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Wenn Zentralbanker mauern

Rolf Wenkel
23. August 2017

Am Donnerstag und am Freitag trifft sich wieder mal die Finanzelite dieser Welt in den Rocky Mountains. Diskussionsstoff gibt es zuhauf. Trotzdem werden die Notenbanker jedes klare Signal an die Märkte vermeiden.

USA EU Janet L. Yellen und Mario Draghi beim G7 Treffen in Sendai Japan
Bild: Getty Images/AFP/K. Nogi

Versteckt zwischen den schneebedeckten Berggipfeln der Rocky Mountains treffen sich am Donnerstag und Freitag die führenden Notenbankgouverneure dieser Welt in dem 10.000-Seelen-Örtchen Jackson, das im Tal Jackson Hole im Bundesstaat Wyoming liegt. Das berühmte Hotel Jackson Lodge liegt in knapp 2000 Metern Höhe und bietet nur kargen Komfort. Spa, Fitness und Friseur gibt es nicht, und auch Fernseher sucht man auf den Zimmern vergebens. "Dafür bietet das Lodge einen traumhaften Blick auf den Jackson Lake und die Teton Range, eine Bergkette der Rocky Mountains", schreibt DW-Korrespondentin Sophie Schimansky.

Die Tagungsteilnehmer werden also viel Zeit und Gelegenheit haben, sich über die künftige Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks auszutauschen. "Eine dynamische Weltwirtschaft unterstützen", heißt das diesjährige Motto der Konferenz. Die seit dem Jahr 1978 von der Federal Reserve Bank of Kansas organisierte Veranstaltung gilt als die wichtigste regelmäßige geldpolitische Veranstaltung. Auch die Europäische Zentralbank versucht, im portugiesischen Städtchen Sintra eine Jahrestagung ähnlich schweren Kalibers zu etablieren, bislang aber mit mäßigem Erfolg. US-Notenbankchefin Janet Yellen hatte jedenfalls in diesem Jahr, Ende Juni, einer Tagung in London der in Sintra den Vorzug gegeben.

Jackson Hole mit Blick auf Grand Teton RangeBild: picture-alliance/chromorange/A. L. Thornton

Yellen und Draghi sprechen

In diesem Jahr werden in Jackson Hole jedoch sowohl Yellen als auch EZB-Präsident Mario Draghi eine Rede halten. Noch vor Wochen hatte es so ausgesehen, als könne Draghi in den Rocky Mountains in einer Grundsatzrede eine geldpolitische Wende der EZB ankündigen, die dann im Herbst vom Zentralbankrat beschlossen werden soll. Nun heißt es, Draghi werde in Jackson Hole über langfristige Herausforderungen der Geldpolitik sprechen und sich erst dann zur aktuellen geldpolitischen Linie äußern, wenn sie der Zentralbankrat diskutiert hat.

Folgerichtig erwartet Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, in diesem Jahr keine Signale der EZB aus Jackson Hole, die den Finanzinvestoren neue Hinweise auf den künftigen Kurs der EZB geben könnten. "Von der EZB wissen wir, dass Mario Draghi sich nicht explizit zur Zins- und Geldpolitik der EZB äußern will", schreibt Hellmeyer in einem Blog. "Von Seiten diverser Gouverneure der Federal Reserve waren in jüngerer Zeit recht unterschiedliche Äußerungen bezüglich des weiteren Pfads der US-Zinsanpassungen zu hören. Die Wahrscheinlichkeit, dass an dieser Stelle in Jackson Hole ultimative Klarheit geschaffen wird, ist überschaubar."

Thema: Langfristige Perspektiven

Für Draghi gibt es laut "Börsenzeitung" auch noch einen zweiten Grund, sich zurückzuhalten: "In Deutschland steht im kommenden Monat die Bundestagswahl an. Draghi & Co wollen sich später bestimmt nicht vorwerfen lassen, dass sie hier in dieser oder jener Hinsicht eine Beeinflussung vorgenommen hätten."

Vordergründig wird man also in Jackson Hole nicht über kurz- oder mittelfristige Geldpolitik, sondern über die langfristigen Herausforderungen diskutieren, die das Selbstverständnis der Notenbanken und ihre geldpolitischen Strategien betreffen. Die Ökonomen beobachten seit Jahren ein - meist moderates - Wirtschaftswachstum bei erstaunlicher niedriger Inflation. Das Produktivitätswachstum sinkt seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts - die digitale Revolution der vergangenen beiden Dekaden hat sich jedenfalls noch nicht nennenswert auf den Produktivitätsfortschritt ausgewirkt.

