1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jahrhundertflut bremst Eifel-Tourismus

Cornelia Ganitta
9. August 2021

Zerstörte Fachwerkhäuser, unterbrochene Straßen und Bahnverbindungen. Durch das Hochwasser und die Folgen ist der Eifel-Tourismus auf Jahre beeinträchtigt. Eine Ortsbesichtigung in Kall und Mayschoß.

Vor und nach der Flutkatastrophe - der Eingang zum Eifel-Nationalpark
Vor und nach der Flutkatastrophe - der Eingang zum Eifel-Nationalpark Bild: Cornelia Ganitta/DW

"Die idyllischen Weinorte an der Ahr reihen sich wie Perlen einer kostbaren Kette aneinander. Verträumt schlängelt sich die Ahr in engen Bögen durch eine bizarre Felslandschaft." So wirbt das Ahrtal in einer Broschüre für die Region, die zum Mittelgebirge der Eifel gehört. Zu einer Hochburg des Weintourismus avancierten die kleinen Dörfer in den 1960er und 70er Jahren, als die Touristen vor allem während der Winzerfeste in Sonderzügen hierher kamen.

Später kamen viele Ausflügler aus Köln und Bonn, um die Rotweinroute von Altenahr nach Bad Bodendorf oberhalb des romantisch gelegenen Flussbettes der Ahr zu wandern. Die Wanderer sind danach gerne auf einen Schoppen Wein rund um die Orte Dernau und Mayschoß eingekehrt. Seit der großen Flut vom 14. Juli, bei der sich die Ahr in einen reißenden Fluss verwandelt hat, ist es mit der Weinromantik fürs Erste vorbei. 

Der von den Fluten zerstörte Winzerort MayschoßBild: Cornelia Ganitta/DW

Ein Bild der Verwüstung

Gut drei Wochen danach sieht Mayschoß noch ziemlich verwüstet aus, auch wenn bereits viel aufgeräumt wurde. Manche sprechen gar von einer "Stunde null". Zerstörte Häuser, ein modriger Geruch in der Luft, Staub und Unrat in den Straßen. Einige der knapp 950 Einwohner zählenden Gemeinde denken daran aufzugeben. So auch das Rentnerpaar Siedentopp. Der gerade erst im Rahmen der Dorferneuerung renovierte Ferienwohnsitz ist völlig ruiniert.

"Das Haus war zunächst nicht begehbar, weil 20 cm Ölschlamm auf den Wegen lagen und die Türen verstopft waren", so Claudia Siedentopp. "Als wir reinkamen, bot sich uns ein Bild der Verwüstung. Alles war kreuz und quer durch das Haus geflogen". Inzwischen ist es leergeräumt. Die Öltanks im Keller liegen frei. Der Küchenfußboden, der die Tanks bedeckte, ist weg. Lediglich einige hingelegte Bretter erlauben das Darüber-Balancieren. Die Balken des denkmalgeschützten Hauses mit seiner schmucken Fachwerk-Fassade fangen an zu schimmeln. Ob sie weitermachen, wissen sie nicht. Denn auch die Siedentopps sind – wie die meisten im Ort – nicht gegen Flutschäden versichert.

Das waren mal Sauna und Dusche der Familie Siedentopp in MayschoßBild: Cornelia Ganitta/DW

Online-Vertrieb als Absatzchance

Die, die bleiben, tun alles, um sich mit Arbeit bei Laune zu halten. "Man darf nicht verharren. So lange man nicht drüber nachdenkt, geht es", sagt Alina Sonntag, Marketingchefin der mit mehr als 150 Jahren ältesten Winzergenossenschaft der Welt. 460 Mitglieder aus Mayschoß, Altenahr und Walporzheim sind unter ihrem Dach vereint. Davon die Hälfte Winzer, die die insgesamt 150 Hektar Rebland bewirtschaften. "Wir legen den Fokus jetzt auf die Weinernte", sagt Sonntag. "Im Moment ist es eigentlich die arbeitsintensivste Zeit des Jahres wegen Pflanzenschutz und Laubarbeiten".

Freiwillige Helfer bergen die noch brauchbaren WeinflaschenBild: Cornelia Ganitta/DW

Winzer aus der Pfalz und von der Mosel sind gekommen, um mit Manpower und Gerätschaft zu helfen. Vor dem Gebäude der Genossenschaft haben derweil zwei Dutzend freiwillige Helfer eine Kette gebildet, um die heilen Flaschen aus dem Lager zu bergen. Draußen sollen sie gespült und dann verkauft werden. "Vielen Kunden macht es nichts aus, ob die Etikette beschädigt sind", so die frühere Weinkönigin. "Sie wollen uns unterstützen, indem sie uns den Wein abkaufen. Der Internet-Vertrieb ist nun auf lange Sicht die einzige Absatzchance".

Abriss oder Wiederaufbau

Der Ausschank, das Weinmuseum, der Festplatz, auf dem im Herbst die Weinfeste stattfanden, die vier Hotels und zehn Restaurants sind - bis auf zwei - zerstört. Nicht mal einen Bäcker oder Metzger gibt es noch. Dafür sind viele Helfer von auswärts gekommen. Darunter Handwerker, die versuchen, Wasser und Strom zum Laufen zu bringen sowie Statiker und Sachverständige, die mit grünen Kreuzen Häuser markieren, die abgerissen werden müssen.

