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IWF: Weltwirtschaft wächst zu langsam

Andreas Becker12. April 2016

Das globale Wachstum fällt in diesem Jahr noch geringer aus als bisher erwartet, so die neue Prognose des Internationalen Währungsfonds. Das bringt eine ganze Reihe von Problemen mit sich.

Symbolbild IWF Internationaler Währungsfonds (Foto: Reuters/K. Kyung-Hoon)
Bild: Reuters/K. Kyung-Hoon

Die Weltwirtschaft wird in diesem Jahr um 3,2 Prozent wachsen, im kommenden Jahr werden es 3,5 Prozent sein. Das geht aus der Konjunkturprognose hervor, die der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag in Washington D.C. vorstellte. Das Wachstum fällt damit geringer aus als infrüheren IWF-Prognosen.

"Das Tempo des Wachstums ist zunehmend enttäuschend", sagt Maurice Obstfeld, der Chefvolkswirt des IWF. "Die Weltwirtschaft wird dadurch anfälliger für Risiken. Das Wachstum ist schon zu lange zu schwach."

Zu lange zu schwach - das ist auch der Titel, den der IWF für seine Konjunkturprognose gewählt hat. Sie warnt vor einem Szenario, das Ökonomen als "secular stagnation" bezeichnen. Gemeint ist damit eine lang andauernde Phase ohne wirkliches Wachstum.

"Die Investitionen fallen dann noch geringer aus als ohnehin schon", sagt Obstfeld. "Und das Wachstum ist dann zu schwach, um für steigende Beschäftigung zu sorgen. Auch die Reallöhne steigen dann nicht."

All das verstärke dann einen Trend, der schon jetzt zu beobachten sei: "Wegen der stagnierenden Löhne und der wachsenden Ungleichheit haben die Menschen in vielen Ländern den Eindruck, dass nur die Eliten von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, während sie selbst den Anschluss verlieren", so Obstfeld.

Maurice Obstfeld, Chefökonom des IWFBild: Getty Images/AFP/M. Riley

Kritische Untergrenze

Eine klar definierte Grenze, welches Wachstum für die Weltwirtschaft zu gering ist, gibt es nicht. Drei Prozent war lange ein Wert, den der IWF selbst als Untergrenze nannte. Wenn die Weltbevölkerung um jährlich zwei Prozent wächst, bleibt auch bei drei Prozent nicht mehr viel Spielraum für Entwicklung.

Laut der aktuellen IWF-Prognose wächst die Wirtschaft in den Industrieländern in diesem Jahr im Schnitt um 1,9 Prozent. In den USA fällt das Wachstum mit 2,4 Prozent relativ robust aus, aber immerhin 0,4 Prozentpunkte niedriger als noch vor sechs Monaten vorhergesagt.

Für Deutschland und die Eurozone erwartet der IWF ein Plus von 1,5 Prozent. Japans Wirtschaft wächst mit Plus 0,5 Prozent kaum - im kommenden Jahr erwartet der IWF sogar ein Minus von 0,1 Prozent.

Die einzelnen Weltregionen entwickeln sich laut dem Bericht sehr unterschiedlich. Ölproduzierende Länder leiden besonders unter den niedrigen Energiepreisen. Viele Schwellenländer kämpfen zudem mit den Folgen der Kapitalabflüsse. Seitdem die US-Notenbank ihre Zinsen erhöht hat, steht in den Schwellenländern weniger Geld für Investitionen zur Verfügung.

Rezession in Lateinamerika und Russland

Zu den Ländern mit schrumpfender Wirtschaft gehören Russland (-1,8 Prozent in diesem Jahr), Brasilien (-0,5 Prozent), Argentinien (-1,0 Prozent), Venezuela (-8,0 Prozent) und Equador (-4,5 Prozent).

