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"Ja zur Verfassung, Ja zu Sisi"

Markus Symank14. Januar 2014

Die Abstimmung über die neue ägyptische Verfassung wird fast schon zur Liebesbekundung an die Armee und deren obersten General. Gegner des Militärs können sich kein Gehör verschaffen.

Wahltag in Kairo, Ägypten (Foto: Markus Symank)
Bild: DW/M. Symank

Mit einer Ägyptenflagge in der einen Hand und ihrem kleinen Sohn an der anderen steht Umm Ali in der Warteschlange vor einem Wahllokal im Kairoer Oberklasseviertel Maadi. Aus einem Lautsprecher plärrt ein Lied über die Einheit von Armee und Volk. Eine Wählerin drückt einem Soldaten einen Kuss auf die Wange. Die Männer in Uniform bedanken sich mit kleinen Flugblättern: "Danke für Ihre Kooperation", steht darauf unter dem Armeelogo.

Umm Ali sagt, nun werde endlich alles gut: "Diese Verfassung wird das Land wieder auf die Beine bringen. Sie wird die Wirtschaft ankurbeln, den Tourismus zurückbringen sowie den Terror und alles andere Negative im Land beenden." Andere Wähler in der Warteschlange äußern sich ähnlich optimistisch. Sie wollen alle für den Verfassungsentwurf stimmen, der zwar eine Stärkung der Bürgerrechte in Aussicht stellt, zugleich aber auch die Sonderstellung von Armee, Polizei und Justiz zementiert.

Die meisten sind gekommen, um das Militär zu unterstützen, auch Umm AliBild: DW/M. Symank

Polizeigewalt und Tote

Das dritte Verfassungsreferendum in drei Jahren läuft unter enormen Sicherheitsvorkehrungen. 250.000 Soldaten sind während der zwei Wahltage stationiert, um die etwa 30.000 Wahllokale im Land zu schützen. Doch noch vor Beginn der Abstimmung detoniert am Dienstagmorgen eine Bombe vor einem Gerichtsgebäude im Norden Kairos. Der Sachschaden ist groß, Menschen werden aber nicht verletzt. Wenig später versammeln sich Dutzende Anhänger der Armee vor dem Gebäude und skandieren patriotische Parolen. Khaled, ein Grundschullehrer, sagt: "Niemand hier hat Angst vor irgendetwas. Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, wählen zu gehen."

Mit einer großen Zahl von Nein-Stimmen muss die Regierung mangels echter Opposition kaum rechnen. Die Muslimbruderschaft des von der Armee gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi boykottiert das Referendum, das sie als illegal bezeichnet. Mit Demonstrationen in mehreren Städten will sie gegen die Abstimmung protestieren, obwohl die Sicherheitskräfte angekündigt haben, "noch nie gesehene Stärke" zu zeigen. Was dies bedeutet, wird schnell deutlich: Mindestens fünf Demonstranten kommen einen Tag vor der Abstimmung ums Leben, als die Polizei Demonstrationsmärsche gewaltsam auflöst.

Militärchef Sisi lässt sich feiernBild: picture-alliance/dpa

Stiller Boykott

75 Prozent Zustimmung hat der Vorsitzende des Verfassungskomitee, Amr Mussa, vor dem Referendum als Prognose genannt. Das tatsächliche Ergebnis dürfte nach Einschätzung von Wahlbeobachtern vor Ort noch deutlich höher liegen. Auch, weil die Regierung seit Wochen für die Verfassung trommelt und ganze Stadtteile mit Plakaten hat zupflastern lassen. Dem Kairoer Student Mohammed geht dies zu weit: "Ich mag es nicht, zu etwas gezwungen zu werden. Eine Abstimmung, bei der alle Ja sagen müssen, ist falsch. Die Meinungen anderer müssen respektiert werden." Mit den Islamisten habe er zwar nichts gemein, wolle die Wahl aber ebenfalls boykottieren.

Schon vor Wahlbeginn geben die Sicherheitskräfte kritischen Stimmen keinerlei Raum. Mehrere Mitglieder der Partei Starkes Ägypten werden verhaftet, als sie Plakate aufhängen wollen, auf denen für ein Nein zur Verfassung geworben wird. Ahmed Eid, der Bruder eines der Festgenommenen, klagt, dass die jetzige Regierung noch weniger Freiheiten gewähre als das ehemalige Regime des Diktators Husni Mubarak. Auf diese Weise werde Ägypten nie aus seiner Krise finden: "Wir gehören zur dritten Welt, weil wir zu lange vom Militär regiert wurden. Jetzt will die Armee erneut die Macht übernehmen und eine Regierung aus Generälen formen."

Ahmed Eid wartet vor der Kairoer Universität auf weitere Aktivisten, um gemeinsam eine Kundgebung gegen die Armee abzuhalten. Dass ihre Nein-Kampagne etwas bewirken werde, glaubt er allerdings nicht. Wenn nötig, werde die Regierung das Wahlergebnis fälschen, ist er überzeugt.

Abu Hassan ist ein großer Sisi FanBild: DW/M. Symank

"Wir lieben dich, Sisi"

Andere aber sehnen sich nach drei chaotischen Jahren voller wirtschaftlicher Hiobsbotschaften eben diese Militärherrschaft zurück. So beispielsweise Abu Hassan, ein Rentner aus dem Kairorer Armenviertel Dar al-Salam. Stolz hält er seinen mit roter Wahltinte gefärbten Zeigefinger vor die Kamera. Keine Wahl der vergangenen drei Jahre habe er ausgelassen, verkündet Abu Hassan. So sicher wie heute sei er sich seiner Entscheidung allerdings noch nie gewesen. Ja zur Verfassung habe er gestimmt, und damit Ja zu Armeechef Abdel Fattah al-Sisi: "Sisi ist ein guter Mann, der Ägypten vor einer grossen Katastrophe bewahrt hat. Und bei Gott, er liebt das Volk. Und deshalb werden mehr als 80 Prozent Ja sagen, so Gott will."

Wie Abu Hassan verstehen viele Ägypter das Referendum nicht nur als eine Abstimmung über die Verfassung, sondern auch als Aufforderung an al-Sisi, sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen. Als der populäre General um kurz nach neun Uhr Ortszeit ein Wahllokal in Kairo inspiziert, jubeln ihm die Wähler zu: "Wir lieben dich, Sisi". Mehrere Frauen fallen ihm begeistert um den Hals. Der populäre General hatte Tage vor der Wahl so deutlich wie nie zuvor seine Ambitionen auf das höchste Staatsamt durchblicken lassen.

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