schulden-Zeitbombe

16. Oktober 2019

Der Schuldenberg privater Firmen ist heute höher als zur Zeit der Finanzkrise. Es tickt eine gigantische Zeitbombe von 19 Billionen Dollar, die nur schwer zu entschärfen ist, warnt der Internationale Währungsfonds.

Das Hauptquartiers des Internationalen Währungsfonds in Washington, DC
Gebäude des Internationalen Währungsfonds in WashingtonBild: Getty Images/C. Somodevilla

Als die Immobilienblase in den USA vor mehr als zehn Jahren platzte und Lehman Brothers und andere Banken in den Abgrund riss, stand die Welt unter Schock. Um die sich anschließende Finanzkrise abzumildern, senkten die großen Notenbanken ihre Zinsen auf Nullniveau.

Doch eine Rückkehr zur Normalität - und damit auch zu normalen Zinsen - ist ausgeblieben. Nie war es so günstig, sich zu verschulden.

"Die Märkte erwarten, dass ein Fünftel aller Staatsanleihen negative Renditen haben wird - und zwar mindestens die nächsten drei Jahre", sagte IWF-Finanzmarktchef Tobias Adrian bei der Vorstellung des Berichts zur globalen Finanzmarktstabilität am Mittwoch in Washington.

Gewaltiger Schuldenberg...

Weil lukrative Geldanlagen rar sind, ist viel Geld in Unternehmensanleihen geflossen. Anleger wurden dabei immer risikofreudiger.

Der IWF hat für seinen Bericht die Lage in acht wichtigen Volkswirtschaften untersucht: USA, China, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Insgesamt summieren sich die Unternehmensschulden in diesen Ländern auf 51 Billionen US-Dollar. Das sind 51.000 Milliarden Dollar. Das ist deutlich mehr als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, als es "nur" 34 Billionen Dollar waren, so Anna Ilyina, die am IWF-Bericht mitgewirkt hat.

Der Anteil "riskanter Kredite", die vielleicht nicht bedient werden können, sei schon heute hoch und wachse schnell. In einigen Ländern mache er bereits 25 Prozent aus, so Ilyina. Was passiert also, wenn sich die Weltkonjunktur deutlich verschlechtert?

... gewaltige Risiken

Um das zu untersuchen, haben die IWF-Experten eine Krise simuliert, die nur halb so stark ist wie die Finanzkrise vor zehn Jahren. Das Ergebnis: "Die Schulden von Unternehmen, die ihre Kredite nicht mehr aus ihren Einnahmen finanzieren könnten, würde auf 19 Billionen Dollar ansteigen", sagte Tobias Adrian. 19 Billionen Dollar - das entspricht rund 40 Prozent aller Unternehmensschulden in den untersuchten Ländern.

"Das zeigt uns, dass es außerhalb der Finanzbranche sehr viele schwache Firmen gibt, die ihre Schulden nur deshalb bedienen können, weil die Zinsen so niedrig sind", so Anna Ilyina.

Tobias Adrian ist Direktor für Finanzmärkte beim Internationalen WährungsfondsBild: Reuters/Antara Foto

Ein beunruhigendes Szenario, das auch die Frage aufwirft, wie frei Zentralbanken wirklich sind, wenn sie irgendwann einmal vor der Frage stehen, ob sie die Zinsen anheben sollen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Vorerst stehen die Zeichen weiter auf Niedrigzinsen und Anleihe-Kaufprogrammen.

Probleme mit Auslandsschulden

Der IWF hat weitere Probleme ausgemacht: Es sieht gefährliche Schwachstellen bei Finanzdienstleistern außerhalb der klassischen Banken und ruft Regulierungsbehörden und Politik dazu auf, hier genau hinzusehen.

Riskant ist auch die Lage in Entwicklungs- und Schwellenländern. Hierhin ist viel Geld geflossen, das angesichts der Niedrigzinsen in den USA und Europa auf der Suche nach Rendite war. Die Auslandsverschuldung in Schwellen- und Entwicklungsländern liegt heute 60 Prozent höher als zur Zeit der Finanzkrise, so Adrian. Sollten sich die Finanzierungsbedingungen plötzlich verändern, würden viele Schuldner in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Der IWf zeichnet in seinem Bericht also das Bild eines Finanzsystems, dass von vielen Schwächen und Risiken geplagt ist, die sich zudem gegenseitig verstärken können. "Die Verwundbarkeit des Finanzsystems wirkt wie ein Verstärker für schlechte Nachrichten", so IWF-Finanzmarktchef Adrian.

Und schlechte Nachrichten gibt es angesichts des Handelsstreits zwischen USA und China und zahlreicher Handelsbarrieren ohnehin schon genug. Kein Wunder also, dass der IWF an die Politiker appelliert, diesen Streit endlich zu beenden. "Wir fordern Politiker auf der ganzen Welt auf, weiter an einer Lösung der Handelsspannungen zu arbeiten", so Adrian. "Denn die bringen Unsicherheit und Risiko."

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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