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Gesellschaft

Der staatenlose KZ-Scherge

21. August 2018

Jakiw Palij diente den Nationalsozialisten als KZ-Aufseher. Jahrzehntelang hatte er unerkannt in den USA gelebt. Jetzt haben die USA den SS-Helfer nach Deutschland abgeschoben.

Früherer SS-Mann Jakiw Palij nach Deutschland abgeschoben
Bild: picture-alliance/dpa/US Department of Justice

Ein alter Mann mit Vollbart und Schiebermütze steigt am Dienstagmorgen aus einer Militärmaschine auf dem Flughafen Düsseldorf. Damit endet auch ein diplomatischer Streit zwischen Deutschland und den USA.

Der Mann ist Jakiw Palij, geboren in 1923 in Pjadyky, das damals zu Ostpolen gehörte und heute in der Ukraine liegt. Palij ist heute staatenlos. Er war 1941 im Zwangsarbeiter- und Ausbildungslager Trawniki in der Nähe von Lublin zum Helfershelfer der SS ausgebildet worden. Laut US-Ermittlern soll er im Arbeitslager Trawniki am Massenmord an 6000 Juden beteiligt gewesen sein. Nach dem Krieg wanderte Palij in die USA aus und gab bei der Einreise an, ein einfacher Bauer gewesen zu sein. Als Jahrzehnte später seine SS-Mitgliedschaft ans Licht kam, entzogen ihm die USA die Staatsbürgerschaft. Seit 2005 versuchten sie, ihn abzuschieben.

Moralische Verantwortung Deutschlands

Deutschland hatte sich jahrelang geweigert ihn aufzunehmen, weil Palij kein deutscher Staatsbürger ist. Nun setzt die Bundesregierung mit der Aufnahme Palijs ein klares Zeichen, spricht von der "moralischen Verantwortung Deutschlands".

Damit geht Deutschland auf die Forderung der US-Regierung, von Senatoren, Kongressabgeordneten und Vertretern der jüdischen Gemeinden in den USA ein: Sie alle argumentierten, dass Personen, die dem NS-Unrechtsregime gedient haben sollen, ihren Lebensabend nicht unbehelligt in den USA verbringen sollen.

Palij lebte jahrzehntelang im New Yorker Stadtteil QueensBild: picture-alliance/AP Photo/S. DeChillo

Entsprechend zufrieden äußerte sich auch das Weiße Haus nach der Überstellung Palijs. Präsident Trump würdigte die "umfassenden Maßnahmen seiner Regierung bei der Abschiebung dieses Kriesgsverbrechers aus den Vereinigten Staaten". 

Die Trawniki-Männer

Noch immer ist der Umgang mit den Helfers-Helfern der SS schwierig. Viele der so genannten Trawniki-Männer waren in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka direkt an der Shoa, der Ermordung der Juden, beteiligt. Sie stammten oft aus Polen, der Ukrainie oder den baltischen Ländern. Der bekannteste der insgesamt zwischen 4000 und 5000 Trawniki-Männer war John Demjanjuk, der von den Vereinigten Staaten 2009 nach Deutschland abgeschoben worden war. Drei Jahre später verurteilte ihn das Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Menschen zu fünfeinhalb Jahren Haft. Bevor das Urteil rechtskräftig wurde, starb Demjanjuk 2012.

Anklage im Fall Palij ungewiss

Ob es im Fall Palij noch zu einer Anklage kommt, ist ungewiss. Die Staatsanwaltschaft Würzburg leitete 2015 Ermittlungen gegen Palij ein, stellte das Verfahren aber mangels Beweisen wieder ein. Anders als im Fall Demjanjuk wurden von Palij bisher keinerlei Unterlagen gefunden, kein Dienstausweis, keine Personalakte, die seine Beteiligung an der Shoa beweisen. Palij selbst hat stets beteuert, die SS habe ihn zum Trawniki-Dienst gezwungen. "Eine Überstellung aus den USA nach Deutschland ändert erstmal nichts an der Beweislage", stellt Oberstaatsanwalt Jens Rommel im Gespräch mit der DW klar. Er ermittelt als Leiter einer Zentralen Stelle in Ludwisburg in nationalsozialistischen Verbrechen.

Gefangene im früheren Konzentrationslager Trawniki im besetzten PolenBild: picture-alliance/dpa/US Department of Justice

Trotzdem gibt es die juristische Möglichkeit, Palij noch Beihilfe zum Mord nachzuweisen. Dafür müssen Beweise her, dass er bei einem "systematischen Verbrechen" beteiligt war, als Aufseher oder Fahrer. Das würde reichen. Doch gerade bei den Trawniki-Männern ist es schwierig nachzuweisen, welche Einsätze sie nach ihrer Ausbildung durchgeführt haben.

"Unsere Strafgesetzwerke sind auf einzelne Täter ausgerichtet", erklärt Oberstaatsanwaltschaft Jens Rommel. "Unser Ziel ist es zu bestimmen, wofür genau der Einzelne verantwortlich ist, wenn der Staat Verbrechen begeht."

Sollte auch jetzt kein Verfahren gegen Palij eröffnet werden, wird der frühere KZ-Scherge seine letzten Jahre wahrscheinlich in einem deutschen Pflegeheim verbringen.