Ein Ort des Austauschs - die Gerüchteküche vor der alten SchuleBild: Cornelia Ganitta/DW

Die Frage, die hier derzeit alle bewegt, ist: Dürfen abgerissene Häuser überhaupt wieder aufgebaut werden? Und wenn ja, unter welchen Auflagen? Auch macht sich unter den Einwohnern die Sorge breit, dass sie in ein paar Monaten mit ihren Problemen allein dastehen - zumal die offiziellen Hilfsorganisationen ihre Arbeit bald schon beendet haben werden. Viele von ihnen treffen sich vor der alten Schule. Hier können sie reden, sich austauschen und gegenseitig trösten.

In der Schule tagt ebenfalls der Krisenstab, der von Gerd Baltes geleitet wird. Als pensionierter Polizeibeamter, der in Albanien und Afghanistan im Einsatz war, hat er schon einiges gesehen. Mit einer solchen Flut jedoch hat auch er nicht gerechnet. "Bei 2,20 Meter wird von offizieller Seite die Feuerwehr alarmiert. Hier war sie schon vorher aktiv. Dabei fing alles mit einem satten Landregen ganz harmlos an", so Baltes.

Beim Hochwasser 2016 sei die Ahr schon einmal 3,71 Meter über die die Ufer getreten, erzählt der Mayschoßer. "In diesem Jahr aber waren es 8,06 Meter. Siebzig Personen mussten am Donnerstag nach der Flutnacht vom Dach geholt werden". Die, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben, sind nun teilweise in den Ferienwohnungen des Dorfes oder auch anderen Wohnungen der Umgebung untergebracht.

Weil drei Brücken defekt sind und Straßen vom Hochwasser vernichtet wurden, führt nur noch ein provisorisch geteerter Weg durch den Wald in den Ort, der komplett von außen versorgt werden muss. "Es wird sicherlich einige Jahre dauern, um die Infrastruktur annähernd so wie früher wiederherzustellen", prognostiziert der Krisenmanager und schiebt nach: "Natürlich ist dafür auch zwingend die staatliche Förderung erforderlich".

Wandern statt Fachwerkidylle

Anderer Ort, andere Baustelle. Auch in dem 60 Kilometer westlich gelegenen Städtchen Kall hat das Unwetter gewütet. Der Zugverkehr ist eingestellt, der vor ein paar Wochen erst eingeweihte neue Bahnhofsvorplatz komplett verwüstet. Gehplatten haben sich aufgetürmt, die frisch gepflanzten jungen Bäume liegen quer. Sämtliche Läden in der Bahnhofsstraße wurden geflutet; sie sind bereits ausgeräumt und stehen leer, so wie der Eisladen, der erst im Frühjahr eröffnet hatte. Überall häuft sich der Müll in dem kleinen Ort unweit des Nationalparks.

Der zerstörte Bahnhofsvorplatz in KallBild: Cornelia Ganitta/DW

In Kall sitzt die Nordeifel Tourismus-GmbH, die unter anderem den Nationalpark mit seinen 240 Kilometern Wanderwege vermarktet. Knapp 390 Millionen Euro Jahresumsatz bringt der Tourismus der Nordeifel normalerweise im Jahr. Waren es wegen der Corona-Pandemie im letzten Jahr schon weniger Gäste, dürften es in diesem Jahr noch weniger werden. "Zum einen sind wir besorgt wegen der wieder steigenden Inzidenz-Zahlen", sagt Geschäftsführerin Iris Poth. "Zum anderen verbinden aktuell viele Gäste die Eifel mit dem `Katastrophengebiet Eifel´".

Tatsächlich seien Ortschaften wie Gemünd, Schleiden und Bad Münstereifel stark beschädigt und es werde schwer, das Flair gerade von Fachwerk-Städten mit ihren weitreichenden Denkmalschutz-Auflagen wiederherzustellen, meint Poth. "Doch jenseits der Tallagen, in denen die Flüsse und Bäche über die Ufer getreten sind, gibt es noch die Hochlagen, die mit ihren Wander- und Radwegen reibungslosen Tourismus gewährleisten". So zum Beispiel die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang, die als Teil des heutigen Nationalparks, malerisch am Eifelsteig und hoch über der Urft gelegen ist.

Wandern geht - vor allem in den höheren Lagen, wie hier auf dem Eifelsteig bei EinruhrBild: picture-alliance/DUMONT Bildarchiv/R. Kiedrowski

Das Problem ist die Anreise

"Worauf wir warten ist ein Aufbauprogramm. Fördermittel von Bund oder Land, damit wir überhaupt etwas haben, mit dem wir den Betrieben begegnen können", sagt Poth. Soforthilfen von 5000 Euro für Geschäftsleute seien derzeit zwar einfach und unbürokratisch über die Kommunen abzurufen. "Allerdings sind diese ja nur für das Nötigste, sprich Aufräumarbeiten", so Poth.

Das größte Handicap für die Region aktuell sei die Anreise. Straßensperrungen der Autobahnen A1 und A61 behindern die Anreise. Auch der Zug, der auf seinem Weg von Köln nach Trier die Eifel quert, kann derzeit nur mittels Schienenersatzverkehr bedient werden. Achtzig Bahnhöfe und sechshundert Kilometer Gleisschäden wurden laut Deutsche Bahn durch das Unwetter beschädigt. Es wird Jahre dauern, bis diese Infrastruktur wiederhergestellt ist.

Auf der Website der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr wird übrigens ein limitiertes Überraschungspaket gegen eine Hochwasser-Spende angeboten, mit Weinflaschen, die aus den Trümmern gerettet werden konnten.

Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen