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Ja, aber ...

Ramón García-Ziemsen26. Januar 2005

Voraussichtlich werden bald auch in Deutschland Studiengebühren erhoben. Jedenfalls ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Weg dafür jetzt frei. Und dieser Weg wird Deutschland nachhaltig verändern.

"Universitäten sind schöne Misthaufen, auf denen gelegentlich einmal eine edle Pflanze gedeiht." Das hat Albert Einstein gesagt, der in diesem Jahr groß gefeiert wird. Und betrachten wir doch einmal den Zustand dieser "schönen Misthaufen", hundert Jahre nachdem der erste "Popstar der Physik" seine Relativitätstheorie formuliert hat.

Den früher einmal so berühmten deutschen Hochschulen fehlt Geld, viel Geld. Drei Milliarden Euro wären nötig, um Gebäude zu sanieren, Bücher zu kaufen und endlich die Lehre zu verbessern. Jahrzehnte ist es her, da galt für ausländische Studierende ein Studium in Deutschland einmal als etwas absolut besonderes. Heute gehen die besten Köpfe rund um den Globus lieber gleich in die USA. Und genau diese Erkenntnis ist ein Grund, warum Studiengebühren, wie sie jetzt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts möglich werden, sinnvoll sind.

Es wird einen Wettbewerb zwischen den Hochschulen geben. Da Konkurrenz bekanntlich das Geschäft belebt, werden die Universitäten um die zahlende Klientel konkurrieren und ihnen entsprechend auch etwas bieten müssen. Und zwar mehr als nur volle Hörsäle, überforderte Professoren, die die Lehre, das Ausbilden ihrer Studenten sowieso nur als lästigen Apendix ihres Berufes verstehen und sich eher der Forschung widmen.

Noch immer ist es so, dass in Deutschland forscherische Leistung als viel entscheidender erachtet wird, als echte wissenschaftliche Vermittlungskompetenz. Sprich: Der
Professor macht bisher Karriere mit den klugen Aufsätzen in der Fachzeitschrift, nicht mit klugen Studenten.

Klar ist: Das Urteil wird die deutsche Hochschullandschaft nachhaltig verändern - die Entscheidung ist eine Zäsur für die deutsche Bildungspolitik. Fünf Bundesländer haben angekündigt, Studiengebühren einzuführen. Und so sehr das einem deutschen Bildungsbürger auch in den Ohren schmerzen wird: Der Student wird damit zum Kunden. Und wer zahlt, hat Anspruch auf ein anständiges Produkt.

In den 1960er-Jahren waren Studiengebühren in Deutschland abgeschafft worden, um soziale Hürden beim Hochschulzugang zu beseitigen. Sind sie beseitigt? Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt hatte das hehre Ziel "Bildung für alle" aufgestellt. Ist das eingelöst worden? Gibt es das, Bildung für alle? Haben Kinder aus unteren sozialen Schichten die gleichen Bildungschancen wie der Sohn vom Herrn Studienrat? Nein, haben sie nicht - ganz im Gegenteil.

In kaum einem anderen Land ist die soziale Herkunft nach wie vor so vorher bestimmend für die Bildungschancen wie in Deutschland. Das ist ein Armutszeugnis für das Land. Dabei sind es in erster Linie gar nicht die Hochschulen, die Schuld daran tragen: In Deutschland wird im internationalen Vergleich viel zu wenig in die Primarstufe investiert - die Grundausbildung ist zu schlecht - hier werden die entscheidenden Fehler gemacht. Wenn das Fundament nicht trägt, dann wird der Turm wackelig.

Apropos Fundament: In Deutschland müssen Eltern zum Teil sehr hohe Gebühren für den Kindergarten bezahlen. Zahlen für die Kleinen, während die Großen auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet werden. Eine soziale Ungerechtigkeit! Wäre es nicht gerechter, wenn die, die von einem Studium profitieren - durch höheres Prestige, durch später höhere Einkommen - sich auch an den Kosten beteiligten?

Ja zu Studiengebühren - aber kein Ja ohne ein Aber - ein ABER in Großbuchstaben: Natürlich muss es dabei ein durchdachtes Stipendiensystem geben, natürlich muss in jedem Fall verhindert werden, dass nur noch Reiche studieren. Aber etwa 500 Euro Studiengebühren pro Semester - diese Zahl steht derzeit im Raum - das ist keine Summe, die junge Menschen vom Studieren abhalten wird.

Das zeigen Beispiele bei unseren Nachbarn Großbritannien oder Österreich: Seit etwas mehr als drei Jahren müssen Studenten in Österreich 700 Euro pro Semester bezahlen. Das Ergebnis: Es schreiben sich heute mehr Studenten ein als früher. Außerdem muss der Staat es den Studenten ermöglichen, die Gebühren erst nach dem Diplom zu zahlen, wenn Geld verdient wird. Dieses Modell "nachlaufender Gebühren" funktioniert in anderen Ländern hervorragend - zum Beispiel in Australien, das vielen Gebührenanhängern als Vorbild dient.

Und da gibt es noch ein Aber: Ja zu Studiengebühren, wenn das eingenommene Geld tatsächlich bei den Universitäten und damit den Studenten ankommt. Die Hochschulen müssten über das eingenommene Geld verfügen können. Schon jetzt schielt so mancher Landesfinanzminister auf den Studien-Obulus, um seinen maroden Haushalt in den Griff zu kriegen. Aber die Gebühr muss in jedem Falle zweckgebunden bleiben.

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