Neue Ausstellung für jugoslawische Opfer in Auschwitz
27. Januar 2024Nach jahrelangen Verhandlungen haben die Nachfolgestaaten Jugoslawiens sich darauf geeinigt, eine Ausstellung über die Opfer des Holocaust im Auschwitz Memorial Center einzurichten. Dem Abkommen gingen Jahre mühsamer Lobbyarbeit voraus.
"Heute haben vierzehn Jahre diplomatischer Verhandlungen endlich Früchte getragen. Diese historische Vereinbarung füllt die Lücke, das Fehlen der Erinnerung an dem Ort, an dem sich diese Schrecken abspielten", sagte UNESCO-Direktorin Audrey Azoulay bei der Unterzeichnung der Vereinbarung zur Neugestaltung der Ausstellung im sogenannten Jugoslawischen Pavillon am vergangenen Donnerstag (25.01.2024) in Paris.
Sechs Kulturminister der post-jugoslawischen Länder verpflichteten sich durch die Unterzeichnung, den Ausstellungsraum im ersten Stock des Block 17 des Konzentrationslagers Auschwitz I wieder mit Inhalten zu füllen.
Seit dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens war die Ausstellung erst vernachlässigt und schließlich komplett aufgegeben worden. Seit 2009 stand der Block 17 leer. Nichts erinnerte mehr an die geschätzt 20.000 Bürgerinnen und Bürger aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, die nach Auschwitz verschleppt worden waren und von denen ein Großteil den Block 17 passiert hatte.
66.000 ermordete jugoslawische Juden
In der Gedenkstätte klären seit den 1960er Jahren von verschiedenen Ländern konzipierte Dauerausstellungen über das Schicksal ihrer deportierten Landsleute auf. 1963 stellte die Gedenkstätte Jugoslawien Block 17 zur Verfügung, um an die Geschichten der jugoslawischen Opfer zu erinnern. Die damalige Regierung in Belgrad entschied sich jedoch, den Raum einem anderen Thema zu widmen - nämlich dem Partisanenkampf während des Zweiten Weltkriegs. Sie ignorierte die Tatsache, dass die meisten der Deportierten, von denen nur etwa hundert überlebten, jüdischer Herkunft waren.
"Während des Kommunismus, nicht nur in Jugoslawien, sondern in allen kommunistischen Staaten, wurde die Frage der ethnischen Zugehörigkeit der Opfer überhaupt nicht gestellt, denn die Haltung war, dass alle Opfer 'Opfer des Faschismus' waren", sagt Jelena Subotic, Politikwissenschaftlerin an der Universität von Atlanta und Autorin des Buches "Gelber Stern, Roter Stern: Erinnerung an den Holocaust nach dem Kommunismus". Insgesamt wurden etwa 66.000 der 80.000 jugoslawischen Juden während des Zweiten Weltkriegs durch die Nationalsozialisten ermordet.
Die UNESCO bemüht sich seit 2010 um eine Vereinbarung zwischen den Nachfolgestaaten Jugoslawiens, damit diese gemeinsam wieder eine Ausstellung aufbauen. Der Direktor der Auschwitz-Birkenau-Stiftung, Wojciech Soczewica, zeigte sich erleichtert, dass die Nachfolgestaaten nun mit der Unterzeichnung Verantwortung übernehmen, um die Erinnerung an den Holocaust aufrechtzuerhalten. "Die heutige Zeremonie ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Regierungen von Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und Slowenien bereit sind, sich dieser Koalition anzuschließen und so zum Gedenken und zu unserer Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen beizutragen", sagte Soczewica am Donnerstag.
Daniel Libeskind entwirft die Ausstellung
Mirna Herman ist Mitglied der Herman-Familie aus Osijek, die im Holocaust größtenteils ermordet wurde. Nur ein Großvater überlebte. Seine Nachkommen gründeten den Herman Family Trust, der sich seit Jahren für den Wiederaufbau der Ausstellung in Block 17 einsetzt. "Man könnte sagen, es handelt sich um ein historisches Ereignis, denn es kommt selten vor, dass sich diese sechs Länder auf etwas einigen", sagt Herman der DW. Insbesondere wenn es sich um ein so sensibles Thema handele wie den Holocaust in Jugoslawien, der von Politikern oft für eigene politische Zwecke missbraucht werde.
"Warum es so lange gedauert hat, mit der Renovierung der Ausstellung zu beginnen, ist nicht unsere Frage, sondern eine politische Frage für die Ministerien. Aber ich denke, jetzt, da eine Vereinbarung getroffen wurde, sollten wir uns freuen", sagt Herman. Sie weist auf die Komplexität der "jugoslawischen" Ausstellung hin, da sechs Länder an ihrer Gestaltung beteiligt seien, während hinter der Konzeption anderer nationaler Ausstellungen wie der israelischen, französischen oder niederländischen jeweils nur ein Staat stehe.
Der Herman Family Trust konnte den renommierten Architekten Daniel Libeskind und den Kurator Henri Lustiger-Thaler für das Projekt gewinnen. Die Ausstellung wird in verschiedene Abschnitte unterteilt und ist der damaligen Zeit, den Opfern, den Tätern sowie den Widerstandskämpfern gewidmet. Es wird Porträts von Überlebenden des Lagers geben wie auch von denen, die in Auschwitz getötet wurden. "Es ist wichtig zu sagen, dass es keine Aufteilung nach Ländern gibt. Die Ausstellung behandelt thematisch vielmehr ein Territorium und alle Opfer", sagt Herman. "Es gibt also keine Hierarchie der Opfer, wie es bisher der Fall war - zum Beispiel wurden Roma überhaupt nicht erwähnt."
Wunsch nach mehr Besuchern aus Ex-Jugoslawien
Der ursprüngliche Wunsch der Organisatoren war es, die Ausstellung bereits am 27.01.2025, dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, zu eröffnen - aber das sei unrealistisch, sagt Herman. "Das Auschwitz-Museum bereitet sich bereits auf die große Feier des 80. Jahrestages der Befreiung des Lagers vor. Es ist also unmöglich, gleichzeitig an zwei so komplexen Dingen zu arbeiten. Daher ist ein realistischeres Eröffnungsdatum der Ausstellung im Jugoslawischen Pavillon das Jahr 2026", so Herman. Sie betont, dass sie den verschobenen Eröffnungstermin nicht bedauere, sondern froh sei, dass nun endlich der Weg für die erneute Einrichtung der Ausstellung offen sei.
Wie Herman hoffen viele der Initiatoren, dass die Eröffnung der Ausstellung mehr Besucher aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens nach Auschwitz bringen wird. Denn von dort kommen bis heute vergleichsweise wenige Besucher zu der Gedenkstätte. Vor allem junge Menschen soll die neue Ausstellung anziehen.