Für die Region Lateinamerika und Karibik erwartet der IWF in diesem Jahr insgesamt ein Minus von 0,5 Prozent, ist aber zuversichtlich, dass die Wirtschaft dort 2017 wieder wächst.

Die asiatischen Entwicklungs- und Schwellenländer sind mit einem Plus von durchschnittlich 6,4 Prozent in diesem Jahr die am stärksten wachsende Weltregion. Für China hat der IWF seine Wachstumsprognose sogar um 0,2 Prozentpunkte angehoben, auf 6,5 Prozent für 2016. Indien bleibt unverändert bei 7,5 Prozent.

Die Dürre in Äthiopien und anderen Ländern im Osten und im Süden Afrikas hemmt die WirtschaftsleistungBild: Reuters/T. Negeri

Besonders stark nach unten korrigiert wurde die Prognose für die 45 afrikanischen Länder südlich der Sahara. Sie wachsen laut IWF in diesem Jahr nur noch um durchschnittlich drei Prozent - das ist ein voller Prozentpunkt weniger als noch im Januar prognostiziert.

Risiken in Afrika

Als Grund führte Oya Celasun von der IWF-Forschungsabteilung den niedrigen Preis für Öl und andere Rohstoffe an. Hinzu kommt, dass der Osten und der Süden Afrikas eine starke Dürre erlebt. Der Niederschlag liegt 40 Prozent unter dem historischen Durchschnitt", so Celasun. "Dadurch verschlechtert sich der Wirtschaftsausblick in vielen Ländern, etwa in Äthiopien, Malawi, Simbabwe, Sambia und Südafrika."

Die Folgen für Äthiopien sind besonders drastisch. Für das Land, das zuletzt weit überdurchschnittliche Wachstumraten verzeichnen konnte, erwartet der IFW nun, dass sich das Wachstum mehr als halbiert, von zuletzt 10,2 Prozent auf nur noch 4,5 Prozent in diesem Jahr. Südafrika kann nur noch mit 0,6 Prozent Wachstum rechnen, Nigeria mit 2,3 Prozent. Überdurchschnittlich stark dagegen sind die Côte d'Ivoire (+8,5 Prozent), Tansania (+6,9 Prozent) und Kenia (+6,0 Prozent).

Der IWF empfiehlt, wie eigentlich immer in den vergangenen Jahren, die Probleme mit drei unterschiedlichen Mitteln zu bekämpfen. Zum einen sollte die Geldpolitik so gestaltet sein, dass Investitionen erleichtert werden. Zum zweiten sollten Länder die Möglichkeiten der Fiskalpolitik nutzen, also Steueranreize für Unternehmen oder gleich staatliche Investition.

Strukturreformen und Nationalismus

Drittens schließlich ermahnte IWF-Chefvolkswirt Obstfeld die Politik zu mehr Reformen, um die Wirtschaft ihrer Länder wettbewerbsfähig zu machen. Und er warnte vor nationalistischen Tendenzen, sich abzukapseln und etwa den freien Handel zu beschränken. Der schwächere Wirtschaftsausblick mit all seinen Risiken erfordert sofortiges und proaktives Handeln", so Obstfeld. "Wir können uns keine Fehler mehr leisten."

Die Ratschläge mögen gut gemeint sein, machen jedoch ein Dilemma deutlich. In Europa und in Japan sind die Mittel der Geldpolitik erschöpft. Die Zinsen liegen fast bei Null, die Zentralbanken überfluten die Märkte mit Geld - und trotzdem geht es wirtschaftlich nicht aufwärts. Und in Schwellenländern kann die Geldpolitik nicht gelockert werden, will man nicht noch mehr Kapital verlieren.

Niedrigere Steuern oder staatliche Investitionen können sich die meisten Länder schlicht nicht leisten. Bleiben also nur die immer wieder angemahnten Strukturreformen, um wettbewerbsfähiger zu werden. Die allerdings könnten genau jenen Nationalisten Auftrieb geben, vor denen der IWF warnt.

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