Iznik feiert Nicäa: Warum Papst Leo in die Türkei reist
27. November 2025
Es ist für die Ökumene, das Miteinander der christlichen Kirchen, das zentrale Thema dieses Jahres. Und zur zentralen Feier reist an diesem Freitag (28. November) Papst Leo XIV. per Helikopter von Istanbul nach Iznik, eine Stadt mit gut 40.000 Einwohnern.
Das heutige Iznik hieß in der Antike Nicäa. Dort fand vor 1700 Jahren das Konzil von Nicäa statt. Dieses große Kirchentreffen im Römischen Reich unter Kaiser Konstantin im Jahr 325 gilt als wegweisende Etappe der kirchlichen Entwicklung. Es prägte wesentliche Teile des heutigen christlichen Glaubens. Auch 1700 Jahre danach beten Christen in aller Welt ein Glaubensbekenntnis, das gut 200 Bischöfe damals in Nicäa formulierten und festlegten.
Das einzige Konzil vor den Spaltungen
In Nicäa waren die Christen eins. Zu den diversen Spaltungen der Kirchen kam es erst später. "Nicäa war das einzige Konzil, also die einzige Versammlung im Grunde aller damals in der antiken Kirche maßgeblichen Autoritäten unter der Leitung des Kaisers", erläutert der Paderborner katholische Theologe Christian Stoll im Gespräch mit der DW. Stoll (42 Jahre) ist auch Leitender Direktor des auf Seiten der katholischen Kirche wichtigen Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik und Berater des Vatikans beim Thema Ökumene.
Das Spannende war der historische Kontext des Jahres 325. Denn die große Versammlung der Kirchenvertreter wurde vom weltlichen Herrscher einberufen. Konstantin (geboren zwischen 270 und 288; gestorben 337) war seit 306 römischer Kaiser und seit 324 sogar Herrscher sowohl im westlichen Römischen Reich als auch im östlichen Byzantinischen Reich. Spätestens seit 324 bekannte er sich eindeutig zum Christentum.
In zwei grundsätzlichen Streitpunkten sorgte das Konzil von Nicäa für Klärungen. Zum einen verständigten sich die Teilnehmer nach langem Streit auf einen gemeinsamen Oster-Termin. Damit wurde das zentrale christliche Fest in der damaligen Welt von allen Christen am selben Tag gefeiert.
Der Streit: Wer war Jesus von Nazareth?
Beim anderen Punkt verständigten sich die Konzilsteilnehmer auf eine Entscheidung dazu, wie die Person Jesu von Nazareth zu verstehen sei. "Schon das Neue Testament kennt da verschiedene Ansichten", sagt Stoll. Deshalb habe es in der antiken Welt "eine Reihe von theologischen Kontroversen" gegeben.
"In Nicäa hat man sich darauf verständigt, dass Christus Gott genannt werden kann. In demselben Sinne, wie gläubige Christen das von Gott, dem Vater, aussagen." Das werde bis heute von allen christlichen Konfessionen hochgehalten. Im Glaubensbekenntnis heißt es, Jesus Christus als Sohn Gottes sei "...wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater..."
Zum konkreten Tagungsort der Bischöfe im Jahr 325 gab es bislang nur Vermutungen. Es war wohl keine der knapp ein Dutzend Kirchen, deren Ruinen sich heute im Stadtgebiet von Iznik finden. Einige Archäologen vermuten, dass der Tagungsort heute, bedingt durch Erdbeben, unter Wasser liegt. Dort sind heute neben Ruinen auch einige Grabplatten zu erkennen, kaum mehr als nichts.
"Das Jubiläum hat in der Wissenschaft, aber auch in den Kirchen ein überraschend großes Echo gefunden", blickt der Theologe auf das Jubiläumsjahr zurück. Vielfach sei die Gelegenheit genutzt worden, sich mit dem Kern des christlichen Glaubens, dem Glauben an Jesus als dem Sohn Gottes, neu auseinanderzusetzen.
