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Gesellschaft

Jüdische Schule in Zagreb: "Alle sind willkommen"

10. Juli 2022

Die Grundschule Hugo Kon in der kroatischen Hauptstadt ist etwas Besonderes: An dieser jüdischen Privatschule lernen auch viele Kinder ohne jüdische Wurzeln.

 Schüler und Schulleiterin der Grundschule Hugo Kon in Zagreb
Schülerinnen, Schüler und Schulleiterin der jüdischen Grundschule in ZagrebBild: Ljubo Gamulin/OS Hugo Kon

Der schwarze Labrador Timo atmet schwer in der Sommerhitze und sucht sich ein etwas kühleres Plätzchen unter dem Schreibtisch der Schulleiterin Sanja Petrusic Goldstein. Sie bringt ihn jeden Tag mit in die Schule. Als freiwillige Helferin unterstützt sie das Zentrum für Rehabilitation "Silver", das Assistenzhunde ausbildet. Diese Tiere müssen lernen, mit den unterschiedlichsten Menschen und Situationen umzugehen - und wo kann man das besser als in einer Grundschule? Man braucht nicht zu erwähnen, dass Labrador Timo der "Lieblingsmitschüler" aller Kinder ist. 

In dieser Grundschule, die - wie in Kroatien üblich - die Ausbildung von der ersten bis zur achten Klasse umfasst, herrscht heute Ruhe. Nur ein Wächter steht noch vor dem Gebäude. Alle Kinder sind gerade im Zagreber Puppentheater, wo auf der großen Bühne ihre Abschlussfeier stattfindet. Timo und die Schulleiterin fahren auch hin.

Die Grundschule Hugo Kon in ZagrebBild: Ljubo Gamulin

Der Zuschauerraum ist voll, die Aufregung der Kinder groß. Eigentlich ist es eine Abschlussfeier wie jede andere - gebe es da nicht diesen einen besonderen Redner, der zum Anfang des Programms das Publikum begrüßt: der Rabbi. Hier feiern nämlich Schüler und Lehrer der jüdischen Grundschule Hugo Kon in Zagreb. Wie uns die Schulleiterin Sanja Petrusic Goldstein sagt, handelt es sich um die einzige jüdische Grundschule auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens. 

Die Schule, die im Jahr 2006 gegründet wurde, erhielt ihren Namen nach dem letzten Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Zagreb im Zweiten Weltkrieg. Hugo Kon wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Die Schule ist in einem ehemaligen Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert in der Altstadt der kroatischen Hauptstadt untergebracht.

Nur 30 Prozent der Schüler haben jüdische Wurzeln

Von den 110 Schülern haben nur etwa 30 Prozent jüdische Wurzeln. Die Schulleiterin erklärt: "Kroatien ist ein kleines Land. Ich weiß nicht, wie viele Einwohner sich bei der letzten Volkszählung als Juden deklariert haben, glaube aber, dass alle jüdischen Gemeinden in Kroatien zusammen nicht mehr als 1500 Mitglieder haben. Und das sind überwiegend ältere Leute." Sie sagt, jüngere Menschen als Kosmopoliten würden sich nicht öffentlich zu einer jüdischen Gemeinde bekennen, sondern lieber ihre jüdische Tradition innerhalb ihrer eigenen vier Wände pflegen.

Wegen der kleinen Zahl der deklarierten Juden in Kroatien - und damit auch der potentiellen Schüler - entschied die Jüdische Gemeinde Bet Israel als Gründerin, die Bildungsstätte für alle anderen Schüler zu öffnen. "Den interessierten Eltern stellen wir unsere Schule vor - was wir machen, wie eine Minderheitenschule funktioniert, unsere Strategie und das Schulprogramm, das die hebräische Sprache, jüdische Kultur und Geschichte beinhaltet. Und willkommen ist jeder, den das nicht stört", betont die Schulleiterin.

Schulleiterin Sanja Petrusic Goldstein: "Respekt, Zusammenleben und Toleranz"Bild: Ljubo Gamulin/OS Hugo Kon

Hebräisch ist Pflichtfach für alle Schüler, da Hugo Kon eine sogenannte Minderheitenschule ist und vom kroatischen Staat mitfinanziert wird. Solche Schulen sind verpflichtet, Sprache, Geschichte und Kultur einer nationalen Minderheit zu pflegen. In Kroatien haben anerkannte Minderheiten, z.B. die serbische, italienische, ungarische oder tschechische, das Recht, sich nach verschiedenen Modellen in ihrer Muttersprache zu bilden: von der Vorschule bis zur Hochschule. 

Sanja Petrusic Goldstein erzählt über die Schwierigkeiten, mit denen die Gemeinde konfrontiert war: "Man musste sich den Status der nationalen Minderheit erkämpfen. Dann haben wir den Status bekommen, aber noch nicht die Finanzierung. Wir haben mit der politischen Führung Kroatiens verhandelt - jetzt finanziert der Staat die Gehälter für 60 Prozent der Beschäftigten."

Schule als "Hybridmodell"

Die Jüdische Schule in Zagreb ist eine staatlich geförderte Privatschule und deshalb zahlen alle Eltern Schulgeld. Allerdings in unterschiedlicher Höhe: Eltern mit jüdischer Herkunft zahlen weniger, der Schulausschuss entscheidet in Einzelfällen jedes Jahr über eine mögliche Ermäßigung. 

Wie die Leiterin zusammenfasst, funktioniert die Schule "als ein Hybridmodell: eine Privatschule der nationalen Minderheit, die durch das zuständige Ministerium und aus Schulgeld finanziert wird".

Sie erinnert daran, dass die jüdische Gemeinde in Kroatien keine eigenen Mittel für die Finanzierung habe, da sie sehr klein sei. "Der Holocaust hat das Seine dazu getan", sagt sie und fügt hinzu, dass die Gemeinde keine eigenen passenden Immobilien besitze und deshalb die Schule den vollen Mietpreis für das Schulgebäude bezahlen müsse. 

"Das Ziel der Jüdischen Gemeinde ist nicht, dass die Schule Geld verdient, sondern, dass es sie gibt, dass sie jüdische und menschliche Werte vermittelt."

Säkulare Schule

Aber Sanja Petrusic Goldstein betont auch, dass es sich um eine säkulare Schule handelt: "Bei uns gibt es keinen Religionsunterricht. Das gefällt den Eltern. Kinder lernen die Grundlagen der jüdischen Kultur und Tradition kennen."

In der Grundschule Hugo Kon lernen alle Schüler HebräischBild: picture alliance/dpa/D. Bockwoldt

Für die Schulleiterin ist es sehr wichtig, dass die Schule für Nichtjuden offen ist: "Die jüdische Geschichte ist turbulent, interessant. Darüber lernt man etwas, aber nicht besonders viel. Die Hauptsache ist, dass die Kinder wissen, wer die Juden waren, warum sie ausgewandert sind und überall in der Welt gelebt haben. Und auch, wie viel sie zu den Gesellschaften und den Kulturen, in denen sie gelebt haben, beigetragen haben."

Antisemitismus in Kroatien

Jedes Jahr im Januar, zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, findet in der Schule die Woche der Menschenrechte statt. Hier stehen Themen wie Antisemitismus, Feindseligkeit, "aber auch Respekt, Zusammenleben und Toleranz" im Mittelpunkt, erzählt die Schulleiterin: "Uns ist es wichtig, darüber zu reden, welches die Folgen des Holocaust waren, wie die Menschheit damit umgeht und was wir dafür tun, dass sich das nie mehr wiederholt."

Auf die Frage, wie das Problem des Antisemitismus in Kroatien einzuschätzen sei, sagt sie: "Nicht mehr und nicht weniger als in den anderen europäischen Staaten. Antisemitismus gibt es in Frankreich, es gibt ihn auch in England, und so gibt es ihn im gleichen Maße auch hier. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft gegen ihn auf verschiedene Art und Weise kämpft." 

Sanja Petrusic Goldstein hebt an dieser Stelle die Bedeutung der Bildung hervor: "Deshalb ist unsere Rolle wichtig. Den Kindern die Zivilisationserrungenschaften zu vermitteln und zu wissen, dass diese 70 Prozent nichtjüdischer Schüler - die von überall her kommen, wir haben Engländer, Russen, Kroaten, Franzosen, Amerikaner - aus der Schule als Menschen herauskommen, die Grundlagen der bürgerlichen Erziehung besitzen und die Welt nicht in 'wir' und 'sie' einteilen."

Warum gerade eine jüdische Schule für Nichtjuden?

Was ist aber so attraktiv an dieser Zagreber Schule, dass so viele nichtjüdische Eltern ihre Kinder hierhin schicken? Kleine Klassen mit maximal 14 Schülern, guter Unterricht und Nachmittagsbetreuung, erzählt die Mutter einer Schülerin. Obwohl es sich um eine Privatschule handele, würden Kinder aus allen Gesellschaftsschichten hier lernen, fügt sie hinzu.

Labrador Timo ist der "Lieblingsmitschüler" an der Zagreber Grundschule Hugo KonBild: Ljubo Gamulin/OS Hugo Kon

Für berufstätige Eltern ist es wichtig und vorteilhaft, dass ihre Kinder bis 17 Uhr betreut werden: Sie machen am Nachmittag ihre Hausaufgaben und nehmen an verschiedenen Aktivitäten teil. Und wenn die Kinder nach Hause kommen, haben sie nicht nur ihre Hausaufgaben erledigt, sondern auch gut und gesund gegessen. Alle Schüler erhalten drei Mahlzeiten und haben den ganzen Tag Obst und Nüsse zu Verfügung. Alles im Preis inklusive. 

Auf die Frage, welchen Vorteil die jüdische Schule in Zagreb habe, antwortet die Schulleiterin: "Obwohl wir zahlenmäßig klein sind, glaube ich, dass unser gesellschaftlicher Einfluss wichtig ist, sowohl für die jüdische Gemeinde als auch für die breite Gemeinschaft unserer Mitbürger, die in der Schule einen Mehrwert an Erziehung und Bildung für ihre Kinder sehen." 

Und Sanja Petrusic Goldstein fügt hinzu: "Es ist nicht schwer, jüdische Kinder an ihre Wurzeln, Traditionen und Werte zu erinnern - es ist aber eine Herausforderung, dies alles anderen Kindern zu erklären und näherzubringen." 

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