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Politik

"Jahr der Erneuerung"

19. Januar 2019

Nach mehrjährigem Ringen hat die CSU ihren Führungswechsel vollzogen. Ein Parteitag wählte Markus Söder zum neuen Vorsitzenden, was auch in Berlin Folgen hat. Von Christoph Strack, München.

CSU Parteitag 2019 Söder
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Es ist vollbracht. Nach fast fünfjährigem Ringen hat Markus Söder (51) sein Ziel erreicht und Horst Seehofer (69) als CSU-Chef abgelöst. Damit haben nun beide Unionsparteien den Generationswechsel vollzogen. Bei der Schwesterpartei CDU folgte im Dezember Annegret Kramp-Karrenbauer auf Angela Merkel. Nun tritt der langjährige Anwärter Söder, einst ein CSU-Lautsprecher und seit vielen Jahren Mahner, an die Spitze der kleineren bayerischen Unionsschwester.

Beim CSU-Parteitag in München erreichte Söder aber, der vor knapp einem Jahr Seehofer bereits als bayerischer Ministerpräsident abgelöst hatte, nur ein eher mäßiges Ergebnis. Er hatte keinen Gegenkandidaten und kam - nach einer durchaus emotionalen, pointierten, gut 45-minütigen Bewerbungsrede - auf 87,42 Prozent der abgegebenen Stimmen. In Gesamtzahlen sieht das schwächer aus. Von 852 möglichen Delegierten nahmen 65 gar nicht an der Wahl teil. Söder bekam 674 Ja-Stimmen. Er selbst wirkte ernüchtert. "Wir wählen ja wieder im Oktober. Da können wir es weiterentwickeln", kommentierte er das eher magere Ergebnis.

Seehofer wehmütig

Vor der Kandidatenrede hatte der scheidende CSU-Chef Horst Seehofer in 15, von Wehmut geprägten Minuten, Bilanz gezogen und seine Partei ("mein einziger Wunsch") gemahnt: "Vergesst mir die kleinen Leute nicht!" Seehofer, der Bundesinnenminister bleibt, gestand ein, dass er nicht ganz freiwillig als Parteichef aufhört.

Ex-Chef Seehofer: "Sie verlieren keinesfalls Ihr Gesicht"Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Da zitierte er das Horoskop seiner Heimatzeitung "Donaukurier" vom Morgen. "Sie verlieren keinesfalls Ihr Gesicht, wenn Sie eine schon getroffene Entscheidung revidieren." Da horchte der ein oder andere im Saal auf, der Seehofer alles zutraut. "Vor 15 Jahren hätte ich das als Auftrag empfunden. Heute fehlt mir einfach die Risikobereitschaft." Aber probiert hätte es der 69-Jährige wohl schon ganz gern.

CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte 2019 - auch wegen dieses Parteitags - zu Beginn "Jahr des Aufbruchs, der Zuversicht", auch "Jahr der Erneuerung". Der Wechsel von Seehofer zu Söder - er ist für die Christsozialen, die sich als letzte Volkspartei in Bayern sehen, mehr als eine Personalie.

Ein Einschnitt in der deutschen Politik

Und vor allem ist dieser Münchner Führungswechsel ein Einschnitt in der politischen Geschichte Deutschlands. Denn erstmals überhaupt ist kein einziger Parteivorsitzender einer Koalitionspartei im Bundeskabinett. Weder als Kanzler noch als Fachminister. Das gab es nie. Nicht unter Konrad Adenauer (CDU, Kanzler von 1949 bis 63) und Willy Brandt (SPD, 1969 bis 74), nicht unter Helmut Schmidt (SPD, 1974 bis 82), der zwar selbst nie Parteichef war, dessen Koalitionspartner FDP aber ihren Vorsitzenden ins Kabinett schickte, und auch nicht unter Helmut Kohl (CDU, 1982 bis 98).

Die amtierende CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer gehört sogar weder einem Parlament, noch einer Regierung an. CSU-Chef Söder regiert Bayern und führt die CSU nun von München aus. In Berlin war er nie länger. Und SPD-Chefin Andrea Nahles, die bis Anfang 2017 Bundesarbeitsministerin war, führt nun die SPD-Bundestagsfraktion an.

Neue Machtzentren

Das verändert die politische Landschaft. Die Parteien gewinnen an Bedeutung. Die Regierung hat weniger Rückbindung. Sicher: Bei den sogenannten Koalitionsrunden, zu denen Regierungschefin Merkel jeweils ins Kanzleramt einlädt (und die künftig öfter stattfinden sollen), sind die Parteivorsitzenden immer dabei, ebenso die Spitzen der Regierungsfraktionen. Aber die CSU bewertet Politik künftig wieder mehr von München her.

Neue Unionsvorsitzende Söder und Kramp-Karrenbauer: Festmusik aus den LautsprechernBild: Reuters/A. Gebert

Bei der CDU hat Kramp-Karrenbauer längst das Label "kleine Merkel" abgeschüttelt. Die CDU hat mit "AKK", wie sich die Chefin nennt, und Fraktionschef Ralph Brinkhaus neues Selbstbewusstsein und neue Machtzentren. Merkel, für die alle entschieden eintreten, ist dagegen in ihrer Schlusskurve.

Beim CSU-Parteitag in München wurde das am deutlichsten, als Kramp-Karrenbauer als Gast in die Parteitagshalle einzog. Zwei Stunden zuvor hatten Noch-Chef Seehofer und Kandidat Söder beim gleichen Gang fast gequält gewirkt, keine Musik war erklungen. Als Kramp-Karrenbauer gemeinsam mit dem frisch gewählten Söder zur Bühne schritten, donnerte Festmusik für die beiden Neuen aus den Lautsprechern. Der Weg durch den Applaus der Halle dauerte Minuten."Unsere Kramp-Karrenbauer", wurde sie von der Bühne aus begrüßt.

Wer war noch mal Merkel?

Bei den letzten Besuchen von Angela Merkel auf CSU-Parteitagen wurde sie stets von einigen Mitgliedern der Parteinachwuchsorganisation Junge Union begrüßt - allerdings mit Plakaten auf denen stand, "Zurücktreten!" oder "Obergrenze sofort". Vorbei. Wer war noch mal Merkel? Die Kanzlerin und Ex-CDU-Chefin spielte in München keine Rolle, auch nicht ihr Name.

Nicht bei Seehofers Rede, der zwar das Beinahe-Aus der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Sommer 2018 ansprach, aber kein Wort mehr zum Thema Flüchtlinge verlor. Nicht bei Söder und Kramp-Karrenbauer. Beide schossen vom Rednerpult kräftig gegen die Grünen und noch mehr gegen die AfD. Aber Merkel nannten sie nicht. Kramp-Karrenbauer bestellte übrigens auch keine Grüße ihrer Vorgängerin. 

Die neuen Unionsvorsitzenden sagten Manfred Weber alle Unterstützung zu, dem Spitzenkandidaten der Union und der konservativen EVP für die Europawahl. Dessen flammende Rede, die Wahl Ende Mai als Absage an Nationalisten und Populisten zu nutzen, war der letzte Höhepunkt des Parteitags. Weber warnte vor einem Auseinanderbrechen Europas. Da klatschte die Halle, auch Söder, Kramp-Karrenbauer und Seehofer zollten Beifall. In Sachen Europa sind die Unionsspitzen offenbar alle einer Meinung.

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