In den meisten deutschen Bistümern, aber auch auf internationaler Ebene gab es in diesem Jahr Vorträge und Debatten zur Bedeutung des Jubiläums. Stoll sagt, bei vielen ökumenischen Veranstaltungen dieses Jahres sei es "berührend" gewesen, zu sehen, "wie Christinnen und Christen aus ganz unterschiedlichen Traditionen diesen gemeinsamen Glauben auch gemeinsam bekennen". Stoll sieht darin "Zeichen der Einheit und des Miteinanders", die auch die "von Polarisierung und Konflikten erschütterten Gesellschaften durchaus nötig haben".
An der Spitze der katholischen Kirche hatte Papst Franziskus über Jahre auf das gemeinsame Gedenken der Christen an die Ereignisse des Jahres 325 hingearbeitet. Dem im April 2025 im Alter von 88 Jahren verstorbenen Kirchenoberhaupt lag die Einheit der Christen sehr am Herzen. Nun hat Papst Leo dieses Thema übernommen.
Bereits im Mai traf er den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios (85), der zur Amtseinführung des neuen Papstes nach Rom gekommen war. Leo wird dem orthodoxen Oberhaupt mehrfach während seines dreitägigen Türkei-Besuchs begegnen, in Iznik und Istanbul.
Der Theologe Stoll sagt, Papst Leo XIV. stelle schon in seinem Wappenspruch die Bedeutung der christlichen Einheit und des gemeinsamen Fundaments im Christus-Glauben heraus. Er lautet: "In illo uno unum" (in jenem einen sind wir eins). "Diese Botschaft bringt der Papst bereits mit, wenn er zum Ort des Konzils von Nicäa reist", so Stoll. Er werde sie gewiss dort erneuern.
Welchen Stellenwert Papst Leo selbst der Etappe in Iznik zumisst, verdeutlichte er wenige Tage vor der Reise mit einem ungewöhnlichen Schritt. Er widmete ein eigenes apostolisches Schreiben dem 1700. Jahrestag des Konzils. Darin betont er das gemeinsame Zeugnis der Christen. "Was uns eint ist tatsächlich weit mehr als das, was uns trennt", heißt es.
Das Glaubensbekenntnis von Nicäa 325 könne die Grundlage sein, um Einheit und Versöhnung zwischen allen Christen zu erreichen. "Es schlägt uns nämlich ein Modell wahrer Einheit in der legitimen Unterschiedenheit vor." Es gehe heute nicht mehr um eine "Rückkehr-Ökumene zum Zustand vor den Spaltungen", sondern um eine "Zukunfts-Ökumene der Versöhnung auf dem Weg des Dialogs".
Nachdenken über das Papstamt
Kurz vor dem Papstbesuch hatte sich auch der für Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA zum Treffen in Iznik geäußert. Leos Teilnahme dort habe "große ökumenische Bedeutung", so der hohe katholische Geistliche im Vatikan. Zur Feier in einem größeren ökumenischen Rahmen eingeladen habe Patriarch Bartholomaios.
Nach Kochs Einschätzung kann dieses Miteinander auch weitere Diskussionen über ein neues Verständnis des Papstamtes anstoßen, das dann ökumenisch "als Dienst an der Einheit" verstanden werde.
Doch bei allem Lob über das Treffen von Papst Leo und Bartholomaios in Iznik und über die Präsenz von Repräsentanten weiterer Kirchen bleibt ein schmerzlicher Punkt. Seit Jahren ist das Gespräch sowohl des Vatikans als auch des Ökumenischen Patriarchen mit der russisch-orthodoxen Kirche wenn nicht abgebrochen, so doch de facto kaum mehr existent.
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill segnet als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin immer wieder dessen Krieg gegen die Ukraine ab. An Ökumene zeigt sich der Moskauer Patriarch derzeit kaum interessiert.