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Jahrelanges Staatsdoping in Russland

9. Dezember 2016

Ein Doping-Netzwerk gigantischen Ausmaßes: Mit einem staatlich gedeckten Betrugssystem hat Russland nach WADA-Ermittlungen jahrelang Sportbetrüger beschützt. Der Ruf nach harten Strafen wird nun immer lauter.

Russland Doping
Schein-Kontrolle: Die WADA-Ermittler stießen auf kriminelle Machenschaften in den Laboren.Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Jin-man

Mehr als 1000 russische Sportler aus 30 Sportarten sind nach Ermittlungen der Welt-Anti-Doping-Agentur zwischen 2011 und 2015 Teil einer großangelegten staatlichen Dopingpolitik gewesen. Das teilte WADA-Chefermittler Richard McLaren bei der Vorstellung seines zweiten Berichts am Freitag in London mit. Bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London, der Leichtathletik-WM 2013 in Moskau und den Winterspielen 2014 in Sotschi seien systematisch Dopingproben russischer Athleten manipuliert worden, auch von "sehr bekannten Topathleten". Namen betroffener Sportler werden in dem Bericht nicht genannt.  

Dopingproben von vier Sotschi-Olympiasiegern manipuliert 

WADA-Chefermittler McLarenBild: Reuters/P. Power

Es habe sich um eine "institutionelle Verschwörung" über mehrere Jahre und sportliche Großereignisse hinweg gehandelt, gesteuert vom russischen Sportministerium, sagte der kanadische Jurist. Auch der Behindertensport sei betroffen gewesen. "Über Jahre sind internationale Sportwettbewerbe unbemerkt von den Russen gekapert worden", fasste McLaren zusammen. Die Athleten hätten mit russischen Offiziellen im Sportministerium und dessen Behörden wie der Nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA, mit dem Moskauer Kontrolllabor und dem Inlands-Geheimdienst FSB gemeinsame Sache gemacht, um Dopingtests zu manipulieren.

"Medaillengier statt Fair Play"

Es seien Beweise gefunden worden, dass Dopingproben von insgesamt zwölf russischen Medaillengewinnern der Winterspiele 2014 in Sotschi, darunter vier Olympiasiegern, manipuliert worden seien. Zwei Jahre zuvor habe das russische Olympiateam "die Spiele in London in einem noch nie da gewesenen Maß korrumpiert". Russland habe 24 Gold-, 26 Silber- und 32 Bronzemedaillen gewonnen, ohne dass ein einziger Starter positiv getestet worden sei, sagte McLaren: "Die Gier nach Medaillen verdrängte ihre kollektive Moral, den ethischen Kompass und den olympischen Wert des Fair Play."

WADA-Bericht zu russischem Staatsdoping: Gespräch mit dem Journalisten Hajo Seppelt

03:29

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Obwohl das Bild jetzt klarer sei, so McLaren, "ist es noch nicht komplett. Wir hatten nur Zugang zu einem kleinen Teil der Daten." Zum Beweis veröffentlichte der Kanadier 1166 Dokumente, die er während der Untersuchung sicherstellen konnte, darunter Fotos, forensische Berichte und E-Mails. Dies seien "unzweifelhafte Fakten".

Mitte Juli hatte McLaren seinen ersten Untersuchungsbericht vorgelegt, für den er allerdings nur 57 Tage Vorbereitungszeit hatte. Damals hatte der Juraprofessor mitgeteilt, dass zwischen 2012 und 2015 rund 650 positive Doping-Proben russischer Athleten verschwunden seien. Das russische Sportministerium wies die Vorwürfe zurück. "Es gibt kein staatliches Programm zur Unterstützung von Doping im Sport", teilte das Ministerium mit. "Wir werden weiter mit null Toleranz gegen Doping kämpfen." Jelena Issinbajewa, die Aufsichtsratschefin der russischen Anti-Doping-Agentur Rusada, argumentierte ähnlich: "Es ist immer sehr einfach, Schuldige und Unschuldige in einen Topf zu werfen. Ich bezweifle, dass uns konkrete Beweise für eine Schuld gezeigt werden können, wenn wir darum bitten."

Prokop fordert Komplett-Ausschuss Russlands

Wie viele Medaillen müssen russische Sportler nun zurückgeben? Die Aufarbeitung geht weiter.Bild: Getty Images/W. Little

"Zunächst war ich sprachlos", sagte Andrea Gotzmann, die Vorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA), in einem DW-Interview. "Was wir hier über systematisches und perfides Doping im russischen Sport erfahren haben, hat mich erschüttert." Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), forderte einen kompletten Ausschluss aller russischen Sportler von internationalen Wettkämpfen auf unbestimmte Zeit. Vor allem das Internationale Olympische Komitee (IOC) sei jetzt gefordert. "Wenn in einem Land die Werte der olympischen Bewegung dermaßen in den Schmutz gezogen werden, müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden", sagte Prokop. "Die Glaubwürdigkeit des IOC steht hier auf dem Spiel."

Nachtests angekündigt 

"Die Erkenntnisse sind ein fundamentaler Angriff auf die Integrität der Olympischen Spiele und des Sports im Generellen", erklärte das IOC zum McLaren-Bericht und kündigte als erste Maßnahme an, alle eingelagerten Dopingproben russischer Athleten der Olympischen Spiele 2012 in London nachzutesten. IOC-Präsident Thomas Bach erklärte: "Für mich als Olympiateilnehmer sollte jeder Athlet oder Offizielle, der sich aktiv an einem solchen Manipulationssystem beteiligt hat, lebenslang von den Olympischen Spielen ausgeschlossen werden - in welcher Funktion auch immer." 

sn/asz (dpa, sid, rtr) 

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