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Wann kommt die geldpolitische Kehrtwende?

Brigitte Scholtes Frankfurt am Main
27. August 2021

Auf der Notenbanktagung in Jackson Hole hat der Chef der US-Notenbank Fed eine Abkehr von der lockeren Geldpolitik angekündigt, ohne allerdings neue Details zu Umfang und Zeitplänen zu nennen.

Grand Teton National Park, Jackson Hole, Wyoming
Wohin geht die Reise der Geldpolitik? Straße durch den Grand Teton National Park, Jackson HoleBild: Alex Grichenko/picture alliance/Zoonar

Jackson Hole - der kleine Ort in den Rocky Mountains ist jedes Jahr eigentlich Schauplatz der wichtigsten Notenbanktagung der Welt. Doch schon zum zweiten Mal nach 2020 lädt die US-Zentralbank, die Federal Reserve (Fed), nicht zum persönlichen Treffen, Notenbanker und Ökonomen werden sich pandemiebedingt von Donnerstag bis Samstag nur virtuell miteinander austauschen.

Mit Spannung erwartet worden war die Rede des Fed-Chefs Jerome Powell am Freitag. Der kündigte an, die Notenbank könne in diesem Jahr damit beginnen, die Zügel ihrer ultra-lockeren Geldpolitik wieder etwas zu straffen - vorausgesetzt, die Beschäftigung nehme weiter zu.

Dieser Prozess, auf Englisch Tapering genannt, bedeute aber noch nicht, dass die Leitzinsen sofort angehoben werden, die seit Beginn der Pandemie nahe null Prozent liegen. Zunächst werde die Fed ihre Anleihenankäufe zurückfahren.

Powell begründete dies mit dem "substantiellen Fortschritt" bei dem Ziel, eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent zu erreichen. Auch beim zweiten Ziel der Fed, der Vollbeschäftigung, habe es "klare Fortschritte" gegeben. Gleichzeitig aber müsse die Fed die Verbreitung der ansteckenden Deltavariante des Coronavirus aufmerksam beobachten.

Powells Äußerungen decken sich mit den Erwartungen der meisten Experten, die nicht davon ausgegangen waren, dass Powell schon konkrete Angaben zu Zeitplänen oder Umfang des Tapering machen würde.

Die amerikanischen Währungshüter hätten in den letzten Wochen immer wieder deutlich gemacht, dass sie bald die Anleihekäufe drosseln würden, hatte Jörg Krämer schon vor Powells Rede gesagt. "Warum sollte man das jetzt beschleunigen?", fragt der Chefvolkswirt der Commerzbank. Denn auch der letzte Arbeitsmarktbericht in den USA hätte keine neuen Erkenntnisse gebracht. Anders als die Europäische Zentralbank (EZB) kümmert die Fed sich nicht nur um stabile Preise, sondern auch um maximale Beschäftigung.

Vor Corona trafen sich die Notenbanker hier persönlich: Die Teton Mountain Range in Jackson HoleBild: Jonathan Crosby/Reuters

Deutlicher Anstieg der Preise

Aktuell kauft die Fed pro Monat Staats- und Hypothekenanleihen im Volumen von 120 Milliarden Dollar. Damit soll die Wirtschaft angekurbelt werden - zusätzlich zum ohnehin niedrigen Leitzins von 0 bis 0,25 Prozent. Das Inflationsziel habe man inzwischen erreicht, glauben die amerikanischen Geldpolitiker. Tatsächlich stiegen die Preise im Juli um 5,4 Prozent, das aber sei vor allem den höheren Energie- und Nahrungsmittelpreisen geschuldet, beschwichtigen sie.

Die Preise sollen eigentlich um zwei Prozent steigen, wenn sie einmal kurzfristig darüber hinausgehen, dann wiege das nicht so schwer, wichtig sei die mittelfristige Preisentwicklung, versichern die Geldpolitik dies- und jenseits des Atlantiks. Dennoch mahnt Volker Wieland, Professor für Monetäre Ökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt: "Was in den vergangenen Jahren die Inflation unter Ziel gehalten hat, waren vor allem die Importpreise. Da hatten wir eine schwache Entwicklung, aber das kann in der Zukunft ganz anders aussehen." Jetzt schon wirkten sich die Lieferengpässe weltweit und der Anstieg der Frachtkosten stark bei den Importpreisen aus, warnt Wieland: "Das kann sich mehr verfestigen als die Notenbanken das im Moment projizieren."

Als der damalige Fed-Chef Ben Bernanke 2013 ein Zurückfahren der Anleihekäufe andeutete, sorgte er damit für große Unruhe. Das führte zu deutlich steigenden Zinsen und damit zu erheblichen Kursverlusten bei Anleihen.  Darunter litten besonders die Schwellenländer. Dieses Mal aber boomt die amerikanische Konjunktur, angeregt durch das Konjunkturpaket, das US-Präsident Joe Biden aufgelegt hat. Außerdem sind die Finanzmärkte besser vorbereitet.

Bei Touristen beliebt: Jackson Hole im US-Bundesstaat WyomingBild: Bradly J. Boner/Jackson Hole News/picture alliance/AP

Könnte der Immobilienmarkt kollabieren?

Denn auch die Fed wolle eine solch heftige Reaktion der Finanzmärkte wie 2013 möglichst vermeiden, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Vor allem sei der Immobilienmarkt durch die lockere Geldpolitik befeuert worden. Deshalb werde die Fed sehr behutsam diesen Einstieg in den Ausstieg wählen: "Wenn die amerikanische Notenbank zu schnell auf die Zinsbremse steigt, dann kollabiert der Immobilienmarkt. Und das will die Fed definitiv nicht sehen."

Beobachter rechnen nun damit, dass die Fed einen Zeitplan für den Ausstieg schon nach der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) am 21. und 22.September bekannt geben könnte. Dann nämlich liege auch ein weiterer Arbeitsmarktbericht vor, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer. Das sei eine bessere Grundlage, um über ein Tapering entscheiden zu können. Mit einem tatsächlichen Zurückfahren der Käufe rechnet die Commerzbank dann im Laufe des vierten Quartals. Die EZB dürfte sich davon nicht beeindrucken lassen. Noch müsse die Notenbank die Konjunktur stützen, macht deren Präsidentin Christine Lagarde immer wieder deutlich.



Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde am 27.08.2021 nach der Rede von Fed-Chef Powell aktualisiert.

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