Zudem häufen Staaten und Unternehmen hohe Schulden an - bei niedrigen Zinsen. Und ob der demographische Wandel in vielen Industriegesellschaften eine Dividende bringt oder zusätzliche Kosten verursacht, ist noch längst nicht ausgemacht. Alles Fragen, die neben vielen Ökonomen auch die Geldpolitiker umtreiben.

Sintra: Die Konkurrenzveranstaltung zu Jackson Hole hat sich noch nicht richtig etabliertBild: picture-alliance/Arco Images

Indikatoren noch zeitgemäß?

Reicht es in solchen Zeiten, einfach nur auf den Arbeitsmarkt und die Inflation zu schauen, wie es die US-Notenbank tut? Oder auf die Konjunktur und die Inflation in Euroland zu schauen, wie es die EZB macht? Inzwischen gibt es eine Reihe von Ökonomen, die kein großes Vertrauen mehr in diese Indikatoren setzen. Viele halten das Inflationsziel von Fed und EZB von knapp zwei Prozent für völlig willkürlich gewählt.Und: "In einem Monat sind die Arbeitsmarktdaten gut, dann vielleicht wieder schlechter", sagt der US-Ökonom Allan Meltzer, da könne sich die Notenbank nur drehen wie ein Fähnchen im Wind.

So unterschiedlich die US-Arbeitsmarktdaten, so unterschiedlich auch die Meinung der US-Notenbanker über den künftigen geldpolitischen Kurs der Fed. Der Chef des Fed-Bezirks Dallas, Robert Kaplan, mahnt zum Beispiel zur Geduld bei einer geldpolitischen Straffung. Bevor er eine weitere Zinsanhebung unterstütze, seien zunächst Hinweise erforderlich, dass die Teuerung, die zuletzt bei 1,5 Prozent lag, "mittelfristig" anzieht.

Die Fed hatte den Leitzins zuletzt im Juni auf das aktuelle Niveau von 1,0 bis 1,25 Prozent angehoben und eine weitere Erhöhung noch in diesem Jahr signalisiert. Die Chefin des Notenbank-Bezirks von Cleveland, Loretta Mester, will trotz des niedrigen Preisdrucks an den angepeilten Zinsschritten vorerst festhalten.

Warten auf den Start

Da der Konjunkturmotor derzeit rund läuft, will die Notenbank ihr stark angeschwollenes Portfolio eindampfen. Im Kampf gegen die Folgen der Weltfinanzkrise hat sie die Bilanz in den vergangenen Jahren auf 4,5 Billionen Dollar aufgebläht. Der für die Geldpolitik zuständige Fed-Offenmarktausschuss will das Abschmelzen "relativ bald" angehen. An den Märkten wird damit gerechnet, dass auf der September-Sitzung ein Starttermin genannt wird.

Außerdem werden die US-Zentralbanker bei der Festlegung des Zeitplans auch politische Faktoren einkalkulieren müssen. Denn im Kongress steht wieder einmal eine Entscheidung über die Anhebung der Schuldenobergrenze an. Die Verhandlungen über die Anhebung könnten sich hinziehen. Derzeit ist das Limit bei 19,9 Billionen Dollar. Dem amerikanischen Staat könnte somit im Oktober wieder die finanzielle Puste ausgehen, wenn der Kongress bis dahin nicht handelt. Diesen Prozess wird die Fed nicht noch durch Zinsanhebungen beeinflussen wollen.

Europas Anleihen-Staubsauger

Im Euroraum ist dagegen das 2,28 Billionen Euro schwere Anleihe-Kaufprogramm derzeit die stärkste Waffe der EZB im Kampf gegen eine aus ihrer Sicht immer noch zu niedrige Inflation. Seit März 2015 erwirbt sie im Verbund mit den nationalen Notenbanken der Euro-Zone Staatsanleihen und andere Wertpapiere. Banken sollen mit den Käufen dazu angeregt werden, weniger in diese Titel zu investieren und stattdessen mehr Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Volkswirte erwarten, dass die Notenbank die Transaktionen frühestens ab Januar 2018 reduziert.

Die nächste EZB-Zinssitzung findet am 7. September statt. Laut früheren Informationen von Insidern gilt unter Ratsmitgliedern jedoch das darauffolgende Zinstreffen am 26. Oktober als wahrscheinlichster Termin für eine Entscheidung über den weiteren Fortgang der Anleihenkäufe. Fazit: In Jackson Hole wird diesmal vermutlich viel über Grundsätzliches und über langfristige Entwicklungen diskutiert. Wer sich aber Hinweise auf die aktuelle Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks erhofft, wird vermutlich enttäuscht – und muss bis zum Herbst Geduld haben.

 

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